Mit Magie gegen das Monster

Von Richard Rother
Tennis, Australian Open, Tsonga, Djokovic
© Getty

München - Den Schalk im Nacken, den Didier Drogba des Tennis vor der Nase und den ersten Grand-Slam-Titel vor Augen. 

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Ohne Satzverlust ist Novak Djokovic ins Finale der Australian Open (So., ab 9.30 im LIVE-SCORE) marschiert, daran konnte auch Roger Federer nichts ändern. Falls sich der Serbe nun auch im Endspiel gegen den ungesetzten Jo-Wilfried Tsonga durchsetzt, ist er gut gerüstet: Denn seine Siegerpose ist schon vorprogrammiert.

Djokovic wird apathisch in die Menge starren und zum Handshake mit dem Franzosen in Richtung Netz traben. Dann wird er sich umdrehen. In afrikanischen Rhythmen wird er durch die Rod-Laver-Arena springen, die Arme hochreißen, mit beiden Daumen auf sich zeigen und schelmisch grinsen.

"Es war Magie"

Das nämlich ist die Jubelpose von Tsonga. Und Djokovic liebt es, die Konkurrenz zu parodieren. Ob Ivanisevic, Hewitt, Roddick, Scharapowa oder Rafael Nadal, die halbe Tennis-Welt musste schon herhalten. (Hier geht's zum Video)

Nun soll also Tsonga an der Reihe sein, doch der taugt derzeit eigentlich nicht zur Witzfigur. Der 22-Jährige sorgte im Laufe des Turniers für reihenweise Sensationen, warf Geheimfavorit Andy Murray raus, fegte Michail Juschni vom Platz und lieferte beim Erfolg gegen Nadal eine Gala-Vorstellung ab. 

"Das war Magie. Ich habe den Ball riesig groß gesehen und kaum Fehler gemacht. Ich habe mich unantastbar gefühlt", sagte Tsonga nach dem Sieg gegen die Nummer zwei der Welt.

72 Stunden Zeit zum Nachdenken

Doch kann Tsonga nun auch im Finale gegen Djokovic bestehen? "Ich glaube, dass ich die Leistung hier noch einmal zeigen kann", so Tsonga."Ich denke, dass er ins Grübeln kommen wird, wenn er realisiert, dass er im Finale eines Grand-Slams steht", entgegnet Toni Nadal, Coach und Onkel von Rafael. 

Knapp 72 Stunden hat Tsonga zum Nachdenken. Zeit, in der der Sohn eines kongolesischen Chemielehrers und einer Französin ein wenig trainierte und Djokovic bei dessen Demonstration gegen Federer beobachtete.

"Wie auch immer mein Gegner heißt, er hat auch bloß zwei Arme und Beine - wie ich", zeigt sich Tsonga allerdings unbeeindruckt von der Djokovic-Gala. Um Hoffnung und Mut zu tanken zieht er gerne den Vergleich zu Fußballer Didier Drogba: "Ich habe nicht so viel Talent, aber dafür Power und Willen - genau wie Drogba."

Erstes Duell

Djokovic gilt hingegen als großes Talent, das langfristig auch Roger Federer gefährlich werden kann. Der entthronte Schweizer weiß das und resümierte deshalb nach der Halbfinal-Niederlage mit Tränen in den Augen: "Ich habe das Gefühl, dass ich da ein Monster geschaffen habe, das jedes Turnier gewinnen will."

Viele hatten das 15. Aufeinandertreffen der Dominatoren Federer und Nadal prognostiziert. Doch die beiden Youngster machten ihnen einen dicken Strich durch die Rechnung.

Anstatt des gewohnten Finals stehen sich nun Djokovic und Tsonga zum ersten Mal überhaupt gegenüber und reihen sich ein in die lange Liste der Überraschungsfinalisten von Melbourne. Neben Rainer Schüttler war in den letzten Jahren Arnaud Clement, Marcos Baghdatis oder Thomas Johansson der Einzug ins Endspiel gelungen.

Klarer Favorit ist nun sicherlich der Weltranglistendritte Djokovic. Doch wer weiß: Vielleicht erwischt Tsonga ihn auf dem falschen Fuß. Oder er schlägt ihn mit dessen eigenen Mitteln, tippt den Ball dreißig Mal vor jedem Aufschlag auf und zermürbt ihn mit einer gelungenen Djokovic-Parodie.