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NBA - Brooklyn Nets klopfen an der Tür zur Ost-Elite: Sind Kevin Durant und Co. doch ein Contender?

Kevin Durant bleibt als Scorer eine Klasse für sich.
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Den Brooklyn Nets gehört die zweitlängste Siegesserie der NBA. Kevin Durant spielt auf MVP-Niveau, Kyrie Irving predigt das Mantra "Keine neuen Ablenkungen" und dahinter spielt sich ein Unsung Hero ins Rampenlicht. Doch reicht das der Drama-geplagten Franchise wirklich, um in die Riege der Top-Contender zurückzukehren?

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Man muss 46 Jahre in der Geschichte der NBA zurückgehen, um etwas Vergleichbares zu den aktuellen Geschehnissen zu finden. Damals hießen die Brooklyn Nets noch New York Nets und feierten als amtierender (und letzter) ABA-Champion ihre Debütsaison in der National Basketball Association. Der Stadtrivale aus Manhattan existierte schon ein Weilchen länger, hatte erst wenige Jahre zuvor zwei Championships gewonnen.

Möglicherweise war dies die Blüte des professionellen Basketballs im Big Apple. Auf einen Titel wartet die Stadt seither vergebens. Mal haben die Nets, mal die Knicks gute Phasen, eine Überschneidung kam eher selten vor. Im Dezember 2022 nun aber das Weihnachtswunder: Beide Teams ratterten zeitgleich Siegesserien von je mindestens sechs Spielen herunter. So eine Phase gab es laut Matt Williams (ESPN) - richtig geraten - seit der Saison 1976/77 nicht mehr.

Bis nun eine der beiden Franchises der Metropole nach 46 Jahren auch mal wieder einen Basketball-Titel bescheren könnte, dahin ist der Weg noch lang. Den Knicks traut wohl nicht einmal der optimistischste Fan solche Errungenschaften in dieser Saison zu, da schon eher den Nets. Die haben einen veritablen MVP-Kandidaten sowie einen weiteren potenziellen All-Star in der Hinterhand und scheinbar das Gewand der Drama-Könige abgelegt. Aber gehören sie wirklich in die Riege der Titelanwärter?

Kevin Durant spielt mit 34 Jahren die effizienteste Saison seiner Karriere.
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Brooklyn Nets: Wie Kevin Durant noch besser wird

Fakt ist, dass in Brooklyn die Tendenz in die richtige Richtung zeigt. Sechs Siege in Folge, eine Bilanz von 13-3 aus den vergangenen 16 Spielen, mittlerweile Platz vier im Osten. In dieser Saisonphase seit Mitte November stellen die Nets die nach Cleaning the Glass fünftbeste Offensive der Liga (117,6 Punkte pro 100 Possessions) und die immerhin elftbeste Defense (112,9), was im besten Net-Rating in dieser Zeitspanne mündet (+2,7).

Ein wichtiger Punkt dabei für den Gesamtkontext: Brooklyn stand nicht die Crème de la Crème der Association gegenüber, die aktuelle Siegesserie kam gegen Charlotte, Atlanta, Indiana, Washington, Toronto und Detroit zustande. Nach dem verpatzten Saisonstart war klar, dass die Nets in dieser leichten Phase des Spielplans ins Rollen kommen müssen. Das Team hat abgeliefert. Ohne Ablenkungen. Ohne Drama.

Dafür mit einem Durant in MVP-Form. Der 34-Jährige erzielt 30,4 Punkte pro Spiel und legt dabei die besten Effizienzwerte seiner Karriere auf. Seine Feldwurfquote von 56,5 Prozent ist die beste seiner Laufbahn (bei 19,2 Versuchen), solche Werte findet man in der Geschichte der NBA unter allen High-Volume-Scorern sonst nur bei Big Men. KD schließt aber eben nicht nur ihn Ringnähe ab, bei ihm sind auch schier unglaubliche 52,7 Prozent Trefferquote bei Jumpern Teil der Wahrheit. Seinen True-Shooting-Wert von 67,4 Prozent toppten unter allen Spielern mit mindestens 25 PPG in der NBA-Historie sonst nur Stephen Curry 2017/18 und Nikola Jokic in dieser Spielzeit.

Logischerweise wissen auch die gegnerischen Coaches von der aktuell spektakulären Form des zweifachen Finals-MVPs, schicken regelmäßig Double-Teams und variable Coverages. Meistens ohne Erfolg. Kaum einer scort effizienter aus Isolations, im Prick'n'Roll oder selbst im Post. "Manchmal kommt neues Zeug, was ich zuvor noch nie gesehen habe", meinte KD zuletzt über die Defensiv-Strategien seiner Gegner. "Aber ich versuche, mich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. So kann ich noch besser werden, indem ich noch mehr die Verteidigungen lese."

