"Warum friere ich mir einen ab?"

Von Interview: Haruka Gruber
Heiko Schaffartzik in zivil beim Heimspiel der Eisbären Berlin in der O2 World
© Imago

Fan-Liebling, Alba-Berlin-Star und der coolste Hund in Basketball-Deutschland: Point Guard Heiko Schaffartzik (27) ist das Gesicht der BBL. Dabei wäre er fast beim Fußball gelandet...

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SPOX: Vor dem Bamberg-Spiel sorgten Sie mit folgendem Satz in einem Promovideo für Aufsehen: "Ich will Bamberg schlagen, weil ich sie nicht mag." Setzen Sie sich gerne mit unnötigen Provokationen unter Druck?

Heiko Schaffartzik: Das sehen vielleicht andere so, ich hingegen sehe keinen Zusammenhang zwischen einer Antwort und irgendeinem Druck, den ich verspüren soll. Ich fand nicht, dass ich große Töne gespuckt hätte. Ich wurde gefragt, und ich gab eine normale, ehrliche Antwort. Es ist ja nicht so, dass ich mich hinstelle und sage: 'Hallo, ich bin Heiko Schaffartzik und ich mache euch alle platt!' So etwas habe ich noch nie gesagt und werde es auch nie sagen.

SPOX: Wie finden Sie denn den FC Bayern?

Schaffartzik: Ob ich das Projekt begrüße oder nicht, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, dass die Bayern gut für die Liga sind.

SPOX: Vor der Saison galt Berlin hinter Bamberg und Bayern nur als dritte Kraft, mittlerweile ist Alba nach zwei Siegen gegen beide jedoch "das heißeste Team der Liga", wie FCB-Trainer Dirk Bauermann sagt. Wie gut ist Ihr Team?

Schaffartzik: Im Vergleich zum Saisonstart haben wir uns bereits stark verbessert, aber nach oben fehlt noch einiges. Der Weg ist noch relativ weit und wir sind erst einen kleinen Schritt gegangen. Zumindest gibt es ein gutes Gefühl, dass wir Bamberg zuhause geschlagen und in München dieser feindlichen Atmosphäre widerstanden haben. Dennoch: Vor allem im Zusammenspiel müssen wir uns steigern.

SPOX: Gilt das auch für Sie und Point-Guard-Partner DaShaun Wood?

Schaffartzik: Ja, auch für mich und Wood. Es ist wichtig, dass wir uns erst besser kennenlernen, DaShaun ist als Mensch ja auch eher zurückgezogen. Bei den Bayern jedoch hat es gut geklappt - wobei es für mich einfach war. Ich musste nichts weiter tun, als ihm den Ball so zu passen, dass er mit einer Einzelaktion zum Scoren kommt.

SPOX: Die BBL-Saison ist die Fortsetzung der EM, bei der die Point Guards das Spiel dominierten. Sehen Sie ebenfalls den Trend?

Schaffartzik: Auf jeden Fall. DaShaun Wood, Artlands David Holston und mit Abstrichen Bobby Brown von Oldenburg, sie ziehen ihr Ding durch. Bo McCalebb macht in der Euroleague einfach da weiter, wo er bei der EM für Mazedonien aufgehört hat. T.J. Ford wechselt nach Zagreb und legt zwei Tage nach seiner Ankunft gegen Bamberg in 13 Minuten 10 Assists auf. Das alles sind Belege für den Trend.

SPOX: Welche Konsequenzen hat dies für Sie?

Schaffartzik: Keine. Ich spiele einfach so, wie ich schon immer spiele. Die anderen Point Guards gehen mit einer festen Rolle in die Saison und wollen diese in jeder Partie bekleiden, ich hingegen mochte es schon immer mehr, von Tag zu Tag zu schauen. Manchmal denke ich, dass ich gar nicht zu werfen brauche, manchmal ist genau das Gegenteil der Fall. Ich mache mir nicht so grundsätzliche Gedanken. Zumal ich mich nicht mit den genannten Point Guards vergleichen kann. Sie sind alle sehr athletisch, sehr schnell, sehr sprunggewaltig. Ich zähle dazu... äh... nicht.

SPOX: Sie bringen andere Qualitäten wie Ihren Wurf und Ihre Nervenstärke ein - und spielen die statistisch beste Saison der Karriere.

Schaffartzik: Statistiken sind mir völlig egal, ich habe mir von den letzten Spielen nicht einmal die Boxscores angeschaut. Ich identifiziere mich null mit dieser Art der Denke. Ob es die beste Saison meiner Karriere wird, kann ich erst sagen, wenn wir mit der Mannschaft etwas erreicht haben. Wenn ich 18 Punkte im Schnitt mache, aber Alba in der ersten Runde ausscheiden würde, hätte die Saison keinen Wert.

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SPOX: Auch wenn Sie den Teamgedanken hervorheben: Sie selbst sind mittlerweile der vielleicht größte Fan-Liebling der BBL - im Gegensatz zu Bayerns Steffen Hamann. Wie gehen Sie damit um, dass Sie und Ihr Nationalmannschaftskollege so unterschiedlich aufgenommen werden?

Schaffartzik: Ich habe ganz ehrlich noch nicht mitbekommen, dass ich ein Liebling sein soll. Dass sich die Geister an Steffen scheiden, registriere ich auch nur am Rande - und ich verstehe die Kritik nicht. Sein fehlender Wurf ist kein Geheimnis und er hielt ihn auch nicht davon ab, mit Bamberg zweimal Meister zu werden. Warum ist das ein Kritikpunkt? Steffen spielt mit Drang zum Korb, penetriert, setzt seine Mitspieler aus dem Pick'n'Roll ein. Das weiß man doch mittlerweile. Daher ist es nicht nachvollziehbar, dass man sich über ihn aufregt.

SPOX: In der DBB-Auswahl sind Sie Hamanns Backup und dennoch so etwas wie das neue Gesicht des deutschen Basketballs. Was nahmen Sie von der EM mit?

Schaffartzik: Die EM war eine Enttäuschung, aber mit etwas zeitlichem Abstand habe ich gemerkt, dass mich das Turnier vorangebracht hat. Ich stand erstmals in der Verantwortung als Anführer.

SPOX: Was haben Sie über sich entdeckt? Was für ein Anführer-Typ sind Sie?

Schaffartzik: Ach, ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht. Ich mache es einfach, wie ich mich fühle, und lasse das instinktiv laufen. Wie es herauskommt, kommt es heraus.

SPOX: Anders gefragt: Sind Sie abgeleitet aus dem Fußball eher jemand, der die autoritäre Rhetorik eines Oliver Kahn und Stefan Effenberg begrüßt? Oder ist doch eine flache Hierarchie zeitgemäßer?

Schaffartzik: Ich glaube, dass sich Kahn und Effenberg in der Führungsspieler-Debatte angegriffen fühlten, weil eine neue Generation ankam und plötzlich sagt: 'Stopp, solche Typen wie euch brauchen wir nicht mehr!' Daher waren Ihre Aussagen menschlich verständlich. Dass dennoch Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm für die aktuelle DFB-Mannschaft einen anderen Ansatz bevorzugen, verstehe ich vollkommen.

Hier geht's zu Teil II: Schaffartzik über Geschwindners Macken und seine Fußball-Vergangenheit

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