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NBA Playoffs - Historisches Comeback: Könnten die Celtics gegen die Heat Geschichte schreiben?

Von Stefan Petri
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Die Boston Celtics haben nach dem ersten Sieg in der Playoff-Serie über die Miami Heat wieder Hoffnung geschöpft. Könnten Jayson Tatum und Co. als erstes Team überhaupt einen 0-3-Rückstand drehen und NBA-Geschichte schreiben? Ein paar Dinge sprechen tatsächlich dafür - aber überbewerten sollte man den Erfolg auch nicht.

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Wenn es NBA-Spielern an einer Währung ganz bestimmt nicht mangelt, dann ist das Selbstbewusstsein. Der unerschütterliche Glaube an die eigene Stärke und die des eigenen Teams, auch im Angesicht scheinbar unüberwindbarer Hindernisse. Das reicht vom Buzzer-Beater über den Game-Winner bis zum Erreichen der Playoffs und schließlich bis zu ultimativen Ziel, dem Titel.

So schnell wird man also keinen Star finden, der mit einem "Das war's!" oder "Keine Chance, das Ding ist gelaufen!" an die Öffentlichkeit geht, wenn zumindest mathematisch noch alles möglich ist - der bekäme von Fans, Mitspielern und Coaches auch prompt was gehustet. Selbst bei einem 0-3-Rückstand in einer Playoff-Serie, denn ein solcher Rückstand wurde in mittlerweile 150 Versuchen noch nie in der Geschichte der NBA in ein 4-3 und einen Sieg in der Serie umgedreht.

Und so stellte sich Kobe Bryant in den Playoffs 2011 hin - seine Lakers hatten gerade auch das dritte Spiel der Serie gegen die Mavericks verloren - und erklärte im Brustton der Überzeugung: "Vielleicht bin ich bekloppt oder so, aber ich glaube immer noch daran, dass wir die Serie gewinnen." Und so ließ auch Celtics-Guard Marcus Smart am Dienstag beim Shootaround vor Spiel 4 gegen die Heat einen Satz verlauten, der fast schon wie eine versteckte Drohung klang: "Lasst uns bloß kein Spiel gewinnen."

Was hinter der Fassade der unerschütterlichen Überzeugung steckt, zeigt sich dann auf dem Parkett: Die Lakers verloren damals Spiel 4 gegen die Mavs mit 86:122, blamierten sich bis auf die Knochen und beendeten die Coaching-Karriere von Phil Jackson. Die Mavs holten bekanntlich wenig später den Titel.

Die Celtics haben ein derartiges Schicksal vermieden: 116:99 hieß es am Ende in Spiel 4, ein überzeugender Erfolg in fremder Halle. Da ist er, der eine Sieg.

Und nun?

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Celtics vs. Heat: Was Boston Hoffnung machen sollte

Zumindest hat Boston die Schmach eines Sweeps vermieden, es wäre erst der fünfte in stolzen 103 Playoff-Serien gewesen. Das Team hat sich in einer Situation, in der es historisch gesehen eigentlich schon keine Chance mehr auf ein Weiterkommen gibt, nicht hängenlassen - ganz im Gegensatz zum Desaster in Spiel 3 - und gezeigt, dass es ja doch gehen kann gegen dieses so unangenehm zu spielende Heat-Team. Dass man auch mal hinten konzentriert verteidigen und vorne ein paar Dreier treffen kann.

"Heute haben wir mit Tempo und Sinn hinter unseren Aktionen gespielt", bilanzierte Jayson Tatum, mit 33 Punkten Top-Scorer. Andere Teams seien in einer solchen Situation auch schon kollabiert, sagte Jaylen Brown, der Spiel 3 offensichtlich verdrängt hatte. Boston aber nicht: "Das zeigt in meinen Augen unseren Charakter, gerade wenn es um alles geht und in den letzten Spielen alles schiefgelaufen ist." So sah es auch Head Coach Joe Mazzulla: "Ganz unabhängig vom Ergebnis haben die Jungs einfach zusammengehalten."

Es waren immer noch Durchhalteparolen dabei, die von den Celtics-Stars bemüht wurden. "Jetzt müssen wir einfach noch ein Spiel gewinnen", betonte Smart: "Nur das zählt. Wir denken von Spiel zu Spiel." Aber immerhin gibt es jetzt endlich handfesten Grund zum Optimismus.

Das 0-4 wurde schließlich verhindert. Und wo zuvor 150 erfolglose Versuche zu Protokoll gestanden hatten, wurden Serien mit 1-3-Zwischenstand durchaus schon gedreht. Schon 13-mal, um genau zu sein. Zuletzt zweimal vor drei Jahren, beide Male von den Denver Nuggets. Das fühlt sich dann doch schon gar nicht mehr so unmöglich an!

