"Als ob Messi zu Real Madrid wechselt"

Von Interview: Haruka Gruber
Bambergs Wolfgang Heyder (l.) und Bayern-Boss Uli Hoeneß (r.) waren nicht immer einer Meinung
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SPOX: Zumindest profitiert die gesamte BBL vom Bayern-Einstieg. Wie sehen Sie die Lage? Ist das Ziel, bis 2020 die beste europäische Liga zu stellen, realistisch?

Heyder: Das Zwischenfazit ist positiv: An vielen Standorten funktioniert Basketball sehr gut und es kommen immer mehr Standorte hinzu. Das Thema Basketball läuft und die Bayern sind eine Lokomotive. Aber auch außerhalb Münchens entstanden schöne Arenen, die mithalfen, die besten Zuschauerzahlen aller Zeiten zu erreichen. Damit sind wir ein großes Stück weiter. Das nächste wichtige Ziel muss lauten, die TV-Kommunikation auf allen Ebenen erheblich nach oben zu treiben.

SPOX: Eine Möglichkeit, Bamberg neu zu positionieren, liegt darin, dass die Baskets als Klub für die gesamte Metropolregion Nürnberg aufgebaut wird. Inklusive eines Umzugs. Ist das denkbar?

Heyder: Gute, schwierige Frage. Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Da ist auf der einen Seite Freak City mit den Fans, der unglaublichen Community und einer in Europa einmaligen Identität. Auf der anderen Seite sehe ich die Begrenztheit. Daher wäre Nürnberg vor allem für die Euroleague ein Thema. Diese Saison bleiben wir komplett in Bamberg. In naher Zukunft wird es von der Euroleague strengere Standards geben und uns bleibt womöglich nichts anderes übrig als umzuziehen. Wenn es soweit ist, werde ich mit all meiner Energie und Kraft versuchen, die Leute in Bamberg auf die Reise mitzunehmen.

SPOX: Sie sprechen von Energie und Kraft. Wie viele Arbeitsstunden reißen Sie pro Woche ab?

Heyder: Häufig über 100. Im Prinzip habe ich keine Wochenenden und freien Tage.

SPOX: Wie verkraftet man ein solches Pensum?

Heyder: Nur wenn man Glück hat und der Job der Traumberuf ist. Hohe Belastung macht mir nichts aus.

SPOX: Wie sieht ein Arbeitstag aus?

Heyder: In der Regel bin ich um 4.30 Uhr im Büro. Die ersten Termine lege ich mir ab 7.30 Uhr. Die Zeit davor ist mir sehr wichtig, weil nur da Ruhe herrscht und ich alles vorbereiten und Mails beantworten kann. Das verschafft mir Luft für den Tag, so dass ich den Themen nicht hinterherlaufe. Das ist mir viel lieber, als zwei Stunden länger zu schlafen.

SPOX: Wie sehr Sie vor Energie strotzen, war in der Playoff-Serie gegen die Bayern ersichtlich. Sie wurden von den TV-Kameras gefilmt, wie Sie wild mit den Armen fuchtelnd, fast wie in Trance die Spiele verfolgten. Was war los?

Heyder: Mittlerweile habe ich mich gut im Griff, in dem Fall konnte ich dennoch nicht anders, als den Flow nach außen zu geben. Die Bewegung kam daher, weil ich im Kopf Karsten Taddas Verteidigung gegen Tyrese Rice mitgespielt habe. Ich sprach mit Karsten vorher darüber, dass er in der Defense die Arme oben haben soll. Dass ich das selbst mitmachte, bekam ich gar nicht mit. Ich bin ausnahmsweise wieder in die alte Trainerrolle zurückgefallen. Chris Fleming sagte nur süffisant: "Kann es sein, dass du ein bisschen angespannt warst?"

SPOX: Sie waren selbst lange Jahre Coach in der 2. Liga und im Elite-Nachwuchsbereich. 2002 gewannen Sie den Preis als Deutschlands Jugendtrainer des Jahres. Verspürten Sie nie das Verlangen, selbst Bamberg zu trainieren? Oder Fleming Ratschläge zu geben?

Heyder: Nein, niemals. Chris Fleming und ich diskutieren natürlich über Tagesaktuelles. Ich habe allerdings das große Glück, dass ich nie den inneren Antrieb verspürt habe, mich einzumischen.

SPOX: Dennoch bleibt die Kritik an der Klubstruktur von Bamberg, wonach der Klub von Ihnen abhängig sei und sich die gesamte Macht bei Ihnen bündelt.

