Olympia bringt keine politischen Fortschritte

SID

Peking - China steht vor einem schwierigen Jahr. Mit den Olympischen Spielen im Sommer nimmt die Welt das Reich der Mitte noch stärker als bisher unter die Lupe.

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Anfängliche Hoffnungen, dass der olympische Geist auch politische Veränderungen in China auslösen würde, sind bislang enttäuscht worden. Diplomaten und ausländische Menschenrechtsorganisationen stellen vielmehr eine Verschärfung der Verfolgung fest, da die Staatssicherheitsorgane gerade wegen der Sommerspiele umso härter durchgreifen, weil sie soziale Stabilität sicherstellen wollen. Kritiker beklagen einen "eisigen Wind für die Meinungsfreiheit".

Das Vorgehen der chinesischen Behörden kollidiert zwangsläufig mit der Absicht ausländischer Organisationen, die Spiele zu nutzen, um die Menschenrechte in China, die Situation von Minderheiten wie Tibeter und Uiguren, den Kampf gegen die massive Anwendung der Todesstrafe oder die Meinungsfreiheit voranzubringen.

Verbruggen zuversichtlich

Wie Chinas kommunistische Machthaber im Olympia-Jahr auf Proteste, Demonstrationen oder andere Herausforderungen reagieren werden, kann leicht eine eigene und schwer berechenbare Dynamik entwickeln.

Das IOC spürt schon heute, dass Peking nicht Athen oder Sydney ist. Zweckoptimismus ist im Spiel, wenn sich der Chef der Koordinierungskommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Hein Verbruggen, betont zuversichtlich gibt, dass die politischen Kontroversen die Spiele "ganz bestimmt nicht überschatten werden". "Es ist ganz normal, dass es Diskussionen gibt", sagte Verbruggen. Viele Organisationen nutzten eben die Olympischen Spiele "als Plattform" für ihre Anliegen.

Politisierung der Spiele?

Konfliktthemen gibt es genug. China geriet ins Schussfeld der Kritik, das befreundete Regime im Sudan aus Rücksicht auf seine Ölinteressen nicht genug gedrängt zu haben, die Flüchtlingstragödie in Darfur zu beenden. Aufrufe zum Olympia-Boykott gab es auch, weil die mit Peking befreundeten Machthaber in Birma mit Gewalt gegen friedliche Mönche und andere Demonstranten vorgingen.

Vergeblich wehrt sich Peking immer wieder dagegen, "die Olympischen Spiele zu politisieren". Die Politisierung beginnt aber schon vor der eigenen Haustür, wo die kommunistische Führung ihr volles Gewicht in die Waagschale wirft, um die Spiele für ihre Propaganda zu nutzen.

100 Millionen Chinesen unter Armutsgrenze

Der von Kritikern gelegentlich vorgebrachte Vergleich mit den Berliner Spielen 1936 im Hitler-Deutschland hinkt gewaltig. Aber es besteht kein Zweifel, dass die Pekinger Führung mit Olympia an Legitimität gewinnen und das Volk hinter sich einen will. Obwohl immer noch 100 Millionen Chinesen unterhalb der Armutsgrenze leben, werden keine Ausgaben gescheut, großartige Wettkampfstätten und die nötige Infrastruktur aufzubauen.

Da der ganze Staat involviert ist, weiß niemand mehr, wie viele Milliarden ausgegeben werden. Obwohl die große Mehrheit der Chinesen hinter Olympia steht, wird aus Angst vor Unmut im Volk offiziell lieber nicht über die Kosten gesprochen.

Reise- und Interviewfreiheit für Journalisten

Auf Drängen des IOCs wurde ausländischen Journalisten in China erstmals Reise- und Interviewfreiheit gewährt. Dennoch wurden seit Jahresanfang nach Angaben von "Reporter ohne Grenzen" mehr als 30 Korrespondenten aufgegriffen und an ihrer Arbeit gehindert. Für die chinesischen Journalisten hat sich ohnehin nichts geändert. 33 von ihnen sitzen in Haft.

Die Sorge um Stabilität hat die Zensur nur noch verschärft. Immer mehr Webseiten oder Internetforen sind geblockt. Kritiker beklagen "Verachtung gegenüber dem Geist der Freiheit, für den das Internet steht".

"Die zögerliche Haltung des IOCs, Chinas Regierung wegen der Verletzung der Pressefreiheit herauszufordern, steht im Widerspruch zur Verpflichtung in der Olympischen Charta zu "ethischen Grundsätzen" und "der Wahrung der Menschenwürde"", bemängelte Anne Richardson von "Human Rights Watch" für Asien.