"Am Ende ist das scheißegal"

Brad Wanamaker führte Bamberg zum Titel
© getty

Spiel 5 bot ein gebührendes Ende für die besten BBL-Playoffs seit langem. Die Brose Baskets Bamberg sicherten sich zum siebten Mal die Meisterschaft, hatten im aufopferungsvoll kämpfenden FC Bayern München jedoch einen würdigen Konterpart. Brad Wanamaker krönte seine bemerkenswerte Saison.

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Als Dauerkartenbesitzerin Daniela bei der Haltestelle Friedrich-Ebert-Straße in die 905 Richtung Brose Arena einsteigt, rufen ihre bereits im Bus sitzenden Bekannten ihr entgegen: "Du bist ja optimistisch!"

Das bezieht sich auf ihre Kleidung. Zum einen prangt auf ihrem T-Shirt "Bamberg Deutscher Meister", zum anderen trägt sie eben ein T-Shirt; es regnet, alle anderen tragen Jacken über ihren Trikots. "Ach, das wird schon", entgegnet sie überzeugt: "Die Jungs haben in den letzten Tagen ein paar Einläufe bekommen und gewinnen das heute."

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Und das Wetter? " Wenn das Spiel vorbei ist und wir rausgehen, scheint die Sonne. Und Ihr ärgert euch, dass Ihr Schirme dabeihabt."

Enttäuschung aus Spiel 4

Diese "Einläufe" hatten die Baskets tatsächlich bekommen. Coach Andrea Trinchieri war nach dem vierten Spiel furios und diktierte in die Mikros, man sei "weit davon entfernt" gewesen, konkurrenzfähig zu sein. Die Bamberger hatten die Klasse vermissen lassen, die sie überhaupt so weit gebracht hatte.

Speziell beim Rebound hatten sie sich den Schneid abkaufen lassen und Bayerns John Bryant (15 Punkte, 15 Rebounds) nie in den Griff bekommen. Auch defensiv waren sie nicht auf der Höhe und konnten es so nicht kompensieren, dass Brad Wanamaker einen schwachen Abend erlebte.

Blitzstart für Bamberg

Nach der ersten Halbzeit in Spiel 5, eigentlich sogar schon nach den ersten vier Minuten, waren diese Kritikpunkte in weite Ferne gerückt. Das Team schien wie ausgewechselt und ließ sich von der unfassbar lauten Kulisse in Freak City nach vorne peitschen. Mit furiosem Einsatz in der Defense und einer balancierten Offense marschierten die Baskets direkt zu einer 9:0-Führung.

Karsten Tadda jagte Vasilije Micic über den ganzen Court und ließ ihn überhaupt nicht zur Entfaltung kommen. Wanamaker und Ryan Thompson klebten an Nihad Djedovic und Bryce Taylor, sodass offene Würfe nahezu unmöglich waren.

Kam dann doch mal jemand durch, standen da immer noch Daniel Theis und Trevor Mbakwe. Dreimal wedelte allein Theis mit dem Mutombo-Finger, etliche weitere Abschlüsse am Brett wurden von ihm und seinem kongenialen Partner beeinflusst.

Wanamaker drückt aufs Gaspedal

Auch vorne war nichts von den Problemen aus Spiel 4 zu sehen. Bayerns Fehlwürfe oder Ballverluste nutzte Wanamaker immer wieder dafür, das Spiel schnell zu machen und Abschlüsse im Fastbreak zu generieren. Aber auch im Set-Play fanden er und Dawan Robinson die Lücken, um entweder die Schützen oder Mbakwe unterm Korb zu bedienen.

Über weite Strecken erinnerte abgesehen von der herausragenden Stimmung relativ wenig an das fünfte Spiel einer bis dahin so atemberaubenden Final-Serie. Bamberg wirkte wie das klar bessere Team, schien den Titel schon zur Halbzeitpause ziemlich sicher in der Hand zu halten.

Bayern trotzt allen Widrigkeiten

Doch die Bayern der Saison 2014/15 waren kein Team, das sich von einem Rückstand einschüchtern lassen würde. Nicht nach all den Verletzungen. Nicht nach einem 1:2-Rückstand in der Halbfinal-Serie gegen Alba Berlin, auch nicht nach einem 1:2-Rückstand in den Finals gegen Bamberg.

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Und auch nicht nach den Schicksalsschlägen um Dusko Savanovic und Jan-Hendrik Jagla, die binnen weniger Tage ihre Väter verloren und trotzdem darauf bestanden, ihrem Team weiterzuhelfen. Keiner, der eine solche Situation nicht selbst erlebt hat, könnte sich angemessen in die beiden hineinversetzen. Das soll an dieser Stelle auch nicht versucht werden.

Dass sie alles versuchten, das große sportliche Ziel zu erreichen, das angesichts dieser Tragödien eigentlich so hintergründig und nichtig wirkte, verdiente aber in jedem Fall den allergrößten Respekt. "Unser größter Erfolg ist in diesem Jahr mit all den Rückschlägen, dass niemand im Verein aufgegeben hat", lobte dementsprechend auch Geschäftsführer Marko Pesic.

Jagla und Savanovic waren nicht direkt die Protagonisten des Comebacks, das die Bayern dann doch noch hinlegten. Als Inspiration für ihre Teamkollegen dienten sie aber mit Sicherheit.