Kevin Durant: So gut scort der Nets-Star je nach Playtype

SpielzugIsolationP&R Ball HandlerPost UpSpot UpCutHandoffsOff Screen
Possessions pro Spiel5,73,62,03,51,1

1,4

2,4

Punkte pro Play1,021,261,101,411,24

1,24

0,99

Kevin Durant und Kyrie Irving wollen das Drama der vergangenen Monate hinter sich lassen.
© getty

Brooklyn Nets: Wer soll dieses Two-Man-Game stoppen?

Durant ist mit seiner starken Form in Brooklyn nicht allein. Schon dreimal in dieser Saison legten er und Kyrie Irving im selben Spiel jeweils mindestens 35 Punkte auf, solch ein potentes Duo gab es laut ESPN Stats & Info zuletzt 2011 (Durant und Russell Westbrook in OKC) und ansonsten in den vergangenen 30 Jahren nur ein weiteres Mal (Shaquille O'Neal und Penny Hardaway in 1994/95).

Rein sportlich gesehen hat sich Irving richtig gut von seinem Antisemitismus-Skandal und der anschließenden Suspendierung zurückgemeldet. Während des aktuellen Nets-Laufs kommt er im Schnitt auf 32,0 Punkte, 6,2 Rebounds und 5 Assists bei Shooting-Splits von 54/38/96.

"Wir haben zwei unglaubliche Talente, die scoren können", freute sich Head Coach Jacque Vaughn wenig überraschend. Dahinter stehen zudem gute Komplementärspieler, beispielsweise ein brandheißer Yuta Watanabe (69 Prozent bei Eckendreiern), ein an beiden Enden des Courts verbesserter Ben Simmons, 3-and-D-Spezialist Royce O'Neale oder potente Shooter wie Joe Harris, (der aktuell eher formschwache) Seth Curry und T.J. Warren, der erst sieben Spiele absolviert hat. Durants Kommentare über zu wenig Unterstützung scheinen vergessen.

Wenn es doch mal eng wird, packen die Nets vereinzelt das Two-Man-Game mit Kyrie und KD aus, das kaum zu stoppen ist. Oder einer von beiden lässt seine Magie in Isolations spielen (Durant: 1,02 PPP in Isolations, Irving: 1,31!), mit diesen Optionen ist die Nets-Offense auch in der Crunchtime unheimlich gefährlich. Auch das war ein wichtiger Faktor bei der aktuellen Siegesserie, fragt mal bei den Raptors nach, generell ist kein Team besser in Clutch-Situationen als Brooklyn (12-3).

Nic Claxton ist der defensive Anker der Brooklyn Nets.
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Brooklyn Nets: Der "Unsung Hero" neben Durant und Irving

Eine potente Offense ist bei diesem Kader jedoch wirklich keine Überraschung, das trifft schon eher auf die durchaus brauchbare Defense zu. Vor wenigen Tagen hatte Ex-Nets-Star James Harden die fehlende Struktur in seiner Zeit in Brooklyn unter Ex-Coach Steve Nash bemängelt. "Selbst Superstars brauchen Struktur", sagte The Beard bei FOX Sports. Die scheint es mittlerweile zu geben.

Nach der Entlassung von Nash hat dessen Nachfolger Vaughn eine switchlastigere Defense etabliert und predigt vor allem eines: Einsatz! "Jacque hat klargemacht, wenn du nicht hart genug spielst, dann wirst du das zu hören bekommen", sagte Irving vor wenigen Tagen, nachdem er ein Sonderlob erhalten hatte, als er sich im Spiel gegen die Wizards im Kampf um einen Loose-Ball in die Zuschauerränge gestürzt hatte.

Das Thema Einsatz und Hustle macht sich auch bei einer anderen bisherigen Schwachstelle bemerkbar. Im ersten Saisonmonat belegte Brooklyn den letzten Platz bei der Reboundrate, vor allem am eigenen Brett agierte das Team nachlässig. In den vergangenen vier Wochen verbesserte sich Brooklyn immerhin auf Platz 21. Die Nets sind ein kleines Team, da ist der Einsatz und kollektives Arbeiten umso wichtiger.

"Wir haben uns dazu verpflichtet, mit- und füreinander zu spielen. Und das geht in der Defense los", meinte Coach Vaughn nach dem Sieg gegen Washington. "Wir haben die Jungs einfach gebeten, hart zu spielen. So kann man viele Dinge verstecken."