Heyder: Das Wort Macht ist falsch, ich bin ein absoluter Teamplayer. Im sportlichen Bereich werde ich niemals einen Spieler verpflichten, den Chris Fleming nicht möchte. Niemals! Dazu gibt es mit dem Aufsichtsrat oder dem intensiv begleitenden Hauptsponsor Brose Instanzen, die natürlich über Einfluss verfügen. Ich will keine Macht. Ich will Ideen und Konzepte einbringen und mit harter Arbeit das jetzige Niveau halten.

SPOX: Es stimmt, dass Sie das Angebot der Bayern im Winter 2010 ablehnten, weil Sie befürchteten, eben nicht diese Ideen und Konzepte verwirklichen zu können?

Heyder: Ein Grund war, dass sich dank Brose neue Perspektiven in Bamberg ergaben. Ein anderer Grund war, dass die Bayern mir die Kompetenzen nicht so klar darstellen konnten, wie ich es mir erwünscht hätte.

SPOX: Sie sind der Inbegriff der Geradlinigkeit. Entsprechend überraschend liest sich Ihre Vita, die von einer gewissen Orientierungslosigkeit zeugt. Sie studierten Theologie, dann Lehramt mit Geografie und Deutsch, betrieben eine Konzertagentur, bevor Sie hauptberuflich im Basketball landeten. Gab es früher den selbstzweifelnden Heyder?

Heyder: Nach dem Abitur habe ich mir in der Selbstfindungsphase eingebildet, dass ich Theologie studieren müsste. Die zwei Jahre schadeten mir dennoch nicht. Genauso wenig das Lehramtstudium und die Konzertagentur. In der Agentur lernte ich zu organisieren und zu wirtschaften. Parallel arbeitete ich mit großem Enthusiasmus im Basketball, nur ich konnte davon nicht leben, weil es damals keine vollbeschäftigten Jugendtrainer gab. Irgendwann bekam ich zwar Angebote aus der Bundesliga und von zwei Verbänden, ich lehnte jeweils ab.

SPOX: Warum wagten Sie nicht den Sprung zum Bundesliga-Trainer?

Heyder: Ich hatte ein bisschen Angst und kein Vertrauen in meine Fähigkeiten als Trainer.

SPOX: Waren Sie kein guter Trainer?

Heyder: Sagen wir es so: Ich benötigte eine Zeit, mich als Trainer zu entwickeln - doch die Entwicklung kam zu spät. Ich brachte mir Spielzüge und Trainingsmethodiken weitestgehend selbst bei. Die Schwächen lagen vielmehr in der Menschenführung. Ich war zu streng. Als ich ein besseres Gleichgewicht fand, war ich schon zu alt, als ob ich noch mal hätte losmarschieren können in die Bundesliga.

SPOX: Es bleibt zumindest die Erinnerung daran, Dirk Nowitzki trainiert zu haben.

Heyder: Ich hatte als bayrischer Landestrainer den 78er Jahrgang mit Dirk und Sven Schultze, als sie 14 und 15 waren. Je 40 Lehrgangstage, bevor es zu den deutschen Meisterschaften ging, erst nach Heidelberg, dann nach Duisburg. Wir hatten eine riesen Truppe: Marcus Kirster, ein super Talent, der die Karriere leider nicht durchzog, dazu Roman Gese, Dirk und Sven. Damals war es extrem ungewöhnlich, dass große Spieler werfen konnten. Daher ließen wir immer Dirk oder Sven draußen stehen und den anderen postierten wir unter dem Korb. Wir gewannen beide Titel.

SPOX: Bei all der Basketball-Vergangenheit bleibt eine Seite fast verborgen. Ihre zweite Leidenschaft, das Kabarett. Stimmt es, dass Sie davon träumen, eine eigene Kabarett-Kneipe zu eröffnen?

Heyder: Das wird ein Thema. Ich fing schon im Studium damit an, Kabarettisten über meine Konzertagentur zu betreuen. So lernte ich viele aus der Szene kennen, Dieter Hildebrand, Werner Schneyder, Gerhard Polt, ebenso die Jüngeren wie Willy Astor, Django Asül und Dr. Eckhart von Hirschhausen. Es würde mich reizen, einen eigenen Laden zu besitzen und dem Kabarett eine weitere Heimat zu geben. Aber wenn ich das angehe, dann nur nach dem Motto "Ganz oder gar nicht". So, wie jetzt mit dem Basketball.

Der BBL-Spielplan im Überblick