Warum trainiert das DFB-Team falsch?

SID
Patrick Heisel ist mehrfacher Mr. World und Mr. Universum
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Patrick Heisel ist mehrfacher Mr. World Fitness und Mr. Universum. Seit 2003 führt der Bodybuilder in der Figurenklasse die Weltrangliste an und arbeitet nebenher als Model. Im Interview mit SPOX sprach der 41-jährige Diplom-Sportlehrer das katastrophal schlechte Training der deutschen Fußball-Nationalmannschaft an.

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Die Aussagen von Patrick Heisel haben für Gesprächsstoff und Diskussionen unter den Usern gesorgt. Wir haben daraufhin noch einmal bei ihm nachgehakt und Eure Fragen an ihn weitergeleitet.

Frage von La pulga: Wie dehnt und trainiert das DFB-Team?

Patrick Heisel: Meine Kritik speziell auf das Dehnverhalten bezieht sich natürlich nur auf das von mir live gesehene und nicht "Hörensagen". Daher kann ich den aktuellen Stand natürlich nicht immer  wiedergeben. Was im heutigen Zeitalter der Technik allerdings via Bildschirm immer wieder zu sehen ist - und das betrifft ja natürlich auch DFB-Spieler - ist ein Dehnverhalten, das eher an eine Mobilisation als eine Entspannungstechnik erinnert.

Dehnungen sollten dazu genutzt werden, eine aktiv beanspruchte Muskelpartie über den kompletten Bewegungsradius der Muskulatur zu bewegen und eine Senkung des Muskeltonus zu erreichen. Dies kann auf unterschiedliche Art und Weise geschehen; darüber streiten sich so manche Wissenschaftler mit anscheinend immer wieder validen Testergebnissen. Oftmals kann man beim Hinterfragen der Studien den einen oder anderen Punkt entdecken, der in der veröffentlichten Zusammenfassung nicht zu ersehen war und somit die Ergebnisse der Studie verzerren kann.

Frage von nillebolzen: Was ist daran so katastrophal falsch?

Heisel: Konkret möchte ich zum Veranschaulichen einmal zwei Punkte nennen.

Fakt ist einmal, dass die Dehnung eines Muskels immer vorraussetzt, dass dieser entspannt ist. Man kann sich das so vorstellen, dass die Dehnung einen Zug darstellt und die Belastung einen Druck. Wie jedem klar sein sollte, ist es nicht möglich, einen Muskel, der nun belastet wird, gleichzeitig zu dehnen. Ziehen und Drücken gleichzeitig ist meiner Meinung nach nicht möglich.

Desweiteren muss, um eine Entspannung der Muskulatur zu erzielen, immer ruhig und sanft die Dehnposition eingenommen und auch wieder verlassen werden. Ein ruckhafter Dehnbeginn und - vor allem zum Ende beim Verlassen der Position -  ein hektischer Abschluss, kann nicht den erwarteten Erfolg bringen, sondern eher noch eine Verletzung im Sehnen- und/oder Gelenkbereich provozieren.

Frage von nillebolzen: Was würden Sie konkret verbessern?

Heisel: Unter anderem die oben genannten Punkte den Spielern anhand von Bildern erklären. Ich weiß, dass vielen die richtige Bedeutung eines Dehnprogramms nicht klar ist, weil es ihnen auch nie richtig erklärt wurde.

Andererseits verdienen natürlich gerade die Profis soviel Geld, dass sie sich etwas mehr um ihren Körper bemühen sollten. Das wird ihnen auf höchstem Spielniveau allerdings von den Masseuren, Physiotherapeuten und Ärzten abgenommen. So machen es sich natürlich einige leicht und verlassen sich auf andere.

Viele der so verwöhnten Leistungssportler haben das Gefühl für ihren eigenen Körper verloren und sollten sich daher nicht wundern, wenn sie immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen haben.

Frage von thomsd: Kann ein Einsatz von Steroiden bei Verletzungen (Kreuzbandriss) bzw. beim Muskelaufbau nach einer Verletzung helfen?

Heisel: Das ist eine interessante Frage. Natürlich wurden diese Arzneimittel nicht erfunden, um im Wettkampf den anderen Sportlern gegenüber einen Vorteil zu haben. Dennoch ist der Einsatz natürlich durch einige Untersuchungen in den letzten Jahren belegbar und zeigt, dass diese Substanzen wirken. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sie eingesetzt werden. In Individualsportarten stechen dann die besseren Leistungen mehr heraus als in Mannschaftssportarten.

