Auf der Suche nach der Leistungsexplosion

Von Max Marbeiter
Kostas Papanikolaou (r.) wechselt kommende Saison von Piräus nach Barcelona
© getty

Noch vor dem ersten Zwischenrundenspiel gegen Spanien (17.45 Uhr im LIVE-STREAM), steht Griechenland mit dem Rücken zur Wand. Das Team ist zu sehr von Vassilis Spanoulis abhängig. Kostas Papanikolaou könnte Abhilfe schaffen. Dazu muss Barcelonas Neuzugang aber seine Zurückhaltung ablegen, um endlich sein Potential auszuschöpfen.

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Das abschließende Vorrundenspiel hätte für Griechenland nicht schlechter laufen können. Nicht nur, dass beinahe die gesamte Halle in Koper hinter den Finnen stand, dass man von draußen quasi nichts traf (4/24 3er), der Gegner dafür über die Hälfte seiner Würfe aus dem Feld (50,9 Prozent). Hellas verlor am Ende auch noch mit 77:86.

"Sie haben einfach physischer gespielt", konstatierte Trainer Andrea Trinchieri. "Wir haben uns während des Spiels einfach nicht angepasst. Wir haben verdient verloren. Aus mentaler und physischer Sicht."

Ein Ausrutscher am Ende der Gruppenphase. Soweit nichts Besonderes. Nun ist Finnland überraschend ebenfalls in die Zwischenrunde eingezogen und plötzlich hat der Mitfavorit ein Riesenproblem. Denn neben den Griechen und Skandinaviern setzt auch Italien seine Reise durch Slowenien fort. Das andere Team, das Griechenland während der Vorrunde besiegte.

Setzt sich der Negativtrend fort?

Damit nimmt der Mitfavorit zwei Niederlangen aus der Gruppenphase mit in die Zwischenrunde. Folgt gegen Spanien die nächste Pleite, ist nicht nur das Turnier quasi beendet, auch Griechenlands Negativtrend bei internationalen Turnieren fände seine Fortsetzung.

Vier Jahre ist es nämlich bereits her, dass die stolze Basketballnation edelmetallbeladen von einem Turnier zurückgekehrte. 2009 in Polen sicherte man sich die Bronzemedaille. Die Bilanz seither? Rang elf bei der WM 2010 in der Türkei, Rang sechs bei der EuroBasket 2011 und eine verpasste Olympia-Qualifikation nach einer Quali-Pleite gegen Nigeria.

Wo Griechenland den europäischen Vereinsbasketball seit nunmehr drei Jahren dominiert - nach Panathinaikos sicherte sich Olympiakos zuletzt zwei Mal in Folge den Euroleague-Titel - hat das Nationalteam deutliche Probleme mit dem Umbruch. Theodoros Papaloukas und Dimitris Diamantidis haben ihre (Nationalmannschafts-)Karrieren beendet, junge Spieler sind nachgerückt.

Abhängigkeit von Spanoulis

Das Problem: So viel Qualität sie in der Theorie und Vereinspraxis auch mitbringen, so stark der Kader weiterhin besetzt ist, so steht und fällt Griechenlands Spiel weiterhin mit einem Mann. Vassilis Spanoulis. Zweifacher Euroleague-Final-Four-MVP und einer der besten Basketballer des Kontinents.

Speziell in der Offensive kommt Griechenland häufig so weit, wie Spanoulis es trägt. Und Spanoulis schultert einiges. Während der EuroBasket trifft er bislang 80 Prozent seiner Zweier und legt 13,7 Punkte pro Spiel auf. Hätte er die zweite Hälfte gegen Russland nicht aufgrund einer Sprunggelenksverletzung aussetzen müssen, die Werte wären wohl noch besser.

Auch gegen Finnland war Spanoulis (17 Punkte) nach Nikos Zisis (19) mal wieder Griechenlands bester Scorer. Zum einen belegen 7 Turnover jedoch den enormen offensiven Druck, dem er ausgesetzt ist, zum anderen scorte mit Loukas Mavrokefalidis (10) lediglich ein weiterer Hellene zweistellig.

Alternative Kostas Papanikolaou

Und das trotz solcher Namen wie Georgios Printezis, Yannis Bourousis, vor allem aber Kostas Papanikolaou. Wohl kaum ein Spieler im griechischen Kader wäre derart prädestiniert, Spanoulis zu entlasten, wie dessen ehemaliger Mitspieler.

Papanikolaou gilt als eines der größten Talente im europäischen Basketball. Er wurde vergangene Saison zum besten jungen Spieler der Euroleague gewählt, 2012 von den New York Knicks gedraftet und wechselte im Sommer für 1,5 Millionen Euro von Piräus nach Barcelona.

