Das Bayern-Fundament

Von Haruka Gruber
Die von Stix betreute Nachwuchs-Bundesliga-Mannschaft des FC Bayern beim Training
© spox

Präsident Uli Hoeneß will seine Bayern nicht nur in der BBL-Spitze sehen. Auch im Nachwuchs soll der FCB zur Referenz werden und die eigenen Stars entwickeln. Vorbild dafür sind die Fußballer mit Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm. Verantwortlich für das Gelingen wird Volker Stix sein. Der "Urs Siegenthaler des Basketballs" soll die Jugendarbeit auf ein neues Level hieven. Bei SPOX erklärt er seine Strategie.

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Wenn Volker Stix über das Bayern von morgen nachdenkt, umgibt ihn die farblose Leere. Der Audi-Dome mag für fünf Millionen Euro grundsaniert worden sein, die Büroräume der Basketball-Abteilung jedoch wurden nur behelfsmäßig in Stand gebracht.

Die Backsteinmauern sind nicht verputzt und nur weiß übermalt, die Einrichtung ist zweckdienlich und das Tageslicht muss sich durch eine schmale Fensterfront zwängen, um ins Innere zu gelangen. Wer auch immer glaubt, dass die Bayern mit unredlichen Subventionen das rechte Maß verloren hätten, sieht sich mit einem Blick in die Geschäftsstelle getäuscht.

Die Genügsamkeit dürfte Stix recht sein - immerhin gehört es zu seinen Hauptanliegen, Vorurteile abzubauen und in einen Dialog zu treten mit dem lokalen Basketball-Kreis. Dass der FC Bayern trotz der langen Tradition in dieser Sportart (siehe Infokasten) ein großspuriger Retorten-Klub wäre, hört man nicht nur von einer beträchtlichen Anzahl an BBL-Fans, sondern eben auch von einigen Vereinen aus München und Umgebung.

Sie fürchten sich vor einem Verdrängungswettbewerb um Talente, der nur einen Gewinner haben kann: den FC Bayern.

Hoeneß hat große Erwartungen

"Ich glaube, ich habe zwei, drei Freunde weniger als andere Menschen", sagt Stix und spricht von seinen 60 bis 70 Arbeitsstunden in der Woche und den enormen Ansprüchen, denen er beim FC Bayern genügen will.

Es ist ein Satz, bei dem Melancholie mitschwingen könnte. Eine gewisse Betrübtheit ob der Anforderungen im Berufsleben. All das sei jedoch kein Grund zur Klage: "Ich habe bewusst die Herausforderung gesucht."

Im Sommer 2011 ließ Stix seine Heimat zurück. Zeit seines Lebens war er ein Teil Bambergs gewesen. Dort wurde er geboren, dort wuchs er auf, und dort erkannte er seine Grenzen als Basketballer ("schlechtes Regionalliga-Niveau") und seine Begabung als Macher. Seine Mentoren waren die Besten: Manager Wolfgang Heyder und Trainer Dirk Bauermann, dem er acht Jahre in Bamberg und fünf Jahre bei der Nationalmannschaft assistierte.

Mit zwölfmonatiger Verspätung folgte Stix seinem ehemaligen Vorgesetzten nach München und verantwortet nun seinen eigenen Aufgabenbereich, dem Bayern-Präsident Uli Hoeneß eine nicht minder große Bedeutung zumisst als Bauermanns BBL-Mannschaft.

Stix verantwortet Nachwuchs-Programm

Als Organisatorischer Leiter der Nachwuchsabteilung obliegt es Stix, gemeinsam mit Jugend-Cheftrainer Berthold Bisselik die Bayern-Stars der Zukunft zu entdecken und auszubilden.

"Ich lege Wert darauf, dass wir irgendwann eigene Spieler rekrutieren. Das hat sich in der Fußball-Abteilung gut gemacht: mit Schweinsteiger, Lahm, Müller, Badstuber, Kraft, Hargreaves, Kuffour, da gibt es viele Beispiele. Und so wollen wir das auch im Basketball machen", sagt Hoeneß im Fach-Magazin "BIG".

