"NBA-Chance war mehr als realistisch"

Von Max Marbeiter
Bryce Taylor wechselte im Sommer von den Artland Dragons zum FC Bayern München
© getty
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SPOX: Sie sagten einst, Pesic habe ein Vision. Wie würden Sie die beschreiben?

Taylor: Damit meinte ich Mentalität, die er auf beiden Seiten des Courts predigt. Er fordert, dass unsere Defense diktiert, was das andere Team tut. Nicht umgekehrt. Wir wollen ständig Druck ausüben, um es dem Gegner zu erschweren, seine Offense ins Laufen zu bekommen. Vorne wollen wir den Druck auf die Defense hochhalten, indem wir ständig attackieren. Seine Vision ist sehr aggressiv. Wir sollen das Tempo diktieren. Zu jeder Zeit.

SPOX: Kommt Ihnen das entgegen?

Taylor: Ja, das ist perfekt für mich. Ich denke, das war einer der Gründe, weshalb sie mich geholt haben. Sie haben gesehen, dass ich zu Coach Pesic' Stil passe. Natürlich ist es aber ein ständiger Lernprozess für mich.

SPOX: Von sich selbst haben Sie gesagt, so etwas wie der Glue Guy zu sein, der all die kleinen Dinge macht. Wie würden Sie Ihre Rolle beschreiben?

Taylor: Zuerst einmal versuche ich, mit gutem Beispiel voranzugehen. Ich will die Passwege zustellen, durch meine Athletik Offensiv-Rebounds abgreifen und auch am defensiven Brett helfen. Offensiv versuche ich einfach, von allem ein bisschen zu machen. Den Extrapass spielen, punkten, zum Korb ziehen oder den offenen Wurf nehmen. Das ist meine Rolle. Ich muss nicht in jedem Spiel 20 Punkte machen. Wenn ich am Ende 8 Punkte und gleichzeitig 4 Rebounds, 4 Steals und 2 Assists habe, habe ich einen Einfluss auf alle Facetten des Spiels gehabt und kann meinem Team so auf mehr als nur eine Art helfen.

SPOX: Ein Bereich, in dem Sie Ihrem Team definitiv helfen, gerade in der Euroleague, ist das Shooting. Sie sind unter den Top-5-Dreierschützen. Trainieren Sie Ihren Dreier auf eine spezielle Art und Weise?

Taylor: Wir arbeiten grundsätzlich jeden Tag daran, aber ich versuche auch, individuell etwas zu tun. Manchmal komme ich morgens rein, nehme ein paar Extrawürfe, um im Rhythmus zu bleiben. Größtenteils geht es aber um die Wurfauswahl. Den Wurf zu erzwingen, bringt nichts. Ich warte, bis ich offen bin, einen guten Wurf habe, um dann mit Selbstvertrauen abzudrücken. Malcolm Delaney und unsere Point Guards setzen mich aber auch immer wieder gut ein.

SPOX: Sie ziehen den Dreier aus dem Stand also dem Pull-up-Dreier vor.

Taylor: Genau. In unserem System warte ich meistens auf der Weakside auf Catch-and-Shoot-Chancen. Ich nehme nicht zu viele Dreier aus der Bewegung, da das nicht wirklich zu unserer Offense passt.

SPOX: Ihr Vater war ebenfalls Profi, spielte in der ABA und NBA. Inwieweit hat er Ihr Spiel beeinflusst?

Taylor: Im Grunde in jeder Hinsicht. Er hat mir die Grundlagen beigebracht, mir schon in jungen Jahren immer wieder Videos gezeigt. Zudem hat er mir bei den mentalen, taktischen und technischen Aspekten des Spiels sehr geholfen. Als Junge hatte ich da natürlich einen großen Vorteil, da ich von jemandem lernen durfte, der im Basketball alles durchgemacht hat, auch auf allerhöchstem Level.

SPOX: Bei den New York Nets hat er sogar mit Julius Erving zusammengespielt. Gab es da auch die eine oder andere Geschichte?

Taylor: Oh ja. Er hat einiges zu erzählen. Immer, wenn ich im Sommer nach Hause komme, reden wir über Basketball. Natürlich auch über Dr. J., was er für ein großartiger Spieler und Teamkollege war. Allerdings hatte er wegen der ganzen Dunks große Probleme mit den Knien, musste immer diese dicken Kniebandagen tragen, da die Schuhe noch keine Dämpfung hatten.

SPOX: Hatten Sie denn selbst den Plan, irgendwann in der NBA zu spielen?

Taylor: Klar, jeder junge Amerikaner hofft auf die NBA. Ich habe auch den ganzen Draft-Prozess mitgemacht, war bei verschiedenen Teams zum individuellen Workout. Die Chance war also mehr als realistisch. Am Draft-Abend wurde mein Name dann allerdings nicht aufgerufen. Da musste ich eine Entscheidung treffen: Soll ich einen nicht garantierten Vertrag unterschreiben, um es vielleicht irgendwie zu schaffen, oder soll ich nach Italien gehen, Geld verdienen und reisen? Ich habe es dann zwar einige Jahre in der Summerleague versucht, dort ist es für mich aber nicht allzu gut gelaufen. Da habe ich mir dann einfach gesagt: "Konzentriere dich auf Europa. Konzentriere dich darauf, in einem Land zu bleiben und dir dort einen guten Ruf zu erarbeiten." So habe ich in Deutschland meine zweite Heimat gefunden.

SPOX: Wie hart muss man sich den Weg durch die Summerleague denn vorstellen?

Taylor: Sehr hart. So viele Jungs kämpfen um so wenige Plätze. Da heißt es: jeder gegen jeden. Einige Jungs wollen nicht einmal mit dir sprechen, weil man eventuell um denselben Platz kämpfen könnte. Das ist die brutale Seite des Profisports. Es ist etwas, dem du dich vollständig verpflichten musst. Sonst klappt es nicht.

SPOX: Nick Young hat es geschafft, spielt inzwischen sogar bei den Lakers. Sie sind gut mit ihm befreundet. Wie ist er denn privat? Schließlich liest man einige witzige Dinge über ihn.

Taylor: Er ist einer meiner besten Freunde, einfach ein lustiger Kerl. Wir kennen uns, seit wir 16 sind. Manchmal ist er wie ein großes Kind. Er möchte einfach eine gute Zeit haben und liebt Basketball. Als Person ist er einfach großzügig, aufrichtig und lustig.

SPOX: Arbeiten Sie denn auch gemeinsam an Ihrem Spiel?

Taylor: Klar, im Sommer sind wir in allen möglichen Gyms in Los Angeles zu finden. Dort zieht er dann immer alle Blicke auf sich. Er redet viel, zelebriert den Trash-Talk und feiert seine Treffer. Er hat einfach Spaß am Spiel und weiß, welch einmalige Chance er gerade hat.

Seite 1: Taylor über die erste Euroleague Saison und den Einfluss der Fans

Seite 2: Taylor über die Summerleague, die Wurfauswahl und Kumpel Nick Young

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