NBA

NBA - MVP-Ranking im Dezember: MVP-Killer, Wilt 2.0 und das Doncic-Dilemma

Jayson Tatum behält am Christmas Day die Oberhand gegen Giannis Antetokounmpo.
© getty

Das MVP-Rennen hat auch nach zweieinhalb Monaten in der neuen Saison nichts an Spannung und Qualität verloren. Mindestens drei Stars dürfen sich berechtigte Hoffnungen auf den Award machen, darunter ein MVP-Killer und Wilt 2.0. Dahinter scharrt die Konkurrenz aber auch schon mit den Hufen.

Cookie-Einstellungen

Zunächst die schlechten Nachrichten, damit wir es hinter uns haben. Es gehört im Laufe einer Saison leider dazu, sich von ein paar Hochkarätern aus dem Ranking verabschieden zu müssen, die verletzungsbedingt zurückfallen. Das gilt in erster Linie für Stephen Curry, den wir nach seinem hervorragenden Saisonstart im Vormonat noch auf Rang zwei geführt hatten.

Mitte Dezember kam der Rückschlag im MVP-Rennen: Schulterverletzung. Etwa drei bis vier Wochen Pause. Damit fällt Curry natürlich aus der Top 5 der wertvollsten Spieler der Saison raus und wird auch für den Rest der Spielzeit wohl hinterherhecheln. In einem so unfassbar gut besetzten Rennen wird auch der Chefkoch den nun kassierten Rückstand wahrscheinlich nicht mehr aufholen können.

Der MVP Award Tracker von basketball-reference.com übersetzt das in eine aktuell 1,4-prozentige Chance für den Warriors-Star auf die neu designte Michael Jordan Trophy. Ähnlich sieht es auch bei Anthony Davis aus, der sich immer mehr an den erweiterten Kandidatenkreis heranrobbte, bevor seine Fußverletzung (und die schlechte Bilanz der Lakers) seine Mühe zunichtemachte.

Veritable MVP-Kandidaten gibt es aber trotzdem noch genügend. Joel Embiid ist wieder fit und schließt in Siebenmeilenstiefeln zur Konkurrenz auf, Zion Williamson führte die Pelicans zur besten Bilanz der Western Conference, Ja Morant greift mit seinen Grizzlies ebenfalls die West-Spitze an. Dennoch gibt es im SPOX-Ranking nur einen Neuling im Vergleich zum Vormonat - dafür wurde einiges durchgewirbelt.

Die meisten Nets-Fans scheinen Kevin Durant das Offseason-Drama verziehen zu haben.
© imago images

Platz 5: KEVIN DURANT (Brooklyn Nets)

  • Platzierung im Vormonat: nicht gerankt
  • Teambilanz: 23-12, Platz 2 in der Eastern Conference
  • Stats 2022/23: 29,9 Punkte, 6,9 Rebounds und 5,4 Assists bei 56 Prozent aus dem Feld und 37,0 Prozent von Downtown (in 34 von 35 Nets-Spielen)

34 Jahre alt, einen Achillessehnenriss hinter sich und kein bisschen nachgelassen. Im Gegenteil, Kevin Durant spielt in mancher Hinsicht die beste Saison seiner Karriere. Sein aktueller Punkteschnitt kommt zwar nicht ganz an seinen Karrierebestwert (32,0) heran, dafür liefert er die besten Effizienzwerte seiner Laufbahn ab (67,2 Prozent True Shooting).

Während der zehn Spiele andauernden Siegesserie toppte KD diese Zahlen nochmal mit lächerlichen Shooting-Splits à la 59/46/96 - natürlich bei lässigen 30,4 Punkten pro Spiel. Vergessen sollte man dabei nicht, dass Durant gleichzeitig defensiv eine wichtige Rolle spielt. Die Nets stellen laut Cleaning the Glass sowohl eine Top-10-Defense als auch eine Top-5-Offense.