Aber ist es ein Verschaffen eines Vorteils, wenn ein Sportler schneller wieder fit für seinen Beruf wird und dann drogenfrei wieder seinen Job macht? Das sollen andere entscheiden. Ich möchte dazu nur sagen, dass bis vor einigen Jahren auch Kaffee auf der Dopingliste stand und ein überführter Sportler in den Medien als böser und unfairer Abzocker dargestellt wurde, obwohl er weniger Koffein im Blut hatte als so mancher normale Arbeitnehmer an einem stressigen Tag.

Frage von thomsd: Ist Dehnen direkt vor einer sportlichen Belastung sinnvoll oder eher schlecht?

Heisel: Wie schon oben erwähnt, sollte das Dehnen einen Entspannungseffekt und eine Senkung des Muskeltonus mit sich bringen, und das ist natürlich vor einer Belastung nicht unbedingt gewollt. Man muss übrigens etwas unterscheiden: Wenn man vor der Belastung kurz, in ruhiger und fließender Bewegung zwei bis drei Sekunden in die Dehnposition geht und somit den Muskel kurzfristig über den gesammten Bewegungsradius bewegt, kann das eine Verletzung verhindern. Aber diese Technik wird nur von sehr wenigen Sportlern angewandt, meistens von den Erfolgreichsten.

Frage von thomsd: Inwieweit kann die mentale Einstellung (positives Denken etc.) die Regeneration von einer Verletzung positiv beeinflussen?

Heisel: Positives Denken ist eine stark unterschätze Kraft, die in uns selbst schlummert. Nur wenigen gelingt es, diese Kraft optimal zu nutzen. Unser Denken stimuliert im Körper viele Hormone und Selbstheilungskräfte, die uns zu Dingen befähigen, die wir uns oft nicht zutrauen würden.

In meiner Tätigkeit als Personal- und noch mehr als Rehabilitationstrainer sehe ich es täglich, wie motivierte Menschen ihren Leistungsstand von früher schneller erreichen oder sich selbst auf ein höheres Niveau heben, wenn sie positiv gestimmt sind. Allein zu wissen, wie ein Körper genau funktioniert und dass es solche "Selbstheilungskräfte" gibt, kann für eine deutliche Beschleunigung bei einer Verletzung führen.

Dies ist auch nicht nur für den sportlich Aktiven ein anzustrebendes Ziel. Auch Führungskräfte, die oftmals aufgrund des permanenten Drucks von außen extrem unter Stress stehen, profitieren stark von dem bewussten Lernen, das eigene Denken positiv zu gestalten.

SPOX: Was sagen Sie zu den Unterstellungen mancher User, nur mit Doping erreicht man ein solches Erscheinungsbild?

Heisel: Dazu kann ich nur sagen, dass das meistens Menschen sind, die sich mit dem Körper wenig oder gar nicht beschäftigt haben. Sicherlich gibt es "Leistungen", die nicht nachvollziebar erscheinen, aber das bezieht sich doch meistens auf den Profibereich. Und dort verdienen nun mal die Menschen ihr Geld mit dem, was sie tun. Die Masse der Menschen, die dann "immer mehr, immer weiter und immer schneller" haben wollen, sollte mal hinterfragen, ob sie selber nicht mitverantworlich für dieses immer extremer werdende Treiben ist.

Was meine Person angeht würden die meisten, wenn sie mich in Kleidern kennen lernen, überhaupt nichts Extremes sehen oder vermuten. In meinem Sport gilt nun mal nur das, was man in einem Posingslip auf der Bühne sieht. Dort geht es um die Ausarbeitung und künstlerische Darstellung der Muskulatur - und um nichts anderes.

Natürlich muss der Körperfettanteil so niedrig wie möglich sein. Jeder, der schon einmal mit einer Diät versucht hat, etwas an Fettmasse zu verlieren, und dann wenig oder gar kein Ergebnis hatte, kann diesen Körperfettanteil natürlich nicht nachvollziehen und denkt direkt an unerlaubte Mittel.

Ich würde mich sehr gerne als Versuchsperson zur Verfügung stellen, um mit einem normalen Fettanteil den Weg zu zeigen, wie ich es schaffe, von zwölf auf vier Prozent Körperfett zu kommen, ohne meine sonstigen Körperwerte in einen Gefahrenberich zu bringen. Dazu ist natürlich ein sehr gutes Wissen über den eigenen Körper und über Verhaltensmuster des Körpers vonnöten.

Ich kann generell Skepsis oftmals verstehen, aber immer gleich einen unerlaubten Weg zu suchen, ist sicherlich nicht die richtige Art, Unbekanntem zu begegnen. Viele Dinge relativieren sich, wenn sie mit den richtigen Worten erklärt werden.

Patrick Heisel im SPOX-Interview