Hoeneß' Ankündigung: "Wir werden viel Geld für professionelle Strukturen in der Nachwuchsförderung ausgeben." Ein großzügiges Angebot, das aber auch als Verpflichtung verstanden werden sollte.

"Jeder im Basketball profitiert von den Bayern"

Alleine in diesem Jahr verzeichnete Stix 60 Neuanmeldungen von Jugendspielern, außerdem intensivierte er die Zusammenarbeit mit den Münchner Schulen, so dass die Zahl der Basketball-AGs von 17 auf 33 anstieg. Mittlerweile werden 700 Schüler von 17 Übungsleitern trainiert, die auf Honorarbasis von den Bayern bezahlt werden.

"Mir wurde zugetragen, dass wir in gewissen Kreisen einen Ruf als Ausbeuter haben und für die anderen Münchner Vereine kein Platz bleiben würde", sagt Stix. Dabei wolle er gar nicht gegen, sondern miteinander arbeiten.

"Irgendwann wird auch der Letzte verstehen, dass jeder im Basketball von den Bayern profitieren wird. Durch unser Engagement wird der Basketball in der Masse viel bekannter, so dass mehr Kinder Gefallen daran finden und sich einen Verein suchen. Bei einigen Köpfen werden wir die Einsicht nicht von heute auf morgen schaffen. In Bamberg hat es auch elf, zwölf Jahre gebraucht, bis der Prozess abgeschlossen war."

Organisations- und Trainertalent

Eine Drehbewegung auf seinem Schreibtischstuhl genügt, um dem Stress kurz zu entfliehen. Im kargen Büro befindet sich nur wenig Persönliches. An der Zimmertür klebt ein Poster von den Olympischen Spielen 2008 in Peking, an denen Stix als Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft teilnahm. Und direkt hinter seinem Tisch hängen zwei Bilder, die ihn im Moment seiner größten Erfolge mit Bamberg zeigen. Auf einem steht die Widmung: "Freude ist gespürtes Leben."

Stix sagt: "Ich schaue mir die Bilder sehr gerne an. Ich wurde in Bamberg zu dem, der ich bin." Der spätere Brose-Baskets-Manager Wolfgang Heyder trainierte ihn in der Jugend und sah in dem basketballerisch bedingt talentierten Teenager etwas, das sich irgendwann zu hegen lohnte.

1999, Stix war Mitte 20, bekam er von Heyder die Möglichkeit, ihm anfangs als einziger Mitarbeiter in der Geschäftsstelle zur Seite zu stehen und sich parallel als Nachwuchstrainer zu bewähren. Beides gelang ihm vorzüglich.

Halbtags kümmerte er sich um die Pressearbeit, das Ticketing und den Spielbetrieb, den Rest widmete er dem Coaching. "Ich kenne die Manager-Welt genauso gut wie die Trainer-Welt. Das kommt mir jetzt bei den Bayern zugute", sagt Stix, dessen vorzüglicher Leumund neben seinem Fleiß auf zwei Dingen beruht: seinem Gespür für junge Spieler und seinem umfassenden Wissen über Basketball.

Der Urs Siegenthaler des Basketballs

Wegen seiner Expertisen zu Taktik und Videoanalysen war er für Bauermann genauso wichtig wie Urs Siegenthaler für Fußball-Bundestrainer Jogi Löw. "Volker ist extrem professionell, immer bestens vorbereitet und loyal bis zur Selbstaufgabe", sagt Bauermann. Entsprechend wurde Stix in Bamberg befördert: zuletzt 2010 zum Sportkoordinator und Cheftrainer des Farmteams Breitengüßbach.

Dass er bei aller Wertschätzung ein Jahr später nach München zog, liegt vor allem in seiner Biografie begründet. Von einem Highschool-Jahr in South Carolina abgesehen verbrachte der 37-Jährige sein gesamtes Leben in Bamberg. Nun versucht er sich am Neuanfang: "Ich möchte jetzt etwas Eigenes entwickeln und daran wachsen."

