UFC

"Die Fans wollen blutige Schlachten"

Von Interview: Benny Semmler
Dennis Siver (o.) gewann 15 seiner Mixed-Martial-Arts-Kämpfe - fünf durch K.o.
© Getty

Dennis Siver ist einer von rund 100 Kämpfern, die bei der "UFC", der weltweit führenden Mixed-Martial-Arts-Organisation, angestellt sind. Zwei Mal war der 31-jährige Deutsch-Russe bereits in Las Vegas und prügelte sich vor 15.000 Fans. "Ultimate Fighting" heißt das zumeist blutige Spektakel und ist offenbar maßgeschneidert für das eventhungrige Publikum in Las Vegas, denn "dort sind sie verrückt nach uns."

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SPOX traf Siver im Rahmen der Vorstellung des Computerspiels "UFC Undisputed 2010" in einer Trainingshalle der X-ESS Sportschule im Hamburger Norden. Im Interview spricht er über die Vorurteile gegenüber seiner Sportart, seine Liebe zum Schach und einen theoretischen Vergleich mit Felix Sturm.

SPOX: Was sagen die Frauen zu Deinen Blumenkohlohren?

Dennis Siver: Ich kann mich nicht beklagen. Die Ohren sind mein Markenzeichen und die meisten Frauen staunen erstmal. Und dann wollen sie wissen, warum meine Ohren so aussehen. Und dann wollen sie noch mehr wissen. Dann lernen sie mich als Menschen kennen. Und dann akzeptieren sie auch die kaputten Ohren.

 

SPOX: Aber die Frauen, denen ich Deine Kämpfe gezeigt habe, finden den Sport total ekelhaft.

Siver: Ja, ja, das kenne ich. Das sagen die immer. Die Damen sind eben ein bisschen empfindlicher und können kein Blut sehen.

SPOX: Aber es geht ja auch brutal zu.

Siver: Ach komm', im Boxen fließt genauso viel Blut. Nur bei uns gehen die Kritiker auf die Barrikaden.

SPOX: Das hat Gründe.

Siver: Die Zuschauer am Fernseher, die Fans in den Hallen erwarten natürlich blutige Schlachten, das mag stimmen und das will ich auch gar nicht abstreiten. Aber letztlich fließt beim Boxen doch genauso viel Blut. Nur wir schlagen mit dem Ellbogen und das sieht dann einfach brutaler aus. Und ob du jetzt einen sekundenlangen Schlaghagel von einem Profi-Boxer an den Kopf kriegst oder einen Ellenbogen ins Gesicht - ich glaube, da gibt es keinen Unterschied.

SPOX: Muss bei Dir immer Blut fließen oder spielt so eine Kante wie Du auch mal Schach oder Monopoly?

Siver: Ich liebe Schach. Als ich nach Amerika geflogen bin, hatte ich immer meinen Schachcomputer dabei. Mit dem Ding kann ich mich locker drei, vier Stunden beschäftigen.

SPOX: Wer hätte das gedacht.

Siver: Ich weiß, die Leute denken alle, dass wir nichts im Kopf haben und nur dämliche Schläger sind. Aber die meisten Kämpfer, die ich kenne, sind unglaublich intelligent. Viele sprechen mehrere Sprachen und haben richtig gute Jobs.

SPOX: Und Du arbeitest als Türsteher in einer russischen Discothek.

Siver: Nicht mehr. Den Job habe ich schon vor ein paar Jahren aufgegeben.

SPOX: Aber als Türsteher konntest Du die Arbeit und den Sport doch optimal verbinden.

Siver: Das stimmt genauso wenig. Kämpfe auf der Straße führen zu nichts. Und außerdem kann man da nichts lernen. Mein längster Kampf auf der Straße dauerte zehn Sekunden. Was soll ich da mitnehmen?

SPOX: Oh. Erzähl mal. Wie sah der 10-Sekunden-Kampf aus?

Siver: Böse. Und mehr sage ich dazu auch nicht.

