Zwischen Ali und Drogba

SID
Tsonga, Tennis, Frankreich
© DPA

Melbourne - Den Spitznamen "Muhammad Ali" verdankt Jo-Wilfried Tsonga nicht etwa seinen kraftvollen Vorhandschlägen oder seinem knallharten Aufschlag.

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Vielmehr erinnert der Überraschungsgast im Halbfinale der Australian Open vom Aussehen her viele an den größten Boxer der Geschichte in dessen jungen Jahren.

Und nun ist der 22 Jahre alte Franzose auf dem besten Weg, zu einem Schwergewicht der Tennis-Szene aufzusteigen. Im Halbfinale fertigte er den Weltranglisten-Zweiten Rafael Nadal aus Spanien mit 6:2, 6:3 und 6:2 ab.

"Er hat zwei Arme und zwei Beine, genau wie ich. Mal sehen, was auf dem Court passiert", hatte Tsonga schon vor dem Match keine Furcht gezeigt.. Der Weltranglisten-38. hat sich in die Herzen der Fans gespielt - vor Nadal schon mit seinen überraschenden Erfolgen gegen den an Nummer neun gesetzten Andy Murray (in Runde eins), seinen an Position acht eingestuften Kumpel Richard Gasquet (im Achtelfinale) und gegen den Russen Michail Juschni (im Viertelfinale) - ebenso wie mit der großen Show, die er den Zuschauern stets bietet. 

Folklore des Verrückten

"Bei meinen Matches passiert immer etwas", sagt Tsonga. "Es gibt immer ein bisschen Folklore." Am Tag vor dem Match gegen Nadal saß er entspannt und gut gelaunt im Garten des "Media Restaurant" - um ihn herum eine Traube französischer Reporter.

Diese verrieten Tsonga, dass sie im Pressezentrum immer wieder gefragt würden, wer denn dieser verrückte Typ sei. "Ist doch normal, dass mich keiner kennt", sagt Tsonga. "Ich bin jetzt hier die Überraschung wie vor zwei Jahren Marcos Baghdatis." Der Zyprer schaffte 2006 sensationell sogar den Einzug ins Finale, wurde dann aber von Roger Federer gestoppt.

Service wie Andy Roddick

Tsonga galt früh als vielversprechendes Talent, wurde aber immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen. Als Junior stand der Sohn einer französischen Mutter und eines Vaters aus dem Kongo 2003 auf Platz zwei der Rangliste und kletterte 2004 auf der Herren-Tour von Rang 395 auf 163.

Beim Turnier in Paris-Bercy beeindruckte er vor allem mit seinen Aufschlägen. Auf seiner Internetseite ist dazu vermerkt: "Jo konkurrierte auch mit Andy Roddick und servierte mit 232 Stundenkilometern - einer weniger als der Amerikaner."

Viele Verletzungen

Doch ein Bandscheibenvorfall zwang den 1,88 Meter großen und 90 Kilogramm schweren Athleten aus Le Mans anschließend zu fünf Monaten Pause. Später kamen Schulterprobleme und eine Bauchmuskelverletzung hinzu.

Erst 2007 bewegte er sich beschwerdefrei über den Platz und machte erstmals mit dem Achtelfinal-Einzug in Wimbledon und seinem ersten Halbfinale auf der ATP-Tour in Lyon auf sich aufmerksam. Im Ranking stieg er um mehr als 170 Plätze. In der neuen Weltrangliste wird er sich bereits in den Top 30 wiederfinden.

Ein Typ wie Drogba

Tsonga lebt seine Emotionen auf dem Platz aus wie kaum ein anderer. Nach dem Sieg gegen Gasquet verzückte er die begeisterten Zuschauer mit einem kleinen Tänzchen und deutete dabei mit den Daumen auf seinen Rücken - wie ein Fußballer nach dem Torerfolg. "Ich wollte weinen, ich wollte lachen, ich wollte alles", sagte er nach dem Sieg gegen Juschni.

Dass er den Erfolg vor allem hartnäckiger Arbeit verdankt, weiß der 22-Jährige genau. "Ich bin eben kein Ronaldinho", sagt er. "Ich bin eher ein Typ wie Didier Drogba. Ich habe nicht so viel Talent, aber ich habe die Power und den Willen." Nun wartet der Sieger der Partie zwischen Roger Federer und Novak Djokovic auf ihn. Und vielleicht der ganz große Triumph.

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