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NBA, Memphis Grizzlies: Breite Brust, Zielscheibe auf dem Rücken - aber fehlt ein weiteres Puzzleteil?

Von Ruben Martin
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Die Memphis Grizzlies sind jung, wild und haben enormes Selbstvertrauen. Das Team von Ja Morant zählt zu den besten Teams im Westen und gilt als DAS Team der Zukunft. Dennoch: In der NBA blickt man vereinzelt mit Argwohn auf die Grizzlies, vor allem in der Bay Area.

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"Ich sehe keine Probleme im Westen", tönte Morant kurz vor Weihnachten, als er bereits nach seiner Einschätzung zu den anstehenden Playoffs gefragt wurde. Die Celtics gilt es zu schlagen, erklärte er im Gespräch mit Malika Andrews (ESPN), die nachhakte: "Niemand im Westen?" Morant schüttelte lächelnd den Kopf.

Weihnachten kam, die Warriors gewannen das heiß erwartete Duell gegen die Grizzlies mit 14 Punkten Unterschied und gaben sich auch verbal nicht geschlagen: "Die reden über eine Dynastie und all das. Das kannst du nicht machen, wenn du noch nicht einmal einen Titel gewonnen hast", erwiderte Warriors-Star Klay Thompson anschließend: "Die Menschen wissen gar nicht, wie schwer es ist und was man dafür opfern muss. [...] Das war vorschnelles Gelaber."

Auch die jüngste Chance, sich an den Warriors für das Playoff-Aus im vergangenen Jahr zu rächen, konnten die Grizzlies nicht nutzen. Ende Januar war es deutlich knapper, Jordan Poole sorgte für den Sieg der Dubs in letzter Sekunde, Teil einer fünf Spiele andauernden Pleitenserie der Grizzlies - ausschließlich gegen West-Konkurrenten. Anschließend war von Seiten der Grizzlies nicht so viel zu hören wie sonst. Vielleicht ein Hauch von Reue? Mit ihrem Trash Talk haben Morant, Dillon Brooks und Co. sich sicherlich nicht nur in der Bay Area Feinde gemacht.

Grizzlies: Großer Erfolg im kleinen Markt

Andererseits scheint dem jungen Team das Selbstbewusstsein selten zu schaden, schließlich feierten die Grizzlies zwischen den beiden Aufeinandertreffen mit den Warriors die längste Siegesserie ihrer Geschichte (11). Memphis ist von einem Überraschungsteam der Bubble zu einem Contender im Westen geworden.

Und das, obwohl bei Memphis' Verpflichtungen in der Free Agency in den letzten Jahren keineswegs ein spektakulärer Coup vorzufinden ist. Stattdessen landeten die Grizzlies einen Volltreffer im Draft 2020, als sie Desmond Bane via Trade mit den Boston Celtics nach Memphis brachten. Auch wichtige Rollenspieler wie Ziaire Williams, Brandon Clarke, John Konchar, Xavier Tillman und Santi Aldama haben ihre Karriere bei den Grizzlies begonnen.

Bane, ein athletischer Scharfschütze, machte schon als Rookie einen guten Eindruck, in seiner zweiten Saison machte er einen riesigen Sprung und mittlerweile spielt er sogar auf Niveau eines All-Stars. Gemeinsam mit Morant und JJJ bildet er eins der stärksten Trios der Liga - und doch hat Memphis sogar noch deutlich mehr zu bieten. Was macht die Grizzlies so stark?

Desmond Bane: Seine Statistiken von Saison zu Saison

SaisonSpieleMinutenFG%3P%FT%ReboundsStealsAssistsPunkte
2020/216822,346,943,281,63,10,61,79,2
21/227629,846,143,690,34,41,22,718,2
22/232430,845,343,389,85,00,84,021,8
Die Memphis Grizzlies haben in den vergangenen Playoffs die Minnesota Timberwolves geschlagen.
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Memphis Grizzlies: Mit Jackson Jr. die beste Defense der NBA

Die größte Stärke der Grizzlies ist aktuell die Defense - was sie zuletzt gegen die Cavs mal wieder unter Beweis stellten. In einem der wenigen wirklich knappen Spiele der Siegesserie nahm Darius Garland die letzten drei Würfe seines Teams und hätte mit einem Treffer wohl den Sieg gesichert. Doch die Edelverteidiger der Grizzlies hatten andere Pläne, erst blockte Jaren Jackson Jr. einen Floater, beim potenziellen Gamewinner war Brooks an seinem Gegenspieler dran wie Kaugummi und blockte den Wurf, der Jubel in Grind City war ekstatisch.

"Wir haben zwei Spieler im Rennen um dem Defensive Player of the Year", bejubelte Ja Morant anschließend seine Teamkollegen. Für einen Flügelspieler wie Brooks ist es in der heutigen NBA sehr schwierig, den Titel zu gewinnen, doch Jackson Jr. sammelt seit seinem verspäteten Saisonstart tatsächlich jede Menge Argumente.

