Taylor: "Wie Pele oder Babe Ruth"

SID
Phil "The Power" Taylor ist einer der größten Stars im englischen Sport
© Getty

Dart-Genie Phil Taylor ist längst zum Phänomen geworden. Seit Donnerstag herrscht im Londoner Alexandra Palace der Ausnahmezustand, wo "The Power" seinen 16. WM-Titel ins Visier nimmt. Mit einem klaren 3:0-Sieg gegen Gary Mawson verlief der Start ins Turnier nahezu perfekt.

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Das tätowierte Dart-Genie im Jürgen-von-der-Lippe-Hemd trägt wieder volles Haar, der Bierbauch ist verschwunden. Sonst aber ist bei Phil Taylor alles wie eh und je. "The Power" wirft seine 26 Gramm schweren Unicorn-Phase-5-Darts mit unglaublicher Präzision aus 2,37 Metern Entfernung in die 8 Millimeter hohen Triple-Felder - nur diesmal als, mit Verlaub, optisch ziemlich aufgepeppter Comic-Held einer App auf dem iPhone.

Für 2,99 darf sich pünktlich zur bevorstehenden WM (16. Dezember bis 3. Januar) also jeder wie der beste Spieler der Darts-Geschichte fühlen. An das Original wird im Londoner Alexandra Palace wohl wieder niemand heranreichen. "Taylor ist wie Pele oder Babe Ruth, eine Größe des Weltsports", sagt Chef-TV-Experte Sid Waddell.

Der Vergleich mit Fußball- oder Baseball-Legenden ist vielleicht gewagt. Aber Sid Waddells Wort ist Gesetz. Der berühmte TV-Kommentator, ganz England geläufig als Stimme des Darts, hat den 15-maligen Weltmeister schon folgendermaßen charakterisiert: "Taylor würde dir nicht einmal das gönnen, was aus seinen Mundwinkeln tropft, wenn er in ein Bacon-Sandwich beißt."

Taylor als Sportler des Jahres nominiert

Die Gier nach Siegen und fettigem Essen sind damit wohl hinreichend beschrieben. Die Erklärung für das Phänomen Phil Taylor aber steht aus. Der Mann, der mit 16 noch für 52 Pfund pro Woche Klopapier-Halterungen herstellte, ist Millionär, mit Robbie Williams befreundet und für viele Engländer ein Idol.

Und der nächste Schritt steht kurz bevor: Am 19. Dezember wählt die "BBC" wieder den Sportler des Jahres. Auf der Vorschlagsliste, eingerahmt von Lewis Hamilton und Andy Murray: Philip Douglas Taylor.

"Das wäre größer als alle WM-Titel zusammen", schrieb dieser kürzlich in seinem Blog. "Ich habe es per Telefon erfahren und durfte es nicht erzählen. Das war eine Qual. Ich wollte es der Welt ins Gesicht schreien", sagte der - real - ziemlich füllige und grauhaarige 50-Jährige.

"Onehundredandeightyyyyyyy"

Ob es funktioniert hat, wird der Schulabbrecher aus Stoke-on-Trent also während des Turniers erfahren. "The Power" will wieder an die Macht, und die Fans ölen schon ihre Stimmen. "There's only oooooooone Phil Taylor", wird es wieder minutenlang aus tausenden bierseligen Kehlen donnern, wenn der Favorit die Scheibe ins Visier nimmt.

Im Idealfall kommt kurz danach der große Moment von Russ Bray. Die unverkennbar knarzige Whisky-Stimme des Ansagers ist für das langgezogene "Onehundredandeightyyyyyyy" zuständig, das er durch den Saal röhrt, wenn ein Spieler dreimal in Serie die Triple 20 getroffen hat.

Allein im letzten Finale gelang Taylor dies beim 7:3 gegen Simon Whitlock neunmal, ein Hobbyspieler wird es ein Leben lang ohne Erfolg trainieren.

Superman-Kostüme und "Chase the Sun"

Was am Ende eines Legs folgt, ist eine ganz eigene Choreographie. Hunderte springen in Superman-Kostümen auf die Tische, sie tanzen zur immergleichen Bierzelt-Melodie, "Chase the Sun", heißt der Song, berauscht nicht nur von den sportlichen Höchstleistungen.

Und wer glaubt, für Ekstase gebe es keine Steigerung, sollte auf einen "Nine-Darter" warten. Das schnellstmögliche Finish aus zum Beispiel siebenmal Triple 20, einmal Triple 19 und der doppelten 12 zum Abschluss ist, wenn wir sportlich in England bleiben, mit einem Maximum Break (147 Punkte) beim Snooker zu vergleichen.

Phil Taylor hat sich vorgenommen, eine große Show zu bieten, und sicherheitshalber noch eine Autobiographie von Pete Sampras gelesen. Da das Leben aber kein Computerspiel ist, hatte er es zuletzt nicht ganz so einfach wie sein zweites Comic-Ich.

Der Weltmeister - auf dem iPhone wird es natürlich unterschlagen - ist kurzsichtig und trägt neuerdings eine Brille. Als er kürzlich richtig schlecht spielte, pfefferte er sie in die Ecke und gewann ohne. Wer Gold im Arm hat, muss eben nicht so genau hinschauen.

Es war einmal 2008: Phil Taylor im SPOX-Interview