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Mailbag nach Week 15: Müssen wir uns um die Chiefs Sorgen machen?

SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet eure Fragen nach Woche 15 in der NFL.
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Die Ziellinie der Regular Season ist in Reichweite, das Playoff-Bild wird klarer - und bei manchen Teams auch die Fragezeichen. Etwa bei den Chiefs, die gegen Denver und jetzt auch gegen Houston Probleme hatten. SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet eure Fragen nach Woche 15.

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Auch mit dabei: Wie ernst steht es um die Dallas Cowboys, nach der Beinahe-Pleite gegen Houston und der Niederlage in Jacksonville?

Und was sollten die Baltimore Ravens ändern, um perspektivisch wieder ein echter Titelkandidat zu werden?

Los geht diese Ausgabe des Mailbags allerdings mit den Kansas City Chiefs.

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NFL Mailbag: Müssen wir uns um die Chiefs Sorgen machen?

Alexander Häni, Kai Esser, Macointoss: Die Chiefs hatten jetzt zwei Wochen in Folge erhebliche Probleme gegen schwache Teams. Muss man sich etwas Sorgen, insbesondere um Defense und Special Team, machen?

Einerseits ist mein erster Instinkt in diesen Szenarien immer, auf eine Overreaction aufzupassen. Die Chiefs spielten Denver an die Wand - und wurden dann sloppy. Egal, was im Nachgang eines solchen Spiels gesagt wird, das war das prototypische Beispiel für eine Partie, in der der Favorit früh scheinbar kurzen Prozess macht und dann etwas überheblich wird.

Gegen die Texans hatte ich zwischenzeitlich den Eindruck, dass Houston die Chiefs fast ein wenig mit der eigenen Physis überraschte, insbesondere auf der defensiven Seite des Balls, und mitunter am Rande der Legalität. Houston spielte hart und verteilte noch härtere Hits und Tacklings.

Allerdings kommt man auch hier zum Faktor des Leichtsinns zurück. Der Fumble von Pacheco tief in der eigenen Hälfte führte zu einem schnellen Texans-Touchdown, der von den Refs so gewertete Fumble von JuJu Smith-Schuster beendete einen vielversprechenden Chiefs-Drive und gab den Texans nach zusätzlicher Strafe erneut kurzes Feld. Houston bedankte sich abermals per Touchdown.

Das erinnerte definitiv an die Vorwoche, als die Texans auch gegen Dallas die Fehler und Turnover der Cowboys sehr konsequent bestraften und in Zählbares verwandelten. Und das soll nicht heißen, dass man die Auftritte der Chiefs - oder der Cowboys - einfach durchwinkt, es soll nur Kontext geben, wie es dazu kommen konnte, dass diese Spiele so eng waren.

In diesem Fall noch konkreter formuliert: Wie ein Spiel, in dem Patrick Mahomes 41 Pässe wirft und davon nur fünf (!) nicht anbringt, und die Chiefs für 189 Yards bei knapp sechs Yards pro Run laufen, gegen das schlechteste Team in der NFL, eng werden kann. Und da sind - mehr und weniger kuriose - Turnover meist ein Knackpunkt.

Deshalb ist die Sorge bezüglich der Chiefs bei mir auch noch sehr überschaubar. Die Texans hatten einen eindrucksvollen Drive, der 11-Play-80-Yard-Touchdown-Drive früh im Spiel. Und sicher, idealerweise will man als Defense gegen diese Offense einen solchen Drive generell nicht zulassen. Aber davon abgesehen haben die Texans zweimal mit kurzem Feld gepunktet und hatten einen Field-Goal-Drive.

Nochmal: Das ist nicht unbedingt das, was man von einem Contender sehen will. Aber es war auch nicht so verheerend, wie der Zwischenstand und die Tatsache, dass dieses Spiel in Overtime ging, nahelegt. Mit Mahomes und der Offense hat Kansas City ohnehin immer eine Chance, ich kam aber, je mehr ich mich mit diesem Spiel beschäftigt habe, zu meiner Ausgangsthese zurück: Ich denke nicht, dass uns dieses Spiel viel bezüglich der Playoff-Prognose der Chiefs verrät.

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NFL Mailbag: Wie geht es weiter bei den Colts?

Adrian: Wie gehen die Colts die Quarterback-Situation in der Offseason an? Ryan wird ja wohl kaum nächstes Jahr der Starter sein, zumindest nicht unangefochten. Versucht man nochmal einen Veteran zu bekommen oder geht man jetzt auf den Draft und tradet sogar mit vielen Ressourcen hoch?

Das Debakel gegen die Vikings war vielleicht der letzte klare Hinweis für Jim Irsay dahingehend, dass es hier einen kompletten Neustart braucht.