Staiger läuft heiß

Es passte irgendwie zu den Bayern dieser Saison, dass diejenigen, die am Comeback entscheidend beteiligt waren, eher Jungs aus der zweiten Reihe waren statt beispielsweise Halbfinal-Held Djedovic oder Taylor.

Zunächst waren es Lucca Staiger, der im Sommer offenbar nach Bamberg wechselt, sowie Paul Zipser, die vom Perimeter für Lebenszeichen sorgten. Gerade Zipser war im Verbund mit Micic auch daran beteiligt, dass die Defense immer besser wurde und die zuvor so flüssige Bamberger Offense phasenweise zum Erliegen brachte.

Bamberg zog zwar immer mal wieder die Zügel an und setzte sich ab, irgendwie kamen die aufopferungsvoll kämpfenden Münchner aber jedes Mal zurück. Spätestens, als der zuvor von Foul-Trouble ausgebremste Bryant aufdrehte (16 Punkte), wurde es richtig interessant.

Drama in der Schlussphase

Und so kam es letztendlich dann doch zu der dramatischen Schlussphase, die diese Serie, diese gesamten Playoffs verdient hatten. Dreier auf der einen, direkte Antwort auf der anderen Seite. Ein Block hier, ein Jumper inklusive Jubelschrei da. Mit unglaublichem Tempo schwang das berüchtigte Momentum in der Schlussphase hin und her.

"Wir haben das ganze Spiel über geführt und es noch ein bisschen spannend gemacht. Aber am Ende ist das scheißegal", brachte es Theis auf den Punkt.

Bamberg geriet schließlich nicht ein einziges Mal in Rückstand. Die Gründe dafür waren vielfältig - Svetislav Pesic machte später Schiedsrichter Robert Lottermoser verantwortlich, der allerdings auf beiden Seiten mehrere Calls verpasste. "Ich möchte, dass Lottermoser nie wieder ein Spiel von mir pfeift", schimpfte der Coach dennoch.

Wanamaker wird Finals-MVP

Entscheidender waren die Athletik sowie vor allem die Tiefe der Bamberger, die letztendlich einfach etwas mehr Pfeile im Köcher hatten. Da war Darius Miller, der über die ersten drei Viertel ebenso viele Punkte gemacht hatte, nur um dann in der Schlussphase Jumper um Jumper reinzudrücken.

Da war der überragende Mbakwe, der in den letzten Minuten noch einmal grandios das Pick'n'Roll zelebrierte und beim Rebound-Kampf keinen Zentimeter preisgab. Da waren Janis Strelnieks und Robinson, deren Freiwürfe die Partie am Ende entschieden.

Und dann war da natürlich Wanamaker, der seine erste Saison in Deutschland vollkommen zu Recht mit der Ehrung zum Finals-MVP krönen konnte. Sein Wurf wollte selten fallen, dafür hatte jeder seiner Treffer Signalwirkung. Außerdem dirigierte er das Spiel überragend und gab auch defensiv den Ton an. Wanamaker beendete die Serie mit durchschnittlich 12,4 Punkten, 6 Assists und 5,2 Rebounds.

Starke Zahlen, die seinem Impact jedoch nicht vollends gerecht werden. Niemand ist wichtiger, niemand wird in Freak City lauter bejubelt als der Point Guard aus Philadelphia. Selten hat ein Spieler die Liga in seinem ersten Jahr so im Sturm genommen wie Wanamaker. Sein Twitter-Eintrag nach dem Spiel sagte alles: "I'm a fucking champion!!!"

Das beste deutsche Team

Und doch war er nur einer von vielen Faktoren, die dazu führten, dass Bamberg das Projekt "Übergangsjahr" mit dem größtmöglichen Erfolg, der Meisterschaft, beendete. Ebenso wie Trinchieri, dessen erstes Trainerjahr in Deutschland mit einer Champagner-Dusche endete, und so viele andere.

"Ich habe den Titel nicht erwartet, aber ich habe davon geträumt. Gewinnen ist sehr speziell. Ich kann gute Arbeit leisten und trotzdem verlieren oder ich kann Glück haben und gewinnen. Deshalb bin ich heute sehr glücklich", sagte Trinchieri.

Das Team des Italieners fand sich nach anfänglichen Schwierigkeiten immer besser zurecht und mauserte sich über die Saison nach und nach zum besten Team, noch vor den Bayern und den Euroleague-Helden aus Berlin. Das erkannte auch Heiko Schaffartzik fair an: "Bamberg war über die gesamte Saison besser, sie haben sich die Meisterschaft absolut verdient."

Es lief letzten Endes alles zusammen, selbst eine Midseason-Verpflichtung wie Miller schlug voll ein und wurde zu einem der Helden des größten Triumphs. "Wir hatten eine extrem gute Teamchemie", bestätigte Tadda.

Berechtigter Optimismus

Dauerkartenbesitzerin Daniela war nach dem Spiel nicht mehr auszumachen, irgendwo verschwunden im Party-Zelt namens Brose Arena. Sie hatte allerdings Recht behalten mit ihrem Optimismus, der ihre Bekannten noch verwundert hatte.

Es regnete nach dem Spiel nicht mehr. Einige Wolken waren zwar noch am Himmel, trotzdem kam die Sonne über Bamberg durch und wärmte die glückseligen Bewohner. Und die Baskets waren zum siebten Mal Meister.

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