Basketball-Bundestrainer Henrik Rödl im Interview: "Der Kreis an Favoriten ist größer geworden"

Henrik Rödl setzt bei der WM vor allem auf Dennis Schröder.
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"Die beste WM aller Zeiten" - das ist eine Ansage. Können Sie das noch ein wenig ausführen?

Rödl: Ich denke, das Turnier ist einfach sehr breit aufgestellt mit guten Teams, es sind ja auch zum ersten Mal 32 Teams dabei statt 24. Dadurch sind extrem viele gute Mannschaften da und man hat auch enormes Talent in der Spitze. Bei den Griechen ist mit Giannis Antetokounmpo der aktuelle NBA-MVP dabei, bei den Serben sind Topstars wie Nikola Jokic dabei ... bei den Amerikanern wiederum sind aus verschiedenen Gründen einige Topspieler nicht dabei. Sie werden immer noch favorisiert sein, aber der Kreis an Favoriten ist größer geworden und sie werden es nicht so einfach haben. Die Franzosen sind stark, die Spanier natürlich, es ist schwer zu sagen, wer sich am Ende behaupten wird und daher ist auch die eigene Einordnung müßig. Wir haben gezeigt, dass wir gegen große Teams mithalten und sie auch schlagen können, deswegen gehen wir mit großem Selbstvertrauen in dieses Turnier.

Sie haben angemerkt, dass die zweite Gruppenphase gewissermaßen schon mit hineinspielt in Ihre Planung. Wie muss man sich das vorstellen: Ab wann beginnt da das intensive Scouting und werden grundsätzlich für alle möglichen Gegner Berichte angefertigt?

Rödl: Dadurch, dass die Kader jetzt erst nach und nach final bekannt gegeben werden, konnte man noch nicht so detailliert vorher Berichte anfertigen, das beginnt jetzt alles erst so richtig und wir sammeln jede Information, die wir kriegen können. Wir werden auch zur anderen Gruppenphase 1 auf jeden Fall jemanden hinschicken, damit wir optimal vorbereitet sind, auch wenn die Zeit da gegen uns arbeitet. Trotzdem werden wir wissen, wie die gegnerischen Teams spielen. Mit der Mannschaft selbst ist das aktuell noch nicht notwendig, zumal jetzt ja noch keiner weiß, gegen wen es wirklich gehen wird oder würde. Das Spiel, auf das jedes Team bei jeder WM immer am besten vorbereitet ist, ist das erste, weil man die Zeit dafür hat. Danach muss es schneller gehen, aber mit der Mannschaft ist das ohnehin normal. Für uns Trainer geht es eben früher los mit Scouting, Berichten, Videos und so weiter. So wie bei den anderen Teams auch. Keine Sorge, in Trier [gegen Schweden, d. Red.] hat uns sicherlich jemand zugesehen und beim Supercup wird das genauso sein. Das geht jetzt überall in die heiße Phase.

Die Quali wurde aufgrund des FIBA-Kalenders in erster Linie mit anderen Spielern bestritten, das jetzige Team hat zumindest in der Kombination noch nie miteinander gespielt, auch wenn sich viele untereinander kennen. Gerade mit einem Spieler wie Schröder verändert sich automatisch vieles im Spiel. Wie flexibel müssen Sie da als Coach im Hinblick auf Ihre Systeme sein?

Rödl: Zwei Fenster hatten wir immerhin mit Dennis, bei denen Maxi Kleber auch dabei war. Da fehlten einige verletzungsbedingt, wie Zipser und Theis, aber das ist grundsätzlich die Herausforderung: Jedes Fenster zählt für sich, die Weltmeisterschaft jetzt genauso. Jedes Mal steht man vor der Frage, wer gerade zur Verfügung steht und wie man die Stärken am besten ausnutzen kann. Das ist nie identisch. Wir haben eine grundsätzliche Idee, aber diese wird ständig nach vorhandenem Spielermaterial und der jeweiligen Herausforderung im Detail angepasst. Man kann ja nicht immer das Gleiche machen. Flexibilität ist eine Grundvoraussetzung.

