DOSB-Chef Hörmann hinterfragt sich

SID
Für Hörmann dürfte Hamburgs "Nein" ein Schock gewesen sein
© getty

Bestürzung, Bereitschaft zur Selbstkritik, aber auch jede Menge Ratlosigkeit: Die Bosse des deutschen Sports leckten am Tag nach dem bitteren Aus der Hamburger Olympia-Bewerbung ihre Wunden und versuchten, sich für den schwierigen Neuanfang zu sortieren. Das große Hauen und Stechen blieb zunächst aus.

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DOSB-Präsident Alfons Hörmann forderte nach der größten Niederlage seiner Amtszeit alle Macher zur Selbstreflektion auf - und sparte sich nicht aus.

"Jeder von uns hat allen Grund, darüber nachzudenken, was habe ich dazu beigetragen - bin ich Teil der Lösung oder Teil des Problems?", sagte Hörmann dem SID.

Er kündigte für die DOSB-Mitgliederversammlung am Samstag in Hannover eine entsprechende Debatte an: "Man muss sich darüber unterhalten, welche Dinge zu verändern sind, und das werden wir in der nötigen Offenheit und Professionalität tun."

Auch der DOSB-Vorstandsvorsitzende Michael Vesper zeigte sich selbstkritisch. "Natürlich fragt man sich, welche Fehler hat man selber gemacht", sagte Vesper dem SID. Der 63-Jährige, der beim DOSB noch ein Jahr lang unter Vertrag steht, schloss zeitnahe persönliche Konsequenzen aus: "Das braucht Zeit, darüber muss man in Ruhe nachdenken."

Rückendeckung für DOSB-Bosse

Vor allem DOSB-"General" Vesper, der nun mit vier von insgesamt sieben gescheiterten deutschen Olympischen Bewerbungen (Leipzig, zweimal München und Hamburg) zu tun hatte, setzt das Hamburger Nein schwer zu: "Ich bin sehr traurig, und ich finde es auch falsch, aber ich muss damit leben."

Beide DOSB-Bosse erhielten jedoch Rückendeckung aus den mächtigen Spitzensportverbänden.

"Ich habe volles Vertrauen in Alfons Hörmann und Michael Vesper. Hörmann ist gewählt, bewegt unheimlich viel und steht für mich völlig außer Frage. Vesper ist ein enormer Kämpfer für die Sache", sagte Siegfried Kaidel, Präsident des Deutschen Ruderverbandes (DRV) und Sprecher aller Spitzensportverbände, dem SID: "Es gibt keinen Ansatz, irgendjemandem etwas vorzuwerfen oder zu sagen, irgendjemand muss weg."

Kaidel sagte, er sei "überzeugt, dass wir eine harmonische Mitgliederversammlung in Hannover hinbekommen werden". Er hoffe aber, dass "alle so vernünftig sind zu sagen, dass Olympia nun erst mal nicht kommen wird und nicht mehr lange darüber diskutieren".

Konzentration auf Rio

Vor allem Vesper hatte am Sonntagabend bereits wieder mit einer möglichen neuen Bewerbung geliebäugelt ("Darüber denken wir noch mal nach"). Kaidel - und nicht nur er - erteilte dem eine klare Absage. "Auch wenn die Perspektive von Olympischen Spielen im eigenen Land nicht zu ersetzen ist: Wir müssen uns jetzt auf Rio konzentrieren und dann auf die Neuordnung der Spitzensportförderung."

Für Dagmar Freitag, der Vorsitzenden des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, kommt vor dem Blick in die Zukunft die schwierige Aufarbeitung des Debakels.

"Ich glaube, der DOSB ist gut beraten, wenn er sehr selbstkritisch reflektiert, warum so viele Bewerbungen in Folge gescheitert sind. Möglicherweise haben die handelnden Personen zu lange gedacht, Olympia sei ein Selbstläufer. Das ist es erkennbar nicht mehr", sagte sie dem SID.

"Noch keine abschließende Antwort"

Ein Patentrezept zur Neuordnung von "Sportdeutschland" hat sie nicht. Eine Perspektive zu formulieren, ohne Aussicht auf Olympische Spiele vor der Haustür zu haben, bezeichnete Freitag als "schwierig".

Sie habe "noch keine abschließende Antwort darauf", wie man den Sport in seiner Vielfalt wieder besser in der Bevölkerung verankern könne.

Eine Befürchtung hat Freitag nun aber allemal. "Ich bin großer Fan von Borussia Dortmund und des Fußballs, aber ich fürchte, dass Deutschland bald nur noch Großereignisse im Fußball sehen wird", sagte sie: "Ein Land, das sich Sportdeutschland nennt, muss aber allen Sportarten eine Bühne bieten."

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