Celtics vs. Heat: Die Serie im Überblick

SpielDatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
118. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat116:123
220. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat105:111
322. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics128:102
424. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics99:116
5*26. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat
6*28. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics
7*30. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat

*falls benötigt

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Celtics vs. Heat: Irgendwann wird eine 0-3-Playoff-Serie gewonnen

Insofern kann man mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass den Celtics die gleichen Gedanken durch den Kopf schwirren, die auch bei den Fans der traditionsreichen Franchise vorherrschend sein dürften: "Da ist noch nichts verloren! Einfach auf diese Performance aufbauen, das Heimspiel im TD Garden gewinnen - und dann erst mal sehen, wie die Heat damit klarkommen. Wir haben nichts mehr zu verlieren, können nur noch in positiver Hinsicht Geschichte schreiben. Die Heat hätten aber plötzlich ganz massiven Druck."

So ganz "von Spiel zu Spiel" denken die Celtics dann eben doch nicht. "Wir wollen nach Miami zurückkommen", hatte etwa Brown schon das mögliche Spiel 6 im Hinterkopf.

In der Tat wäre es ja zumindest möglich, dass dieser erste Erfolg für Boston der berüchtigte Dosenöffner war, dass jetzt alles anders wird. Zumal die Celtics immer noch das talentiertere Team sind, das hat sich auch durch die drei Pleiten nicht geändert.

Dazu kommt: Ein 0-3 zu drehen, ist nicht unmöglich. In der MLB und NHL hat es das schon mehrfach gegeben, wenn auch natürlich unter anderen Vorzeichen. Aber früher oder später wird das auch in der NBA eintreten. Die Chancen darauf steigen sogar, wie man hier schön nachlesen kann: Weil Verletzungen in den Playoffs zunehmen. Weil durch die stetig ansteigende Quote der genommenen Dreier alles etwas unvorhersehbarer wird. Weil die Celtics nur noch ein weiteres Auswärtsspiel gewinnen müssten - das Heimteam gewinnt ein Spiel 7 historisch gesehen übrigens in über 76 Prozent aller Fälle.

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Celtics vs. Heat: Die Vorzeichen haben sich nicht geändert

Hoffnung ist also durchaus erlaubt bei den Celts. Auf der anderen Seite sollte man aber auch nicht verkennen, das Spiel 4 eben nicht gewonnen wurde, weil Mazzulla plötzlich einen Geistesblitz hatte, was die Starting Five angeht, wie noch gegen Philly gesehen. Oder Boston endlich ein Mittel gegen die Zonenverteidigung Miamis in die Hände gefallen ist. Oder die Celtics ihrerseits die zündende Idee hatten, um Jimmy Butler und Co. von nun an kaltzustellen.

Das war nämlich nicht der Fall. Nicht umsonst führten die Heat zur Halbzeitpause mit 6 Punkten. Sprich: Die Vorzeichen haben sich nicht geändert. Vielmehr fielen endlich die Dreier von wichtigen Rollenspielern wie Al Horford (3/6), Grant Williams (4/6) oder Derrick White (3/7), während Miami umgekehrt kaum etwas traf (8/32). Dazu spielten die Celtics zugegebenermaßen bessere, weil konzentriertere, Defense, und die Heat leisteten sich ihrerseits uncharakteristische Fehler.

Ob sich das noch drei weitere Male in Folge so umsetzen lässt? Natürlich könnte bei Tatum nach seinem ersten verwandelten Wurf im vierten Viertel in dieser Serie (!) der Knoten geplatzt sein. Vielleicht wacht auch Jaylon Brown endlich auf, oder Sixth Man Malcolm Brogdon. Die Liste könnte man beliebig weiter fortführen. Aber wirklich gekippt ist nach diesem Spiel - noch - nichts.

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Celtics vs. Heat: Keine Panik bei Miami

Das dürfte auch ein Grund dafür sein, dass in South Beach noch kleine Alarmglocken klingeln. "Kein Zweifel, heute hatten sie den Sieg verdient", gab Head Coach Erik Spoelstra zu. Aber die zunächst befürchtete Knöchelverletzung von Point Guard Gabe Vincent ist offenbar ausgeblieben, die Heat haben immer noch Matchball. Die Heimschwäche der Celtics ist bekannt.

Und mit Schwierigkeiten kennen sich die Protagonisten von Miami aus. "Wir kriegen normalerweise nichts geschenkt, das wissen alle", sagte etwa Caleb Martin. "Insofern ist das genau unsere Kragenweite. Das wird uns langfristig nur guttun."

Butler sah es ähnlich: "Wenn, dann wird uns das den Schwung geben, mit noch viel mehr Power zu spielen", zeigte er sich gelassen. "Wir waren die ganze Saison über besser, wenn wir uns Dinge hart erarbeiten mussten."

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