Nach Weltrekordflut droht Fasten-Zeit

SID
Paul Biedermann wurde in diesem Jahr Doppelweltmeister
© Getty

Doppel-Weltmeister Paul Biedermann muss abspecken, der gesamte Schwimmsport steht vor einer Fasten-Zeit. Nach dem Weltrekordfestival beim Kurzbahn-Weltcup in Berlin endet in 44 Tagen die Ära der High-Tech-Anzüge - und damit auf lange Sicht wohl auch die Jagd nach Bestzeiten.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Ab dem 1. Januar 2010 verbietet der Weltverband FINA die vor allem mit dem Kunststoff Polyurethan beschichteten Ganzkörperanzüge. Stattdessen kehren die Sportler zur Badehose und zum Badeanzug aus Textil zurück.

Wie unterlegen dieses Outfit ist, haben die Auftritte von Superstar Michael Phelps in Berlin gezeigt. Der 14-malige Olympiasieger verzichtete freiwillig auf einen Wunderanzug und sah im knielangen Jammer nur die Hacken seiner Konkurrenten.

Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass künftig alle Schwimmer erheblich langsamer sein werden. Was aber passiert mit den Rekorden, die in den Wunderanzügen aufgestellt wurden?

Weltrekorde sollen bleiben

"Sie sollen bleiben, aber in einer gesonderten Liste geführt werden. Ab dem 1. Januar sollte man die Weltrekorde vor der High-Tech-Ära als Grundlage nehmen", sagt Phelps-Trainer Bob Bowman.

Der Amerikaner steht mit dieser Forderung nicht alleine da. Doch noch mauert die FINA und hält an einer für alle Zeiten geltenden Rekordliste fest, die unter anderem die bislang erzielten 116 Weltrekorde dieses Jahres umfasst.

Der Deutsche Schwimm-Verband will erst die Entwicklung abwarten und sich dann positionieren. Die Materialschlacht der Ausrüster hatte im olympischen Jahr 2008 begonnen, anfangs hatte ausgerechnet Phelps mit dem Speedo LZR Racer einen Vorteil.

"Wer hat denn davon profitiert in Peking? Das waren nicht die Deutschen", sagte Biedermann, der im X-Glide seines Ausrüsters arena sowohl bei der WM in Rom als auch beim Kurzbahn-Weltcup in Berlin über 200 und 400 m Freistil Weltrekorde aufstellte.

Biedermann mit gemischten Gefühlen

Der Hallenser sieht der Umstellung auf die Radlerhose daher auch mit gemischten Gefühlen entgegen. Für den 23-Jährigen könnten in mehrerer Hinsicht magere Zeiten anbrechen: "Ich muss Gewicht verlieren, damit ich nicht absaufe. Der Anzug hat mich schon oben gehalten."

Der Schwimmer braucht bei den High-Tech-Anzügen mit ihrer extremen Auftriebseigenschaft und Gleitfähigkeit eigentlich nur zwei Dinge: Masse und Kraft. Technik spielt eine untergeordnete Rolle.

Biedermann braucht normalerweise 16 Armzüge für eine Bahn, im Anzug dagegen nur zwölf. Dadurch spart der Schwimmer Kraft und kann zum Ende des Rennens scheinbar mühelos den Turbo zünden.

Deibler: "Es wird fairer"

"Die letzten fünf Meter fühlen sich genauso an wie die ersten fünf", sagte Biedermann. Als der Hamburger Steffen Deibler durch gezieltes Krafttraining drei Kilogramm Muskelmasse zulegte, schaffte er mit zwei Kurzbahn-Weltrekorden über 50 m Schmetterling in Aachen und Berlin den Durchbruch.

Dennoch freut er sich auf die Zukunft ohne die Plastikhüllen: "Es wird fairer werden. Es geht wieder um die beste Mischung aus Kraft und Technik."

Aber kann das Leistungsschwimmen seinen Reiz allein aus der Frage nach Sieg und Niederlage ziehen? Oder fehlt ohne Rekorde das Salz in der Suppe? Wenn es nach Michael Phelps geht, wird es so weit nicht kommen: "Alle Rekorde sind dazu da, gebrochen zu werden. Man muss es sich nur vornehmen."

Acht Deutsche in der Europa-Auswahl