Der Big Man steht seit dem 15. November wieder auf dem Parkett, seither stellen die Grizzlies die beste Defense der Liga mit einem Rating von 109,1 laut Cleaning the Glass. Das bedeutet über 100 Ballbesitze fast zwei zugelassene Punkte weniger als der zweite Rang (Miami) und fünf Punkte weniger als die zehntbeste Defense (Golden State).

Mit Jackson Jr. auf dem Feld lassen die Grizzlies bei 100 Ballbesitzen ganze 6,1 Punkte weniger zu als mit ihm, mit diesem Wert gehört er zu den besten sechs Prozent aller Big Men in dieser Saison. Der 23-Jährige führt die Liga außerdem mit 3,2 Blocks klar an, er hat den viertbesten Wert bei der Wurfquote gegen ihn als direkten Verteidiger (43,7 Prozent). Wie sieht es auf der anderen Seite aus?

Desmond Bane hat sich in dieser Saison erneut verbessert.
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Memphis Grizzlies: Ist das eine Playoff-Offense?

Mit einem Rating von 116,1 seit dem 15. November liegen die Grizzlies in der Offense knapp außerhalb der Top 10 (Platz 12), über die gesamte Saison gesehen sogar noch etwas besser. Das ist für die reguläre Saison absolut ausreichend, um gemeinsam mit der Defense einen Großteil der Spiele zu gewinnen und um weiter um den Topseed im Westen zu kämpfen.

Mit einem frühen Blick in Richtung der Playoffs gibt es jedoch einige Bereiche, die den Grizzlies zumindest mittlere Probleme bereiten könnten. Seit dem 15. November ist Memphis laut der Effective Field Goal Percentage auf dem 25. Rang der Liga, auch im True Shooting (25. Platz) ist das Team von Head Coach Taylor Jenkins unterdurchschnittlich.

In diesem Zeitraum nehmen die Grizzlies zudem nur 35 Prozent ihrer Feldwürfe aus der Distanz, der fünftniedrigste Anteil der Liga. Bei 58,3 Prozent ihrer Treffer wird ein Assist verbucht, auch unterdurchschnittlich.

Die Offense der Grizzlies funktioniert dennoch gut, unter anderem wegen Punkten im Fastbreak und nach Offensiv-Rebounds. Die Grizzlies laufen den zweitschnellsten Angriff der Liga und erzielen knapp ein Sechstel ihrer Punkte im Fastbreak, der dritthöchste Wert der Liga. Am offensiven Brett schnappen sie sich fast jeden dritten Rebound, damit sind sie das zweitbeste Team in dieser Kategorie.

Das ist für die Regular Season ein Erfolgsrezept und spektakulär sowieso, in den Playoffs wird das Spiel jedoch tendenziell langsamer und wird verstärkt im Halfcourt gewonnen. Auch auf Offensiv-Rebounds sollten die Grizzlies sich in der Postseason nicht verlassen, gerade mit einem Blick auf personelle Anpassungen, die sie dann vermutlich vornehmen müssen. Wieder ...

Mit Jaren Jackson Jr. stellen die Grizzlies die beste Defense der Liga.
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NBA: Greifen die Grizzlies auf dem Trade-Markt an?

Denn schon in der vergangenen Saison schrumpfte Steven Adams' Rolle in den Playoffs drastisch, der Center stand durchschnittlich nur noch 16,3 Minuten auf dem Feld. Der aktuell verletzte Adams hat klar definierte Stärken, Jackson Jr. feierte ihn jüngst als "besten Screensteller in der Geschichte der Liga" und "wahrscheinlich besten Offensiv-Rebounder jemals".

Doch diese Stärken kommen in den Playoffs generell weniger zur Geltung, stattdessen fällt sein nichtexistenter Sprungwurf sowie seine teils katastrophale Freiwurfquote mehr ins Gewicht und schadet dem Spacing der Offense. Von kleinen Lineups kann er auch defensiv angegriffen werden, wenn er die Zone vermehrt verlassen muss. Wer kann also alternativ die Minuten eines fünften Starters übernehmen?

Vielleicht ist dieser Spieler noch gar nicht im Kader der Grizzlies. Vor allem ein O.G. Anunoby, der den Flügel der Grizzlies verstärken könnte, würde nicht alleine aufgrund seiner Qualität bestens zu Memphis passen. Anunoby wäre aber - wenn überhaupt - nur mit einem großen Paket aus Toronto loszueisen, für den die Grizzlies vermutlich einen wichtigen Spieler aus ihrer Rotation zusätzlich zu hohem Draft-Kapital abgeben müssten.

Einen weiteren Star zu bezahlen sollte für Grizzlies-Besitzer Robert Pera rein finanziell jedoch kein Problem sein, er gehört zu den reichsten Besitzern im Profisport. Öffnet er den Geldbeutel?

Es könnte sich lohnen, für Memphis scheint das Titelfenster schon jetzt offen zu sein. Es fehlt aber vielleicht noch diese eine Puzzleteil, um auch in den Playoffs zu den Top-Favoriten zu zählen. Mit Worten sind die Grizzlies nicht geizig, Taten müssen noch folgen ...

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