Jeff Saturday war immer eine - bestenfalls - kuriose Interimslösung, und nach allem, was wir bisher gesehen haben, ist denke ich relativ offensichtlich, dass er nicht nur noch kein Head-Coach-Kandidat sein sollte, sondern dass er auch dem Team keinen neuen Spirit, kein neues Selbstverständnis eingeimpft hat. Wenn das Team zumindest das unter Saturday bekommen hätte, hätte es nicht eine 33:0-Führung gegen Minnesota noch abgegeben.

Gleichzeitig ist das selbstredend auch ein Thema der sportlichen Qualität, und hier kommen wir dann auf die andere Ebene in Indianapolis. Ich habe schon mehrfach über Chris Ballard geschrieben, sowie über dessen Defizite was das Roster-Building angeht. Dass sein Stempel auf dieser Franchise der eines mittelmäßigen Teams ist, das es nie geschafft hat, nachhaltig eine Stufe höher zu klettern.

Und das hängt wiederum unweigerlich auch mit der in Frage aufgebrachten Thematik zusammen, und damit, dass die Colts sich seit dem Rücktritt von Andrew Luck auf der Quarterback-Position von Übergangslösung zu Übergangslösung hangeln, und dabei zuletzt mehrfach klar daneben gehauen haben. Man wollte auf Sicherheit, auf das Vertraute setzen, und blendete dabei aus, wo der jeweilige Quarterback in seiner Karriere gerade stand, oder warum er überhaupt verfügbar war.

Dass ein neuer Head Coach her muss, sollte außer Frage stehen. Ich denke, dass auch ein neuer GM kommen muss, um einen anderen Ansatz im Roster-Building mitzubringen. Und dass auch ein neuer Ansatz auf der Quarterback-Position umgesetzt werden muss. Allein aufgrund der eigenen Erfahrungen der letzten Jahre würde es mich hier ernsthaft wundern, sollte Indianapolis nochmal den Weg mit dem Veteran-Starter wählen.

Vielleicht ist es 2023 die Übergangslösung, vielleicht heißt die sogar Matt Ryan - je nachdem, welche Optionen sich im Draft ergeben. Die Colts sind nicht einen Rookie-Quarterback davon entfernt, um einen Titel mitzuspielen, insofern könnte der Quarterback dann auch erst 2024 folgen. Aber die generelle Strategie auf der Position sollte in Indianapolis ganz klar Richtung Draft gehen, wenngleich diese Saison eindeutig untermauert hat, dass das Jim Irsays Show ist - Ausgang entsprechend offen.

Ryan würde 2023 in das letzte Jahr seines Vertrags gehen, mit einem Cap Hit in Höhe von 35,2 Millionen Dollar. Eine Entlassung würde die Colts mit einem Dead Cap in Höhe von 18 Millionen zurücklassen - umgekehrt würden die Colts so aber eben auch 17 Millionen Dollar gegen den Cap sparen. Indianapolis hat hier alle Optionen und kann in alle Richtungen gehen.

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NFL Mailbag: Müssen die Ravens jetzt dramatisch umdenken?

Niki, Felix: Was würdest du als Verantwortlicher bei den Ravens ändern? Wie sollten die Ravens in die neue Saison gehen?

Das könnte eine der spannendsten Offseasons im Frühjahr werden, denn ich will nicht ausschließen, dass Baltimore einen gravierenden Umbruch angeht, was die offensive Seite des Balls angeht.

Heißt: Ein neuer Offensive Coordinator, ein neuer Quarterback, nachdem man mit Lamar Jackson finanziell nie auf einen grünen Zweig kommen konnte, ein grundlegend neuer Ansatz mit massig Kapital, nachdem man Jackson erst den Franchise Tag gegeben und ihn dann getradet hat.

Das ist nicht meine Prognose. Aber angesichts der Art und Weise, wie sich die Dinge in Baltimore entwickelt haben, und angesichts der Einzigartigkeit der Verhandlungen mit Jackson, der sich selbst vertritt und der sehr klare Vorstellungen zu haben scheint, was für einen Vertrag er haben will, halte ich dieses Szenario für realistisch genug, dass man darüber sprechen sollte.

Wenn es darum geht, was ich selbst machen würde? Ich würde einen Quarterback wie Lamar Jackson inmitten seiner Prime niemals abgeben. Ich denke, dass Baltimore offensiv seine Entwicklung zu sehr verschlafen hat. Man hat zu lange an Greg Roman festgehalten, man hat angesichts der Einzigartigkeit der eigenen Offense im Liga-Vergleich die Receiver-Position zu lange stiefmütterlich behandelt.