Da das Team insgesamt noch recht jung ist: Welche Spieler sind für Sie die ersten Ansprechpartner, wenn Sie etwas an das Team kommunizieren müssen, die Leader des Teams?

Rödl: Da sind wir trotz unseres jungen Durchschnittsalters sehr gut aufgestellt. Wir haben Spieler, die in allen möglichen Ligen viel Verantwortung übernehmen. Dennis, der in der NBA bereits eine große Rolle spielt, geht da natürlich voran, aber er ist da nicht der Einzige. Auch in der EuroLeague haben wir sehr starke, etablierte Akteure, wie Johannes Voigtmann, der jetzt zu ZSKA Moskau gewechselt ist. Wir sind nicht alt, aber auch nicht grün hinter den Ohren oder führungslos, im Gegenteil. Man spürt auch, dass dieser Kern, der schon vor zwei Jahren bei der Europameisterschaft dabei war, jetzt nochmal zwei Jahre weiter ist und auch entsprechend auftritt.

Es gab Phasen, etwa Ende der 00er Jahre, als einige Spieler in der Nationalmannschaft viel größere Rollen übernehmen mussten als im Verein, das hat sich sehr verändert. Sind die klassischen Führungsspieler heute dann gar nicht mehr so wichtig?

Rödl: Wichtig werden sie immer sein, aber es ist tatsächlich so, dass wir jetzt mit ganz wenigen Ausnahmen nur aus gestandenen Spielern bestehen. Auch bei uns werden sich über die kommenden Wochen einige etwas lautere Stimmen herauskristallisieren, aber es ist eigentlich jeder gewohnt, im Team auch Verantwortung zu übernehmen. Das ist für mich schon ein großer Vorteil, dass es nicht nur eine oder zwei Stimmen gibt, sondern deutlich mehr.

Die beiden Jüngsten im Team in Moritz Wagner und Isaac Bonga wurden im Sommer nach Washington getradet, bei Schröder ist die Situation neu, Voigtmann ist gewechselt, Zipser auch - beschäftigt das die Spieler auch im Rahmen der WM-Vorbereitung noch?

Rödl: Das können Ihnen nur die Spieler wirklich beantworten. Ich sehe es erst einmal als Vorteil an, dass alle schon wissen, wo sie kommende Saison spielen - das war in der Vergangenheit nicht immer so.

Der weitere Fahrplan des DBB bis zur WM in China

DatumUhrzeitOrtGegner
16. August20 UhrHamburgUngarn
17. August20 UhrHamburgTschechien
18. August15 UhrHamburgPolen
23. AugusttbaSaitama/JapanTunesien
24. AugusttbaSaitama/JapanJapan
28. August14 UhrJiangmen/ChinaAustralien

2017 wusste Robin Benzing erst nach der EM, dass er nach Würzburg wechseln würde.

Rödl: Zum Beispiel. Trotzdem ist so ein Orts- oder Vereinswechsel immer ein großes Thema, zumal viele Spieler ja auch noch Familie haben und viel organisieren müssen. Das ist schon jedes Mal eine Herausforderung. Aber die Spieler sind da zum Glück auch nicht auf sich allein gestellt und haben Leute um sich, die ihnen viel abnehmen, damit sie sich jetzt so gut es geht auf das Hier und Jetzt und unsere Aufgabe konzentrieren können. Es ist ja auch keine Seltenheit.

Dann bleibt noch, viel Erfolg zu wünschen. Was muss eintreten, damit die WM 2019 für Sie ein erfolgreiches Turnier wird?

Rödl: Ich kann mich da nur wiederholen, auch wenn das vielleicht enttäuschend ist: Wir wollen erst einmal in die zweite Gruppenphase. Wir wollen gesund sein, uns auf unser Spiel konzentrieren und dann werden wir auch ein gutes Turnier spielen. Ich hoffe, dass es uns weit trägt!

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