Bauermann: "Ich heule mit den Wölfen"

Von Interview: Haruka Gruber
Dirk Bauermann im Zeitraffer: Vom Man in Black zum graumelierten Mr. Basketball
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SPOX: Der Weg von einem unbekannten Regionalliga-Point-Guard zum Bundestrainer und Coach des FC Bayern dauerte über 25 Jahre. Wann kam die Einsicht, dass Sie als Trainer begabter sind?

Bauermann: Ich habe als Basketballer recht früh gemerkt, dass ich das Talent, den Willen und den Ehrgeiz mitbringe - das alles ist jedoch nichts wert, wenn der Körper die Belastungen nicht aushält. Ich hatte alle möglichen Verletzungen, angefangen vom zwickenden Rücken, entzündeten Achillessehnen bis hinzu ständig zumachenden Muskeln. Mit 25, 26 habe ich mich noch einmal motiviert und habe am US-College Fresno State im Rahmen meines Lehramtsstudiums ein Stipendium erhalten, aber beim Uni-Team durfte ich nur mittrainieren. Und als die Rückenschmerzen so schlimm wurden und ich ein Lobsterpack verpasst bekam, war mir klar, dass ich andere Prioritäten setzen muss.

SPOX: Was ist ein Lobsterpack?

Bauermann: Zunächst wird eine extrem heiß machende Salbe auf den Rücken geschmiert, bevor man in heiße Heilerde eingegraben wird. Diese Hitze fühlte sich so unfassbar schmerzhaft an, dass ich mich heute noch lebhaft  daran erinnere. Mein Rücken war später so rot wie ein Lobster, ein Hummer. Nachdem nicht mal das geholfen hat, fasste ich den Entschluss, mich als Trainer zu versuchen.

SPOX: Sie machten daraufhin schnell Karriere, zunächst als Nachwuchscoach, später mit 32 Jahren als Cheftrainer von Bayer Leverkusen. Was war der Schlüssel?

Bauermann: Meine beiden Jahre in Fresno State, erst als Spieler, später als Co-Trainer. Ohne die Erfahrungen am College, den Englischkenntnissen und dem Wissen um die Mentalität der amerikanischen Spieler hätte ich, der nie in der Bundesliga, geschweige denn Nationalmannschaft gespielt hat, mir in Leverkusen niemals den nötigen Respekt im Profiteam verschaffen können.

SPOX: Sie wurden mit Leverkusen sieben Mal in Folge deutscher Meister und trainierten die deutsche Nationalmannschaft auf Interimsbasis, bevor Sie 1998 nach zehn Jahren Bayer verließen. Daraufhin folgte der größte Bruch in Ihrer Karriere.

Bauermann: Nach der Trennung von Leverkusen stand ich plötzlich in vier Jahren bei vier Klubs in drei Ländern unter Vertrag und es kam eine Unruhe in mein Leben, die ich vorher nicht kannte.

SPOX: Nachdem Sie mit dem belgischen Klub Oostende immerhin das Korac-Cup-Halbfinale erreicht hatten, gingen Sie nach Griechenland zum Zweitligisten Apollon Patras und wurden dort Opfer einer Intrige, wie es damals hieß. Was genau ist passiert?

Bauermann: Leider entsprechen meine Erfahrungen voll dem Klischee. Genau die gleichen Mauscheleien und Manipulationen, die zuletzt zum Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft führten, habe ich bereits einige Jahre zuvor erleben müssen. Zum Präsidenten pflegte ich an sich ein gutes Verhältnis, problematisch wurde es nur, als er die Mannschaft im Saisonendspurt besser schützen wollte, wie es in Griechenland heißt. Das hieß im Klartext: Schiedsrichter beeinflussen. Im Zuge dessen wurde der Manager, der mich verpflichtet hatte, vom Präsidenten weggelobt und durch den ehemaligen Vorsitzenden der griechischen Schiedsrichter-Union ersetzt, der lieber einen heimischen Trainer auf der Bank sehen wollte. Das Resultat war eine fristlose Kündigung, obwohl wir auf Platz zwei lagen.

SPOX: Nach einem erfolglosen Zwischenstopp in Hagen wechselten Sie weiter zu Dafni Athen, wo es noch wilder zuging als in Patras. Sie waren nur für vier Spiele verantwortlich.

Bauermann: Der Präsident war schlichtweg ein unehrlicher Mann ohne Niveau, der getrickst und gelogen und die Gehälter nicht überwiesen hat. Wir hatten den besten Saisonstart der Klubgeschichte, aber weil der Präsident Angst bekam, dass er die zuvor versprochenen Prämien nicht an die Spieler auszahlen könnte, hat er mich rausgeschmissen, Die ganze Situation war abstrus und hat wehgetan. Andererseits habe ich so gelernt, besser mit Rückschlägen umzugehen. Ohne all die Erlebnisse wäre ich wohl in Bamberg und mit der Nationalmannschaft nicht so erfolgreich gewesen.

SPOX: Sie sind neben Dirk Nowitzki das Gesicht des deutschen Basketballs. Bekamen Sie nie die Gelegenheit, für einen europäischen Spitzenklub zu arbeiten?

Bauermann: Natürlich wäre ich interessiert gewesen. In den letzten drei, vier Jahren haben mich unter anderem Real Madrid, Benetton Treviso, Panionios Athen und Valencia BC kontaktiert, leider habe ich aber immer die gleiche Erfahrung machen müssen. Ich war unter den letzten drei Kandidaten, am Ende bekamen jedoch andere den Vorzug. Offenbar herrscht gegenüber Deutschen eine Grundskepsis, egal was man als Nationaltrainer erreicht hat, weil die BBL-Mannschaften international keine Rolle spielen.

SPOX: Kam es für Sie irgendwann in Betracht, mit Ihrer College-Erfahrung womöglich als Assistant Coach in die NBA zu gehen?

Bauermann: Ich habe nie ernsthaft darüber nachgedacht, dafür bin ich viel zu gerne Head Coach. Das Leben als Co-Trainer wäre nicht meine Welt, selbst in der NBA, wo zahlreiche ehemalige Stars oder Head Coaches als Assistenten arbeiten. Für mich würde es wenn überhaupt nur als Auslandssemester in Frage kommen, um vielleicht für ein Jahr das tägliche Arbeiten mit einem NBA-Team zu beobachten und neue Impulse zu bekommen.

SPOX: Der ehemalige Hertener Erik Spoelstra suchte wiederum in der NBA sein Glück, begann vor 15 Jahren als Video-Analytiker der Miami Heat - und ist nun der Head Coach von LeBron James, Dwyane Wade und Chris Bosh.

Bauermann: Seit ich davon gehört habe, verfolge ich natürlich seine Entwicklung. Mir wurde erzählt, dass wir mit Leverkusen einmal gegen Herten und Spoelstra gespielt hätten, aber ich kann mich nicht mehr wirklich an ihn erinnern. Es ist Wahnsinn, wie gut alles für ihn ausgegangen ist. Einfach eine geile Geschichte. Wenn es ein ehemaliger Spieler aus Herten zum Heat-Chefcoach und ein ehemaliger Regionalligaspieler aus Krefeld zum deutschen Nationaltrainer schaffen, ist im Leben alles möglich. Solange man mutig ist, an sich arbeitet und ein bisschen Glück auf seiner Seite hat.

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