Diese Dinge fallen den Ravens nicht erst seit dieser Saison auf die Füße. Wenn dann Jackson ausfällt, sieht man so richtig, wie abhängig die Offense von Jackson ist, und im Umkehrschluss, ist das auch ein klarer Hinweis darauf, wie wenig strukturellen Floor Baltimore Jackson zur Seite stellt.

Hier wäre mein Ansatz. Die Idee, eine Offense aufzubauen, die sich über die Offensive Line und die Tight Ends - und das Run Game - identifiziert, ist grundsätzlich nicht der falsche Weg. Aber man muss in dieses System auch ein Passing Game einbauen, welches einem die Flexibilität gibt, Spiele auf verschiedene Art und Weise zu gewinnen.

In die Struktur des Passing Games zu investieren - das betrifft den Offensive Coordinator, aber auch die Wide-Receiver-Position - und Lamar Jackson langfristig zu binden, so würde ich die Weichen für die Ravens als Franchise stellen.

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NFL Mailbag: Welche Teams sind bald echte Titelanwärter?

Michael Böhm: Welche Teams können mit einer guten Offseason den Sprung zum Contender schaffen?

Nach dem, was wir in den letzten Wochen von ihnen - und von Trevor Lawrence individuell - gesehen haben, fällt es mir schwer, hier nicht die Jacksonville Jaguars zu nennen.

Wir wissen bereits, dass Calvin Ridley hier dazukommen wird - was wenn die Jags im Draft einen weiteren High-End-Receiver-Treffer landen? Was, wenn sie noch einen dominanten Spieler für die Defensive Line finden? Ein Upgrade in der Line vielleicht?

Wir sprechen bei solchen Themen immer von mehreren kleineren Moves, die sitzen müssen. Mit ein, zwei weiteren Impact-Spielern auf Value-Positionen sehe ich Jacksonville zumindest auf klarem Kurs, um ein gefährliches Playoff-Team zu werden - mit weiterem Potenzial nach oben.

Ich würde hier aber auch die Lions ins Rennen werfen. Detroit ist in seiner Entwicklung, was den Kader insgesamt angeht, schon merklich weiter als etwa die Jaguars - abgesehen eben von der Quarterback-Position.

Detroit wird zwei Erstrunden-Picks im kommenden Draft haben, einer davon vermutlich in der Top 5, über die Rams, sowie zwei Zweitrunden-Picks. Die Munition wäre da - auch, um etwa einen Trade einzufädeln, sollte ein Quarterback verfügbar werden, der mehr als nur eine kurzfristige Lösung sein kann.

Was, um mal einen Namen ins Rennen zu werfen, wenn sich die Ravens wirklich dazu entscheiden, Lamar Jackson zu traden? Ich finde es sehr schwer, diese Situation einzuschätzen, aber Detroit wäre ein Team in einer anderen Conference mit massig Draft-Pick-Munition und bereits dem aufgebauten Kader, um mit Jackson ein Titelkandidat zu sein.

Viele Möglichkeiten hier, aber falls es den Lions gelingt, in der kommenden Offseason ein signifikantes Upgrade zu Goff zu finden, können sie 2023 den Sprung zum Contender schaffen.

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NFL Mailbag: Hurts oder Fields - wer wird besser?

Sven: Wenn du die Wahl zwischen Justin Fields und Jalen Hurts hättest - welchen von beiden würdest du als deinen Franchise-Quarterback auswählen?

Eine sehr spannende Frage, nicht zuletzt deshalb, weil wir hier über Dinge wie Ceiling und Potenzial diskutieren müssen. Ich kann mir nämlich immer noch ein Szenario vorstellen, in dem Fields' Upside irgendwann das triumphierende Argument in dieser Diskussion wird.

Gleichzeitig ist das dann schnell eine sehr theoretische Debatte, was natürlich irgendwo auch in der Natur der Frage liegt. Fields ist im Laufe dieser Saison ein absolut spektakulärer Spieler geworden, weil er in erster Linie am Boden Dinge kreieren kann, die so kaum ein anderer Spieler in der NFL machen kann.

Das fällt umso mehr auf, wenn man auf diese Art und Weise einen der schlechtesten offensiven Kader in der NFL auf seine Schultern packt und mitunter die Bears fast im Alleingang kompetitiv macht. Trotzdem ist es hier denke ich wichtig, nicht zu sehr zu überreagieren, weil sich das, was Fields dieses Jahr so spektakulär macht, nur schwer als Basis hernehmen lässt, auf der man jetzt schrittweise aufbauen kann.

Dafür ist es zu viel außerhalb der Struktur, und insgesamt zu viel Fokus auf das Run Game, dass es, um daraus perspektivisch wertvolle Schlussfolgerungen zu ziehen, schon einen offensiven Shift bräuchte; eine schematische Anpassung, welche das Quarterback Run Game als zentrale Komponente einbaut.