Dadurch hat sich Brooklyn auf Platz zwei im Osten gehievt. Zugegeben profitierten KD und Co. dabei von einem relativ leichten Spielplan, doch sie ließen sich auch von den Bucks (ohne Khris Middleton) und den Cavs, zwei Top-4-Teams im Osten, nicht aus der Bahn werfen. Die Nets scheinen sich gefunden zu haben.

Nach dem Offseason-Drama muss man sich nun mit der Frage auseinandersetzen, ob die Nets wieder in der Riege der Top-Contender zu führen sind. Und mit der Frage, ob Durants Sommertheater ihn automatisch aus dem MVP-Rennen disqualifizieren sollte? Für mich lautet die Antwort nein. Auf dem Feld gibt Durant alles für seinen aktuellen Verein, das ist mehr als offensichtlich. Von einem Streik, um doch noch einen Abgang zu forcieren, oder Lustlosigkeit (im Gegensatz zu James Hardens Rockets-Abgang) ist nichts zu sehen. Sondern einfach nur Basketball der Extraklasse.

Luka Doncic legt Zahlen wie sonst nur Michael Jordan auf - und es reicht nur für Platz 4 im MVP-Ranking.
© getty

Platz 4: LUKA DONCIC (Dallas Mavericks)

  • Platzierung im Vormonat: 3.
  • Teambilanz: 19-16, Platz 7 in der Western Conference
  • Stats 2022/23: 33,6 Punkte, 8,7 Rebounds und 8,8 Assists bei 50,6 Prozent aus dem Feld und 35,5 Prozent von Downtown (in 32 von 35 Mavs-Spielen)

Irgendwie ist es bitter, dass es für den Slowenen mit diesen Zahlen nicht mal für die Top 3 reicht. Er schüttelt 60-Punkte-Triple-Doubles aus dem Ärmel, hinterlegt in seiner MVP-Bewerbermappe Career-Highs bei den Punkten, der Feldwurfquote, sogar der Dreierquote und entsprechend auch beim True Shooting (61,7 Prozent). Zudem hat kein Spieler in dieser Saison mehr Punkte erzielt als er.

Man kann es nur nochmal betonen: Seinen 30/8/8-Schnitt bei ähnlicher Effizienz hat in der Geschichte der Association über eine gesamte Saison sonst nur Michael Jordan aufs Parkett gezaubert. Das war in der Saison 1988/89, MVP wurde er nicht (stattdessen Magic Johnson). Auch für Doncic würde es nicht reichen, wenn die Saison heute enden würde.

Der Grund ist simpel und hat eigentlich nichts mit Doncic zu tun. Zu oft haben die Mitspieler ihn im Stich gelassen, was nur zur siebtbesten Bilanz im Westen und ligaweit zu Platz 12 führt. Nun könnte der geneigte Mavs-Fans als Argument für Doncic heranziehen, dass Dallas ohne ihn komplett verloren wäre - und das stimmt. Vor allem die Offense bricht ohne den 23-Jährigen dramatisch ein (118,4 Offensiv-Rating mit Doncic, 104,1 ohne Doncic). Erzielt er weniger als 30 Punkte, stehen die Mavs bei 2-6.

Doch für unsere Definition des "wertvollsten" Spielers der Saison ist eben auch der Teamerfolg ein Faktor. In dieser Hinsicht haben alle vor Doncic platzierten Stars einen Vorteil und in einem so engen Rennen wie dieser Tage kann das nun mal auch den Ausschlag geben. Aber: Die Saison ist noch lang. Dank vier Siegen in Folge haben die Mavs immerhin mal wieder eine deutlich positive Bilanz, der Abstand zur Spitze verringert sich. Und damit steigen wieder die MVP-Hoffnungen der Mavs-Fans.