SPOX: Bei anderen Sportlern ist oft die Rede von einem Tunnelblick. Habt Ihr den Blutrausch?

Siver: Ich sage es dir gerne ein zweites Mal: Wenn der Gegner aus der Nase blutet, dann sehe ich, dass er angeschlagen ist. Und dann setze ich nach und will den Kampf gewinnen. Das ist in jeder anderen Kampfsportart nicht anders. Aber ich verfalle ganz sicher nicht in einen Blutrausch.

SPOX: Was passiert in den letzten Sekunden, ehe Du den Käfig betrittst? Kannst Du das Gefühl beschreiben?

Siver: Wenn ich den Käfig sehe, freue ich mich. Ehrlich. Der ist mein Arbeitsplatz. Das Ding motiviert mich. Um mich herum nehme ich dann im Prinzip nichts mehr wahr.

SPOX: Was ist mit den 15.000 Fans? Kriegst Du nicht mit, wie das Publikum abgeht?

Siver: Ich höre eigentlich nur, dass es laut ist. Ansonsten sind die Gedanken voll auf den Kampf fokussiert.

SPOX: Wie oft kämpfst Du im Jahr?

Siver: So vier bis fünf Mal.

SPOX: Was war Dein bester Kampf?

Siver: Gegen Paul Kelly im letzten Jahr. Da hat alles gepasst. Das war auch der K.o. des Abends. Ein gedrehter Spinning-Back-Kick zur Leber. Dann fiel er um, und es gab einen Bonus obendrauf.

SPOX: Einen Bonus obendrauf?

Siver: Bei der UFC gibt es immer einen Bonus für den K.o. und Fight des Abends. Das sind so um die 40.000 Dollar extra auf die Hand. Das lohnt sich. Zwei Mal hat es bei mir schon geklappt.

SPOX: Kannst Du von den Knock-Outs leben?

Siver: Vielleicht. Ganz sicher bin ich mir nicht. Die Einnahmen sind ja alles andere als gut planbar. Außerdem: Mein Job als KfZ-Mechaniker ist mir auch wichtig. Und für die Rente reichen die Prämien eben doch noch nicht aus.

SPOX: Was war Deine schlimmste Verletzung?

Siver: Ich habe mir bei einem Kampf mal die Hand gebrochen. Mehr nicht. Und zig Cuts. Aber die zähle ich jetzt mal nicht dazu.

SPOX: Wann sprichst Du von einem guten Kampf?

Siver: Wenn ich gewonnen habe.

SPOX: Wer hätte das gedacht. Aber mal ehrlich, hast Du eine Taktik oder gibt's einfach nur ruckzuck auf die Fresse?

Siver: Klar habe ich eine Taktik, und die wird bei jedem Gegner auch neu ausgearbeitet. Es gibt ja die Wrestler und die Ringer. Beide können besonders gut am Boden agieren. Gegen solche Kämpfer will ich natürlich möglichst im Stand kämpfen. Dann gibt es die anderen. Und noch wieder andere. Und fast immer gibt es im Laufe eines Fights neue Konstellationen. Da musst du flexibel sein. In anderen Worten: Nur auf die Fresse geht auch nicht.

SPOX: Kennst Du Felix Sturm?

Siver: Ja klar.

SPOX: Würdest Du ihn umhauen?

Siver: Nach meinen Regeln ganz sicher. Ich habe ja viel mehr Kampfoptionen. Ich kann mit den Beinen kicken oder ihn zum Bodenkampf zwingen. Und dann sieht es für ihn schlecht aus. Aber er ist der bessere Boxer und viel, viel schneller mit den Fäusten. Nach seinen Regeln würde er gewinnen.

SPOX: Meine Regel heißt übrigens: Bitte nur spielen!

Siver: Interessant. Kurze Frage noch: Bekommst du schnell Nasenbluten?

SPOX-Reporter Benny Semmler vs. Dennis Siver: Die Reportage