Sind die Bears gewillt, diesen Weg zu gehen? Nur weil es dieses Jahr, in einer Saison, in der Chicago offensiv jeden Stein umdrehen muss, um kompetitiv zu sein, ein beliebtes Mittel der Wahl geworden ist, heißt das nicht, dass das auch der übergreifende Plan ist, welchen die Bears künftig weiter verfolgen. Über die ersten Wochen der Saison, bis Chicago nach der Niederlage gegen Washington merklich die Offense umstellte, haben wir denke ich vielmehr die Offense gesehen, die Chicago spielen will.

Jetzt können wir Fields natürlich für dieses Gedankenspiel in eine hypothetische Situation packen, in der man die Offense Lamar-Jackson-like um seine Rushing-Qualitäten herum aufbaut. Aber der Punkt ist: Das kann man mit Jalen Hurts auch - wir sehen es ja in diesem Jahr. Vielleicht nicht so spektakulär wie mit Fields, der als Runner auf der Position schon einmalig ist. Aber überaus effizient, und auf eine Art und Weise, dass es Teil der Kernidentität der Offense ist.

Und dann kommt man an den relevantesten Punkt. Hurts hat in diesem Jahr, in nahezu idealen Umständen, klare Fortschritte als Passer gemacht - Fields ist davon noch ein gutes Stück weit entfernt. Bei Fields sind es einzelne Flashes, aber hier sehe ich ein gewisses Maß an Bedenken nach wie vor als gerechtfertigt.

Fields hat ultimativ mehr Upside, dabei bleibe ich. Noch explosiver als Runner, noch mehr Armtalent. Ich würde für diese Frage mit Hurts gehen, weil seine Upside nicht signifikant darunter liegt, und der Floor bei Hurts schon deutlich höher ist.

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NFL Mailbag: Sind die Cowboys ein echter Contender?

Constantin: Sind die Cowboys wirklich ein Contender?

Ich zähle sie weiterhin in der NFC in das Top-Trio, gemeinsam mit den Eagles und den 49ers, und in diesem Kontext sind sie auch in der Lage, ins NFC Championship Game zu kommen - und dann kann ein Spiel eben auch gewonnen werden.

Das Spiel gegen die Eagles am kommenden Spieltag wird einen weiteren wichtigen Datenpunkt für die Einordnung der Kräfteverhältnisse zum Start der Playoffs liefern. Ohne Jalen Hurts müssen wir das selbstredend mit Vorsicht angehen, aber zumindest mit Blick auf die Cowboys-Offense wird das Spiel uns schlauer machen.

Gut möglich, dass es in den Playoffs am Ende auf ein Gastspiel in Tampa Bay in der Wildcard-Runde hinausläuft, mit potenziell dann schon dem Trip nach Philly in der Divisional-Runde, sofern Minnesota und San Francisco ihre Aufgaben in der ersten Runde erledigen.

Und ich verstehe jeden, der die Cowboys nach den jüngsten Auftritten gegen Houston und am vergangenen Sonntag in Jacksonville aus dem Kreis der Titelanwärter rauswirft. Gleichzeitig sage ich aber auch, dass das in mein Gesamtbild der Cowboys und insbesondere dieser Offense passt.

Es ist eine Offense, die seit Jahren immer wieder inkonstant agiert und der Ausfall von Right Tackle Terence Steele macht die Sache nicht leichter. Eine Offense, die über zwei Spiele wie eine Top-3-Offense aufspielt, nur um dann in ein Loch zu fallen. Die sich kostbare Drops und Turnover in der einen Woche leistet, um danach ein nahezu fehlerfreies Spiel abzuliefern. Und eine Defense, die in der Secondary außerhalb von Trevon Diggs sehr verwundbar aussieht.

Das ist der kritische Punkt hier für mich: Dallas ist in der Lage, diese kompletten Spiele abzuliefern. Wenn Prescott fehlerfrei spielt, wenn das Run Game funktioniert, wenn die Defensive Line dominiert. Diese Spiele sind keine theoretische Prognose, wir haben sie von Dallas schon gesehen - mehrfach, auch dieses Jahr. Nie eindrucksvoller als beim Sieg gegen Minnesota.

Und weil die Cowboys zu diesen Spielen in der Lage sind, können sie auch in den Playoffs einen Run hinlegen - wenn sie eben zur richtigen Zeit heißlaufen. Ich würde das nicht prognostizieren, und ich denke, dass die Eagles letztlich das Maß aller Dinge in der NFC sein werden. Aber ausschließen würde ich es auf keinen Fall.

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