Giannis Antetokounmpo
© imago images

Platz 3: GIANNIS ANTETOKOUNMPO (Milwaukee Bucks)

  • Platzierung im Vormonat: 4.
  • Teambilanz: 22-12, Platz 3 in der Eastern Conference
  • Stats 2022/23: 31,7 Punkte, 11,6 Rebounds und 5,2 Assists bei 53,0 Prozent aus dem Feld und 24,4 Prozent von Downtown (in 29 von 34 Bucks-Spielen)

Spätestens ab hier könnte man fast würfeln, wer aus der Top 3 des MVP-Rankings denn nun wirklich ganz oben stehen soll. Giannis Antetetokounmpo vereint jede Menge guter Argumente auf sich, nicht nur viele Bucks-Fans sehen den Greek Freak an der eins. Mitte Dezember erhielt er in der MVP-Zwischenumfrage von ESPN unter 100 Journalisten 36 First-Place-Votes. So viel sei verraten: Die SPOX-Nummer-Eins erhielt 47 Stimmen und unsere Nummer zwei gerade einmal eine Stimme.

Seither ist ein bisschen was passiert. Die Bucks zum Beispiel schwächeln ein wenig, von den vergangenen neun Spielen gingen sechs verloren, darunter das 41-Punkte-Debakel gegen Memphis oder die Pleite am Christmas Day gegen Boston, in der auch Antetokounmpo mit der Celtics-Defense so seine Probleme hatte. Das schmälert seine ansonsten hervorragende Saison aber nur minimal.

Im Vormonat hatten wir als einzigen Makel noch seine etwas schlechteren Effizienzwerte im Vergleich zur Konkurrenz ausgemacht, im Dezember näherte er sich wieder alter Dominanz an. Sein True-Shooting-Wert im November lag bei 55,0 Prozent, in diesem Monat bei 61,3. Dabei halfen Auftritte wie gegen New Orleans oder bei der Niederlage gegen Cleveland, jeweils knackte er die 40+ Punkte bei 71 beziehungsweise 63 Prozent Feldwurfquote.

Dass seine Saisonstatistiken mit dem persönlichen Bestwert in Sachen Scoring (31,7) ohnehin nach MVP schreien, versteht sich von selbst. Antetokounmpo hat zudem viele Finger bei der drittbesten Defense der Liga im Spiel. All das macht den zweimaligen Gewinner des Awards auch 2022/23 zu einem verdienten MVP-Kandidaten. Doch nach relativ eindeutigen Rennen in den vergangenen fünf Jahren, entscheiden aktuell eben Nuancen.

Nikola Jokic wehrt sich mit aller Macht gegen Voter Fatigue.
© getty

Platz 2: NIKOLA JOKIC (Denver Nuggets)

  • Platzierung im Vormonat: 5.
  • Teambilanz: 22-12, Platz 2 in der Western Conference
  • Stats 2022/23: 25,7 Punkte, 10,8 Rebounds und 9,4 Assists bei 61,9 Prozent aus dem Feld und 32,4 Prozent von Downtown (in 31 von 34 Nuggets-Spielen)

Die Statistiken von Wilt Chamberlain wirken manchmal wie ausgedacht. Zu abstrus, zu dominant. Dann kommt ein 2,11 Meter großer Pferdeliebhaber aus Serbien daher und holt diese Fantasiezahlen aus einer weit entfernten Ära zurück in die Realität des 21. Jahrhunderts. Nur ein Beispiel: 40 Punkte, 27 Rebounds und 10 Assists in einem Spiel gab es - richtig - seit Wilt nicht mehr.

Dazu kommen kuriose Jokic-Statlines wie 13-13-13, das hatte immerhin Larry Bird auch schon mal, Statlines purer Dominanz wie 43-14-8 mit allen (!) Punkten in der Zone oder von der Freiwurflinie gegen die Wizards (17/18 FG bei Zweiern) oder solche wie 41-15-15, die fast in Vergessenheit geraten. Letzteres legte Jokic am Christmas Day gegen die Suns auf, überschattet nur vom Dunk des Jahres von Aaron Gordon.