Bayern in NBBL und JBBL vertreten

"Nein! Ihr müsst stabiler stehen! Sonst werdet ihr immer rumgeschubst", hallt es durch den Audi-Dome. Stix hat sich umgezogen, statt Jeans trägt er eine Jogginghose. Von ihm und den Spielern der NBBL-Mannschaft abgesehen ist die 6700 Zuschauer fassende Arena verwaist - und gefüllt wird sie nur durch Stix' Stimme. Sie ist nicht übertrieben autoritär, aber doch bestimmt.

Ähnlich wie in der letzten Saison in Bamberg ist er nicht nur als Leiter der Nachwuchsabteilung gefragt, sondern auch als Cheftrainer des wichtigsten Jugendteams. Bei den Brose Baskets war es das Farmteam Breitengüßbach, in München betreut er die besten Spieler unter 19 Jahren, die in Deutschlands höchster Klasse, der NBBL (Nachwuchs-Basketball-Bundesliga), um den Playoff-Einzug kämpfen. Kollege Bisselik ist für die besten Spieler unter 16 Jahren in der JBBL (Jugend-Basketball-Bundesliga) zuständig.

Aufgebaut ist der Bayern-Nachwuchs in einer Pyramiden-Form. Die Basis bilden die Schul-AGs, dann kommen die drei eigenen U-10- und U-12-Mannschaften sowie die weniger auf Leistung getrimmten älteren Jahrgänge, bis es sich nach oben hin zuspitzt. Von insgesamt 16 Jugendteams werden drei als Elite kategorisiert: die JBBL-, NBBL- sowie die zweite Herren-Mannschaft - wobei Letztere am weitesten dem ambitionierten Plan hinterherhängt.

Zweite Mannschaft macht Sorgen

Bayern II findet sich in dieser Saison nur in der fünftklassigen Regionalliga Südost wieder, weswegen es für jemanden wie Bogdan Radosavljevic, eine der größten Center-Hoffnungen Europas, nur wenig Sinn macht, sich in der zweiten Vertretung jene Einsatzminuten zu holen, die ihm in der BBL abgehen.

Von daher ist der Aufstieg in die viertklassige Regionalliga Süd zwingend erforderlich, mit einer Wild Card wäre sogar ein doppelter Aufstieg in die drittklassige ProB denkbar. Mittelfristig könnte auch die zweitklassige ProA eine Option sein, "denn dann haben wir ein echtes Farmteam, in der sich die Jungs auf höchstem Niveau für die BBL anbieten können", sagt Stix.

Stix: "Uns fehlt die Breite"

Bis dahin aber müssen die Strukturen weiter verbessert werden. Die To-Do-Liste ist so lang wie herausfordernd: Sie fängt damit an, dass Gasteltern gefunden oder betreute Wohngemeinschaften gegründet werden müssen, damit zukünftig überregionale Talente verpflichtet werden können. Sie setzt sich fort mit der Einstellung hauptamtlicher Trainer - und einer grundsätzlichen Qualitätssteigerung des gesamten Programms.

Zur U 14 und U 15 des DBB gehören insgesamt fünf Bayern-Spieler, danach klafft eine Lücke bis zum 18-jährigen Radosavljevic und dem 17-jährigen Alassane Dioubate, der zuletzt in die U 18 nachnominiert wurde. "Den Bruch nach oben können wir nicht wegdiskutieren. Uns fehlt die Breite", sagt Stix.

Das Bestreben der Bayern sei es, dass sie in der NBBL und JBBL beständig zu den vier besten Vereinen gehören und die zweite Mannschaft in der zweitklassigen ProA oder drittklassigen ProB spielt.

"Das alles ist aber für mich nur ein willkommenes Nebenprodukt auf unserem Weg", sagt Stix. "Ich habe ein großes Ziel vor meinen Augen. In ein paar Jahren möchte ich sagen: 'Herr Hoeneß, diese zwei Spieler aus unserer Jugend haben es in die BBL geschafft.'"

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