Kurz: Der Name Papanikolaou verspricht Leistung. Allerdings muss der 23-Jährige gerade jetzt beweisen, dass er für den nächsten Schritt bereit ist. Dass er in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen. Dass er tatsächlich NBA-Potential besitzt. Dabei spielt er bislang sicherlich keine schwache EM (7,2 Punkte, 71,4 Prozent FG). Allein, er scheint sich zu wenig zuzutrauen, sich in der Teamhierarchie zu weit unten zu sehen.

Gegen Finnland nahm Papanikolaou beispielsweise lediglich zwei Würfe. Für einen zweifachen Euroleague-Champion, griechischen Meister und Pokalsieger ganz klar zu wenig. Speziell, wenn man sich das Euroleague-Finale 2012 vor Augen hält.

Vielseitigkeit als Trumpf

Damals explodierte der Forward förmlich, erzielte 18 Punkte, traf hundert Prozent seiner Würfe von Downtown (3/3) und hatte damit großen Anteil an Olympiakos' 18-Punkte-Championship-Comeback. Derartige Leistungen zeigen, welches Potential im 2,06-Meter-Mann schlummert.

Betritt Papanikolaou den Court, heißt es eigentlich: zurücklehnen und genießen. Guten Gewissens. Denn der Grieche kann eigentlich alles. Er kann in Ringnähe abschließen, schießt aber gleichzeitig stark von draußen, war vergangene Saison bester Dreierschütze der Euroleague (52,08 Prozent). Er ist athletisch, besitzt einen schnellen ersten Schritt.

Auch abseits des Balles bewegt sich der Lefty stark. Kurz: Im Grunde gibt es nichts, was Kostas Papanikolaou auf dem Basketball-Court nicht kann. Was bei der EuroBasket bislang noch fehlt, ist jedoch dieser eine spezielle Moment. Diese Leistungsexplosion. Angesichts der schlechten Ausgangsposition benötigen die Griechen ihren nach Spanoulis vielleicht besten Spieler mehr denn je.

Gegen Spanien muss Papanikolaou vorangehen, wie er es bereits bei U20-WM 2009 tat, als er Griechenland zum Titel führte und am Ende zum MVP gewählt wurde. So viel ist klar. Bliebe noch die Frage nach der Rolle.

Nebenrolle als Point Guard

Denn, was Papanikolaous Größe kaum vermuten ließe, offenbart sein Spiel. Trotz 206 Zentimetern Länge weiß der Neu-Katalane nur zu gut mit dem Ball umzugehen. Der Grieche tritt mit einer unglaublichen Eleganz auf. Sein Ballhandling ist überdurchschnittlich. Auch das Auge für den Mitspieler ist vorhanden.

So könnte Papanikolaou gegen Spanien von noch größerer Bedeutung werden. Denn die Iberer treten mit einer wahren Point-Guard-Armada an. Ricky Rubio, Jose Calderon und die beiden Sergios, Rodriguez und Llull, haben bereits manche Defensivreihe aus den Angeln gehoben. Hellas hat dagegen nicht einen einzigen reinen Aufbau im Roster. Meist übernehmen die Combo-Guards Spanoulis, Kostas Sloukas und Nikos Zisis den Ballvortrag. Entsprechend könnte Papanikolaou gegen Spanien tatsächlich als Point Guard gefordert sein.

Einfach wird es so oder so nicht. Abgesehen von Slowenien dominiert der Titelverteidiger seine Gegner im bisherigen Turnierverlauf nach allen Regeln der Kunst. Die 78 Punkte der Gastgeber miteingerechnet lässt Spaniens Defense im Schnitt lediglich 53,8 Zähler pro Spiel zu.

Schwache Bilanz gegen Spanien

Und auch der direkte Vergleich weckt kaum hellenische Hoffnungen. Seit 2009 traf Griechenland bei internationalen Turnieren fünf Mal auf die Iberer. Fünf Mal hieß der Sieger am Ende Spanien. Die Rollen sind also klar verteilt. Speziell Kostas Papanikolau und Vassilis Spanoulis wissen jedoch, wie es sich als Außenseiter gegen spanische Favoriten spielt.

Auch beim diesjährigen Euroleague-Finale hatten wohl die wenigsten auf seinen Sieg Olympiakos' gegen Real gewettet. Das Ende ist bekannt. Und sollte Kostas Papanikolaou tatsächlich den Schalter umlegen, könnte man sich in Griechenland eher an die Sternstunden aus dem Vereinsbasketball als an den enttäuschenden Vorrundenabschluss gegen Finnland erinnert fühlen.

Der Spielplan der EuroBasket 2013