Hamburg - (k)ein Tor zur Welt

Von David Helm
Der Hamburger SV hat seine bestern Zeiten hinter sich
© getty

Sie haben ihr Geld mit Verlagen, Brillen, Kaffee oder Speditionen gemacht. Sie sind die Milliardäre Hamburgs und verfügen zusammen über fast 50 Milliarden Euro. Den Hamburg Freezers fehlten zum Überleben eine Millionen Euro Lizenzgebühr und knapp sieben Millionen Euro für den Kader. Der Verein wurde fallen gelassen. Auch im Handball stimmte meist nur das Sportliche. Abhängigkeiten regieren das Bild. Es wird duster. Hamburgs Profi-Sport stirbt. Langsam, aber sicher.

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Die amerikanische Anschutz Entertainment Group stieß die Hamburg Freezers ins Aus. Das Projekt warf keinen Profit ab, andere Investitionen hatten Vorrang. Ein Käufer fand sich nicht. Beim HSV Handball hatte Geldgeber Andreas Rudolph keine Lust mehr Verbindlichkeiten für den Verein zu begleichen. Das Aus war die logische Folge. Klaus-Michael Kühne hat den HSV im Würgegriff, sein Wort ist Gesetz. Hat er keine Lust mehr auf die Raute, sieht es auch für den HSV schnell schlecht aus.

Auch im Breitensport geht die Tragödie weiter, das Bild ist düster. Tennis am Rotherbaum ist allenfalls drittklassig. Für die Bundesliga-Volleyballerinnen vom VT Aurubis fand sich auch nach zwei Jahren (!) Suche kein neuer Sponsor. Die Bürger stimmten gegen Olympia 2024. Die Tourismus-Seite der Stadt wirbt mit dem Slogan "Sportstadt Hamburg" - ein schlechter Scherz. Dabei ist das Potenzial der Stadt noch immer enorm.

HSV Handball

Wir schreiben den 2. Juni 2013 - der HSV ist Champions-League-Sieger. Der Triumph gegen den FC Barcelona macht die Hanseaten zum besten Team Europas. Weniger als ein Jahr danach erklärte Geldgeber Andreas Rudolph den Verein zum Sanierungsfall.

Die Lizenz für die nächste Saison wurde in letzter Instanz (vier Minuten vor Ablauf der Frist) erstritten. Peinliches Nebengeräusch am Rande: Die Verpflichtung von Frank Rost als Geschäftsführer. Nur 43 Tage später war der Spuk schon wieder vorbei. Der nächste ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Ende 2015 warteten Angestellte und Spieler auf ihr Gehalt - vergebens.

Es folgten Insolvenz und Lizenzentzug. Mitten in der Saison war alles vorbei. Rudolph drehte endgültig den Geldhahn zu. Er hatte schon zu viel Geld in den Sand gesetzt und schlichtweg keine Lust mehr. So war dieser Verein, der HSV Handball, im deutschen Sport ein Experiment. Eines, was scheiterte.

"Ich denke, das Projekt HSV Handball in Hamburg funktioniert nicht", sagte Rudolph am Ende. Der Spitzensport in Hamburg werde nicht angenommen. Noch schlimmer: "Ich glaube, es ist nicht erwünscht", so Rudolph. In einem Einzugsgebiet von über zwei Millionen Menschen schaffte es der Klub in die Champions League, konnte aber nur 5000 in die Halle locken.

Hamburg Freezers

Den Tag vor dem wichtigsten Spiel der Nationalmannschaft seit Jahren, dem WM-Viertelfinale gegen Russland, hatte sich die Anschutz-Gruppe ausgesucht, um die Kunde vom Niedergang der Freezers unter das Volk zu bringen. Der Präsident der AEG-Europe, Tom Miserendino, sagte: "Der Besitz von zwei Eishockeyteams in derselben Liga stellt sich nicht mehr als gangbarer Weg dar, was bedauerlicherweise zu dieser schwierigen Entscheidung geführt hat."

Das Unternehmen hatte kein gutes Jahr. Der Eigentürmer des Staples Centers und einiger Sportvereine in Los Angeles hatte mit dem frühen Aus der LA Clippers, LA Lakers sowie der LA Kings zu kämpfen. AEG musste einsparen. Es traf das schwächste Glied in der Kette: Die Hamburg Freezers. Die Amerikaner wollten sich nur noch ein Eishockeyteam in Deutschland leisten, die Eisbären Berlin.

Anschutz blieb jedoch Eigentümer der Halle, die schreibt schließlich noch immer schwarze Zahlen. Der Ausstieg ist nüchtern betrachtet vertretbar. Der Zeitpunkt nicht. Im Gegensatz zu den Handballern wurden die Freezers in der Stadt gut angenommen. Die jüngsten Entwicklungen waren positiv. Schon in den ersten Jahren liefen die Fans zu Tausenden in die Arena.

