Es geht um Dollar-Milliarden

SID

Hamburg - Die schweren Unruhen in Tibet und die mit Macht ausgebrochene Menschenrechtsdebatte stellen das Internationale Olympische Komitee (IOC) vor die schwierigste Situation seit seinem Korruptionsskandal.

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Vor neun Jahren ging es um die Käuflichkeit seiner Mitglieder, diesmal steht die Glaubwürdigkeit der gesamten Organisation auf dem Spiel. Und wieder gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Geld und Moral.

Sollte die Menschenrechtssituation in China eskalieren, stünde das IOC in letzter Konsequenz vor der Frage, ob es die Peking-Spiele ganz absagen müsste.

Ein Milliarden-Geschäft 

Das würde seinen Anspruch als moralische Instanz stärken, die finanzielle Existenz des olympischen Sports jedoch gefährden. Denn die Peking-Spiele sind für das IOC, seine Partner und die Wirtschaft ein Geschäft mit vielen Milliarden.

Für nahezu 4,5 Milliarden Dollar hat die olympische Weltorganisation ihr Rechte-Paket an den bevorstehenden Spielen im Sommer und den Winterspielen 2006 in Turin verkauft.

Peking allein bringt dem IOC 1,74 Milliarden Dollar für die weltweiten Fernsehrechte ein. Darüber gibt es bindende Verträge beispielsweise mit dem US- Fernsehsender NBC (894 Millionen Dollar) und der Europa-Organisation EBU (443 Millionen Dollar).

Rechte für 866 Millionen Dollar

Sollte das IOC nicht die versprochenen Bilder liefern können, gäbe es nicht nur kein Honorar. Es könnte auch zu Entschädigungsforderungen kommen. Ähnliches gilt für die 12 TOP-Sponsoren des IOC.

Es sind Weltunternehmen, die sich für insgesamt 866 Millionen Dollar das Recht erkauft haben, zwischen 2005 und 2008 global mit den Olympischen Ringen werben zu können.

Die Peking-Spiele bedeuten für Firmen wie Coca-Cola, McDonald's, Visa und Samsung die unverzichtbare Schlusskampagne mit der besonderen Chance, sich dem 1,3-Milliarden-Menschen-Markt empfehlen zu können.

"Chance sich zu präsentieren" 

Das wollen auch die 35 Sponsoren des Pekinger Organisationskomitees BOCOG, darunter Volkswagen und Adidas. Sie bringen BOCOG eine runde Milliarde Dollar ein und verlangen Gegenleistungen für Zahlungen von zum Teil mehr als 100 Millionen Dollar.

Adidas-Vorstandchef Herbert Hainer bezeichnete den Olympia-Auftritt bei seiner kürzlichen Bilanzpressekonferenz als die "beste Chance, die wir jemals hatten, um uns in der Region zu präsentieren".

Dazu gehört die Ausrüstung von 40.000 freiwilligen Helfern und 18 Olympia-Teams, einschließlich Deutschland und China. Hainer: "Es wird viele chinesische Medaillengewinner geben, und sie werden Adidas tragen, das ist für uns ein Gewinn."

Große Wachstumsraten 

Bis 2010 will das Unternehmen aus Herzogenaurach das Netz seiner eigenen Läden in China von 4000 auf 7000 ausweiten. Große Wachstumsraten erwartet auch die Volkswagen AG, die BOCOG mit 5000 Autos den gesamten Fuhrpark stellt.

Allein 1000 davon sind Marke Audi. Dessen Chef Rupert Stadler freut sich schon darauf, "wenn die vier Ringe unserer Premiummarke auf die fünf Olympischen Ringe treffen".

Hauptgeschädigter eines Ausfalls der Spiele wäre China, das für seine Staatsspiele mindestens 30 Milliarden Dollar und sein ganzes Prestige investiert hat.

IOC käme mit blauem Auge davon 

Rechtlich gesehen ist BOCOG mit einem Ausrichtervertrag an das IOC gebunden. Auch hier könnte nur durch ein Gerichtsverfahren geklärt werden, welche Rechte und Pflichten durch eine Absage der Spiele verletzt worden wären.

Das IOC selbst käme bei einem Olympia-Gau mit einem blauen Auge davon. Ihm stehen acht Prozent oder 360 Millionen Dollar der Gesamteinnahmen von 4,5 Milliarden zu.

Zusammen mit dem bereits kassierten Turin-Anteil und den Rücklagen könnte das IOC seine Haushalte der Jahre 2005 bis 2008 ausgeglichen gestalten.

Entwicklungshilfeprogramm käme zum Erliegen 

Vergeblich hatte die IOC-Führung versucht, den Ausfall einer Olympiade durch eine Risikoversicherung abzudecken. Die Prämie wäre unbezahlbar gewesen. Als Absicherung für eine Vier-Jahres-Periode füllten die Olympier ihre Sparkasse ständig nach, Ende 2006 betrugen die Rücklagen 319 Millionen Dollar.

Neben den Athleten würden deren Internationalen Verbände zu den größten Verlierern einer Olympia-Streichung zählen. Die 28 an den Sommerspielen beteiligten Organisationen erhielten für ihren Einsatz 2004 bei den Athen-Spielen 254 Millionen Dollar. Für die Mehrzahl der Verbände ist diese Zahlung überlebenswichtig.

Auch bei den Nationalen Olympischen Komitees (NOK), die vor vier Jahren vom IOC mit 210 Millionen Dollar bedacht wurden, würden Vertreter der armen und ärmsten Länder besonders schwer getroffen werden. Das Entwicklungshilfeprogramm "Olympische Solidarität" würde zum Erliegen kommen.