Schüttlers spätes Glück

SID
Tennis, Wimbledon, Rainer Schüttler
© DPA

London - Gegönnt haben es ihm alle - daran geglaubt nur die wenigsten. Dass Rainer Schüttler in Wimbledon wie Phönix aus der Asche auferstanden ist, mutet für viele wie ein Wunder an.

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Dabei ist der Musterprofi aus dem nordhessischen Korbach alles andere als ein Märchenprinz, auch wenn sein Durchmarsch in die Beletage von Wimbledon märchenhafte Züge aufweist.

Wie vor ihm nur die Wimbledonsieger Boris Becker und Michael Stich sowie die ins Finale gestürmten Amateure Gottfried von Cramm und Wilhelm Bungert hat er die Runde der besten Vier auf dem "Heiligen Rasen" erreicht.

Nichts als harte Arbeit

Für den 32-Jährigen und seinen Freund, Trainer und Manager Dirk Hordorff ist der Grund für den plötzlichen Aufschwung harte Arbeit, nichts als harte Arbeit.

Gebetsmühlenartig hatte Schüttler immer wieder darauf verwiesen, dass die von Erstrunden-Niederlagen in Serie gepflasterten schlimmen Tage irgendwann ein Ende haben würden. Geglaubt hat ihm in der Zeit nach seinem überragenden Jahr 2003 schließlich nur noch das kleine Häuflein der ewig Treuen.

Aufgeben? Niemals

Der im Juli 2005 erstmals seit 1998 aus den Top 100 der Weltrangliste gefallene Schüttler gibt zu, die Selbstzweifel nicht immer verdrängt zu haben. "Natürlich habe ich manchmal gezweifelt. Aber ans Aufhören habe ich nie gedacht."

Viel schlimmer noch als die Krankheiten und Verletzungen taten dem sympathischen Blondschopf die manchmal hämischen Kommentare weh, die dem "alten Mann" den Abschied von der Tennis-Bühne nahelegten.

Aufgeben? Vor dem Pfeiffer'schen Drüsenfieber oder der Knie-Operation kapitulieren? Nein, das war für Schüttler nie ein Thema. Schlimm sei nur gewesen, so Hordorff, dass er seinen eigenen Erwartungen nicht gerecht werden konnte. "Das ist für Rainer das Schlimmste."

Die "Vernichtung" von Melbourne

Wie weit man als Sportler kommen kann, hatte der in Altstätten bei Zürich lebende Schüttler vor fünf Jahren eindrucksvoll bewiesen. Auch damals hatte ihn niemand auf der Rechnung, als er in Melbourne ins Finale der Australian Open einzog.

Der Hype, der damals um ihn ausbrach, erschreckte ihn mehr, als dass er ihm Spaß machte. Im Endspiel wurde er dann von Andre Agassi vorgeführt. In Wahrheit war es sogar mehr, meinte Coach Hordorff: "Das war eine Vernichtung."

Daran zerbrochen ist Rainer Schüttler nicht. Am Jahresende versuchte er es damals noch einmal gegen den überragenden Agassi und unterlag im Halbfinale der ATP-Weltmeisterschaft abermals.

Danach wäre es vielleicht sinnvoller gewesen, kürzerzutreten. Aber Rainer Schüttler gibt immer alles - und deshalb überforderte er seinen Körper möglicherweise.

Wimbledon ein Leben lang

Seit dem vergangenen September spürt er nun wieder das richtige Tennisleben in sich. Zwei Doppel-Titel holte er Anfang des Jahres. Aber erst jetzt in Wimbledon ist er wieder richtig durchgestartet und gehört als bester Deutscher wieder zu den Top 40 der Tennis-Welt.

"Es hat alles zusammengepasst", meinte Hordorff, der mit seinem Schützling seit 16 Jahren arbeitet. Ein "Platz für die Ewigkeit" ist für den hoch geachteten Schüttler bei den All England Championships schon reserviert.

Als Viertelfinalist gehört er zum "Club der Acht" und darf, wann immer er will, auf Einladung des All England Lawn Tennis & Crocket Clubs nach Wimbledon kommen.