Platz sechs für deutsche Turner

SID
Marcel Nguyen und das deutsche Team konnten den Titel nicht verteidigen
© Getty

Die deutschen Turner haben sowohl die Titelverteidigung als auch eine Medaille im Mannschaftsfinale der Europameisterschaft im französischen Montpellier deutlich verpasst.

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Philipp Boy musste seine Stimme etwas erheben, als in der "Park and Suites Arena" wenige Meter entfernt von der Mixed Zone die britische Nationalhymne gespielt wurde. "Das tut im Moment einfach richtig weh. Wir sind alle maßlos enttäuscht", sagte der Vize-Weltmeister und blickte traurig drein.

Noch vor zwei Jahren hatten sich die deutschen Turner über EM-Gold im Team gefreut, 63 Tage vor Olympia folgte in Abwesenheit von Fabian Hambüchen statt der Titelverteidigung die Bauchlandung: Im Mannschaftsfinale der EM im französischen Montpellier mussten sich Boy und Co. nach etlichen Fehlern vor rund 2.000 Zuschauern mit Rang sechs begnügen. Um die Bilanz zu polieren, bleiben am Sonntag (14 Uhr) sechs Chancen in den Einzelfinals.

Bis London wieder aufstehen

"Wir haben auch schon mal genauso gejubelt wie die Briten hier drüben", sagte Bundestrainer Andreas Hirsch mit Blick auf den Vorhang, hinter dem der Olympia-Gastgeber sein erstes EM-Gold feierte. Statt gemeinsam den Sieg zu begießen, heißt es für die deutsche Riege bis London gemeinsam wieder aufstehen.

"Wenn man gewinnen will, muss man eben auch Niederlagen einstecken", sagte Hirsch, der wie seine Schützlinge aber vollkommen ratlos wirkte. Nach Platz vier in der Qualifikation folgte im Finale nicht die angekündigte Leistungsexplosion, sondern genau das Gegenteil. Großbritannien (266,296 Punkte), Russland (265,535) und sogar Rumänien (261,319) nahmen der deutschen Mannschaft (259,269) bis zu sieben Zähler ab.

Pechvogel Spiridonow lässt die letzte Hoffnung schwinden

Trotz des schwachen Starts an Pauschenpferd, Ringen und Sprung hatte die Riege um Boy (Cottbus), Barren-Europameister Marcel Nguyen (Unterhaching), Eugen Spiridonow (Bous), Sebastian Krimmer (Stuttgart) und Matthias Fahrig (Halle) nach dem starken Barren-Durchgang tatsächlich noch an das Wunder geglaubt. Ausgerechnet Routinier Spiridonow griff am Reck aber gleich dreimal daneben - und machte die klitzekleine Medaillenchance zunichte.

"Das tut mir in der Seele weh. Er zählt eigentlich zu unseren Säulen und hat so hart gearbeitet", sagte Hirsch über den Pechvogel aus dem Saarland. Noch viel schlimmer hatte es allerdings die Gastgeber aus Frankreich erwischt. Die ohnehin verletzungsgeschwächten Vorkampfdritten mussten vor heimischem Publikum schon im ersten Durchgang nach einem mit null Punkten bewerteten Sprung von Samir Ait Said alle Hoffnungen begraben.

Boys letzte Chance im Reckfinale

Zum Sündenbock wurde er wie Spiridonow aber nicht, denn auch der Rest der deutschen Riege hatte sich nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Allen voran Boy, der nach etlichen Verletzungssorgen erst seit wenigen Monaten voll trainieren kann, sah man die mangelnde Wettkampfpraxis nach wie vor an.

"Ich kann noch nicht alles analysieren. Aber fest steht, dass ich jetzt für Olympia noch viel mehr arbeite", sagte der Mehrkampf-Europameister aus dem Vorjahr. Denn schlechter geworden, das sei sicher, "sind wir nicht. Es gibt einige Baustellen, aber das Team funktioniert."

Seit 2007 sind die deutschen Turner von europäischen Titelkämpfen nicht mehr ohne Goldmedaille zurückgekehrt. "Wir müssen den Blick jetzt auf die Finals richten", sagte Hirsch. Zumindest an ihren Paradegeräten hatten Boy (Reck) und Titelverteidiger Nguyen (Barren) ansprechende Leistungen gezeigt. "Die Chance müssen wir nutzen", sagte Boy. Von Medaillen-Ankündigungen sah er aber lieber ab.

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