Nach der Gründung 2002 konnte sich auch der sportliche Erfolg sehen lassen. Im Jahr 2003 ging es ins Viertelfinale und 2004 ins Halbfinale. Es folgten im Anschluss allerdings keine guten sportlichen Jahre. Stattdessen gab es ständige Trainerwechsel und auch die Ränge wurden leerer. Erst Anfang des neuen Jahrzehnts ging es wieder bergauf. Angeführt vom neuen Kapitän und ehemaligen NHL-Spieler Christoph Schubert kam die Euphorie zurück.

Im Jahr 2014 waren die Freezers Erster nach der Hauptrunde und scheiterten erst im Halbfinale der Playoffs an Ingolstadt. Eigentlich lief alles bei den Freezers. Die Zahlen stimmten jedoch trotzdem nicht und eines wurde deshalb schnell klar: Die AEG ist ein profitorientiertes Unternehmen. Die Konsequenz aus diesem Umstand war das plötzliche Aus. Die Leidtragenden sind die Angestellten und Fans und natürlich die Stadt.

Kapitän Schubert wollte es nicht wahr haben. Er putzte die Klinken der Stadt und mobilisierte alle Fans zum Mitmachen. Die Resonanz war enorm. Selbst Prominenz wie Thomas Müller und Christoph Metzelder machten via Twitter auf die Freezers-Rettung aufmerksam. Auf der Crowdfunding-Website fairplaid kamen innerhalb weniger Tage knapp 500.000 Euro zusammen. Man stemmte sich gegen das Ende - vergebens.

Hamburger SV

Die goldenen Zeiten sind auch beim Verlustgeschäft HSV längst vorbei. Im Laufe des letzten Jahrzehnts war der Verein regelmäßig in internationalen Wettbewerben vertreten. In den letzten drei Spielzeiten spielte man allerdings jeweils gegen den Abstieg.

Der Vereinssong von Lotto King Karl trägt den Vers: "Wenn ich weit weit weg bin in Juve oder Rom, dann denk ich Hamburg meine Perle und singe home sweet home." Juve und Rom waren wohl noch nie so weit weg wie heute. Das Lied ist ein Relikt aus alten Zeiten. Damals, als alles noch besser war. Das war es tatsächlich.

Es bringt jedoch nichts, sich an alte Zeiten zu klammern. Doch ist es genau das, was man in Hamburg macht. Sollte man einmal ins Gespräch mit HSV-Fans kommen, wird man mit Sicherheit an das 4:4 gegen Juventus Turin aus dem Jahr 2000 erinnert. Die Realität sieht inzwischen jedoch anders aus: Fast-Abstiege, ständige Trainerwechsel, Rauswurf des Sportdirektors und nicht zuletzt die Abhängigkeit von einem Mann: Klaus-Michael Kühne.

Der in die Jahre gekommene Milliardär ist glühender HSV-Fan - Gott sei Dank (?). Denn ohne den Enkel des Gründers von Kühne und Nagel wären beim Traditionsverein wohl längst die Lichter aus gewesen. Die einen sagen, er sei die letzte Rettung für den HSV. Die anderen sagen, er führe den Klub ins Verderben.

Schon zu Beginn 2010 stellte Kühne Bedingungen. Der Spender ließ eine Liste mit Spielern erstellen, der HSV durfte sich die Neuzugänge heraus picken. Einer von Ihnen: Rafael van der Vaart. Das Ende der Geschichte ist bekannt. Bruno Labbadia lehnte den Transfer damals ab. Der Investor war sauer. Nachdem Labbadia gehen musste, konnte Kühne doch noch seinen Lieblingsspieler zurückholen. Er war einer der größten Flops in der HSV-Geschichte.

Fast wie eine Entschuldigung für die sportliche Misere, wirkte der Rückkauf des Stadion-Namens. Kühne kaufte die Namensrechte und benannte die Imtech-Nordbank-AOL-Arena wieder in Volksparkstadion um. Da war sie wieder, die gute alte Vergangenheit. Das Geld fließt auch heute weiter. Kühne versucht es auf Teufel komm raus.

In der kommenden Saison sollen 50 Millionen Euro in Beine investiert werden. Auch diesmal gibt Kühne den Ton an. Hilfe bekommt er dabei von Reiner Calmund und Berater Volker Struth. Wie das aussehen soll? Calmund: "Man braucht eine Achse in der Mitte, das ist immer wichtig, aber ich werde nichts Spezielles sagen." Man darf gespannt sein.

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