Über die Saison gesehen ist das eigene Scoring im Vergleich zum Vorjahr etwas gesunken, doch Jokic nimmt auch weniger Würfe, trifft diese aber mit einer absurden Effizienz (68,8 Prozent True Shooting). Angreifbar ist er nur defensiv, dafür hievt er seine Mitspieler auf ein anderes Level. Der 27-Jährige ist im Angriff genauso dominant wie selbstlos.

Man blicke nur einmal auf dieses Play: Jokic steht vollkommen frei an der Dreierlinie, vier Gegenspieler blockieren die Zone. Wie der Ballbesitz endet? Natürlich mit einem Laserpass durch diese vier Gegner hindurch, punktgenau in die Hände von Michael Porter Jr., der unter dem Korb wartet. Diesen Pass würde kein anderer Spieler in der Liga so spielen - und wenn doch wäre es ein sicherer Turnover. Beim Joker ist man eigentlich nicht überrascht, dass er ankommt.

Was war im Vormonat noch die einzige Befürchtung, die gegen den Nuggets-Star sprach? Voter Fatigue. Jokic beweist jedoch von Tag zu Tag mehr, dass dieses Argument nichtig ist. Die Nuggets grüßen von Platz zwei im Westen, gleichauf mit den Pelicans, Jokic spielt vielleicht den besten Basketball seiner Karriere, der dritte MVP in Folge - das gelang sonst nur Larry Bird, Bill Russell und, natürlich, Wilt Chamberlain - ist alles andere als unrealistisch.

Jayson Tatum behält am Christmas Day die Oberhand gegen Giannis Antetokounmpo.
© getty

Platz 1: JAYSON TATUM (Boston Celtics)

  • Platzierung im Vormonat: 1.
  • Teambilanz: 25-10, Platz 1 in der Eastern Conference
  • Stats 2022/23: 31,1 Punkte, 8,1 Rebounds und 4,1 Assists bei 47,7 Prozent aus dem Feld und 35,7 Prozent von Downtown (in 33 von 35 Celtics-Spielen)

Vom Platz an der Sonne ist Tatum allerdings nur sehr schwer zu verdrängen. Das liegt auch daran, weil der 24-Jährige seine MVP-Konkurrenz regelmäßig im direkten Duell in den Schatten stellt. Aktuellstes Beispiel Christmas Day: Gegen Giannis und die Bucks legte der Celtics-Star 41-7-5 und ein überragendes drittes Viertel auf dem Weg zu einem Statement-Sieg auf.

Und sonst? Durant, Doncic, Jokic, Morant, Embiid, sie alle haben (weitestgehend) spektakuläre Performances und Pleiten von Tatum reingedrückt bekommen, wie Celtics-Beatwriter Marc D'Amico hier schön zusammensammelte. Tatum ist ligaweit die Nummer eins beim Plus/Minus (+261), ist eine echte Two-Way-Waffe, legt den höchsten Punkteschnitt für eine Saison in der Celtics-Historie auf (und da gab es schon einige prominente Namen) und das beim besten True-Shooting-Wert seiner Karriere (61,8 Prozent).

Kurzum: Tatum ist der beste Spieler im bislang besten Team der Association und kaum ein Individuum spielt aktuell auf einem höheren Niveau. Das sind immer solide MVP-Argumente. Boston machte in den vergangenen Wochen eine Schwächephase durch, auch bei Tatum lief nicht alles rund (18 bei 6/21 vs. Warriors beispielsweise), doch das darf als Ausrutscher in einer langen Saison gewertet werden.

Schließlich geht es hier um den wertvollsten Spieler der kompletten, bisherigen Spielzeit und irgendwie spricht es in diesem Kontext auch wieder für die Celtics und Tatum, dass das Team trotz zwischenzeitlich fünf Niederlagen aus sechs Partien Mitte des Monats weiterhin klar die Liga anführt. An Tatum gibt es (noch) kein Vorbeikommen, Jokic und Antetokounmpo sind ihm aber dicht auf den Fersen.

Artikel und Videos zum Thema