Hinzu kommt ein Nic Claxton, der defensiv mehr mitbringt als einfach nur Energie. Zach Lowe (ESPN) bezeichnete den Center bereits als "Unsung Hero" der Nets. Warum? Seine Dynamik in der Offense lässt einerseits Hoffnung entfachen, dass die defensiv vielversprechendsten Simmons-Claxton-Lineups langfristig funktionieren könnten. Andererseits beschützt er den eigenen Korb auf elitärem Niveau, steht seinen Mann nach Switches. "Was er uns bringt, ist einzigartig", schwärmte Durant. "Er kann Point Guards verteidigen, Würfe am Ring blocken und im Fastbreak mitlaufen. Er ist jung, voller Energie und unersetzlich für uns."

Claxton selbst sieht sich bereits in der Diskussion um den DPOY-Award, das kommt trotz seiner 2,4 Blocks Pro Spiel (Platz 2 ligaweit) noch etwas zu früh. All-Defense erscheint aber realistisch und für die Nets sind seine Qualitäten in der Verteidigung lebensnotwendig. "Wenn Nic mir sagt, dass ich aus dem Weg gehen soll, damit er Würfe blocken kann, dann weiß ich, dass wir einen guten Abend haben werden", scherzte Irving. "Das macht unsere Defense so viel gefährlicher."

Kyrie Irving überzeugt nicht nur mit seinem Scoring, sondern auch mit seinem Einsatz.
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"Keine Ablenkungen mehr!" Nets vor Woche der Wahrheit

Diese Aussage tätigte Kyrie nach dem Last-Second-Erfolg gegen Toronto. Er hatte soeben die Nets mit dem ersten Buzzerbeating-Gamewinner seiner NBA-Karriere zum Sieg geballert. Als er zu Claxtons 6 Blocks befragt wurde, setzte er aber ein mindestens genauso breites Grinsen auf. Das bestätigt den Eindruck mehrerer Beatwriter, die nah am Team dran sind: Die Vibes in Brooklyn könnten aktuell kaum besser sein.

Wer hätte das vor ein paar Wochen noch für möglich gehalten? Durants Trade-Forderung, Nashs Entlassung und der Antisemitismus-Skandal haben die Franchise durcheinandergewirbelt. Kaum liegt der Fokus wieder auf dem Sportlichen, schon läuft es für ein Team, dessen Talent rein auf dem Papier immer außer Frage stand. "Wir wollen einfach Basketballspiele gewinnen. Keine Entschuldigungen mehr, keine Ablenkungen mehr", beteuerte Irving. "Wir wollen nur, dass jeder gesund ist und jeder Spaß hat."

Aber so ganz möchte man dem Braten dann doch nicht trauen. Gefühlt ist diese Franchise jederzeit nur einen Tweet vom nächsten Desaster entfernt, trotz des aktuellen Höhenflugs. Irving war in den vergangenen Jahren einfach selten ein verlässlicher Partner, zudem werden irgendwann auch wieder Fragen nach seiner Zukunft auftauchen. Sein Vertrag läuft im kommenden Sommer aus.

Auch sportlich gibt es berechtigte Fragezeichen. Wie angesprochen haben die Nets in den vergangenen Wochen von einem sehr leichten Spielplan profitiert. Gegen Teams mit einer negativen Bilanz stehen KD und Co. bei 13-6, gegen Teams mit einer positiven Bilanz dagegen nur bei 6-6. Die derzeitige Kaderkonstruktion erschwert zudem den Glauben, dass Brooklyn in dieser Saison eine wirklich elitäre Defense mit gutem Rebounding stellen kann, die es wohl für einen tiefen Playoff-Run braucht. Womöglich werden die Nets vor der Trade Deadline im Februar zum Buyer, die Draft-Assets sind aber überschaubar und in einem Deal müssten sie wohl etwas Kaderbreite und Offense opfern.

All das führt dazu, dass die Nets Stand jetzt von einer Beurteilung als Top-Contender noch ein Stückchen entfernt sind. Gerade in Sachen Defense haben die Celtics und Bucks im Osten die Nase vorn. Die bisher letzte Niederlage kassierten die Nets passenderweise gegen Boston, nun steht so etwas wie eine Woche der Wahrheit an.

Als nächstes sind die Warriors zu Gast (Donnerstag, 1.30 Uhr live auf DAZN, allerdings ohne Stephen Curry), in der Nacht auf Heiligabend kommen die Bucks, dann geht es nach Cleveland und nach Atlanta. Für die Nets sind es die perfekten Gelegenheiten, der Welt zu zeigen, dass sie doch auf Augenhöhe mit diesen Teams sind.

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