Unsichtbarer Präsident, wütende Fans, fehlende Fußballkompetenz: Das läuft schief beim Hummels-Klub AS Rom

Von Tobias Empl
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Bei der AS Rom herrscht Chaos. Nicht nur, weil es sportlich nicht gut läuft. Neuzugang Mats Hummels spielt auch eine (Neben-) Rolle.

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Kaum ein Tag verging im Sommer, an dem Mats Hummels nicht mit einem neuen Klub in Verbindung gebracht wurde. Mal hatte er angeblich schon bei RCD Mallorca unterschrieben, dann sollte er der Mentor für junge Innenverteidiger-Talente bei Real Sociedad San Sebastian werden, mit Überraschungs-Team FC Bologna war vermeintlich schon alles fix und am nächsten Tag machte ihm Brighton-Coach Fabian Hürzeler einen Wechsel in die Premier League schmackhaft.

Irgendwann fing der 35-Jährige schon selbst an, sich über all die angeblichen Einigungen lustig zu machen. Am 4. September entschied sich der langjährige Profi des BVB und des FC Bayern München dann aber doch noch - und zwar für den italienischen Traditionsverein AS Rom.

Die Roma und Hummels, das erschien auf den ersten Blick wie eine logische Wahl. Ein Verein im von ihm bevorzugten europäischen Ausland, mit Tradition und leidenschaftlichen Fans in einer einzigartigen Stadt. Zwar kein absolutes Top-Team, aber durchaus eine Mannschaft mit europäischen Ambitionen. Und dann auch noch in der Serie A, in der Verteidiger wie Alessandro Nesta, Paolo Maldini, Giorgio Chiellini oder Franco Baresi bis weit über 30 spielten und verehrt wurden. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn jemand wie der Weltmeister dort nicht zum Publikumsliebling aufsteigen sollte. Oder?

RUDI VÖLLER - Als Trainer: 5 Spiele 2004 für den AS Rom: 26 Tage dauerte Völlers Engagement in der ewigen Stadt, das ein komplettes Missverständnis war. "Die Mannschaft hört nicht auf mich, es ist besser, wenn ich gehe", verkündete er.
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So schlecht startete die Roma zuletzt vor 20 Jahren mit Rudi Völler

Doch es kam bekanntlich ganz anders. Seit Hummels' Wechsel ging so ziemlich alles schief, was nur schiefgehen konnte: Nicht nur für den Innenverteidiger selbst, der wochenlang auf einen Einsatz warten musste, und dann beim Debüt auch noch ein Eigentor erzielte, sondern für den gesamten Klub. Die Roma hat den schlechtesten Saisonstart seit 20 Jahren hingelegt, ist als Zwölfter aktuell nur vier Punkte von einem Abstiegsplatz entfernt und hat schon im November zum zweiten Mal den Trainer gewechselt. Die Situation erinnert an die Saison 2004/05, als die Giallorossi als Vorjahreszweiter gleich vier Trainer - darunter auch Rudi Völler - verschlissen und am Ende gerade so den Klassenerhalt schafften. Kaum ein Verein in Europa macht derzeit einen chaotischeren Eindruck als der dreimalige italienische Meister. Doch was ist dort eigentlich los?

Fest steht schon jetzt, dass das Kalenderjahr 2024 als eines der turbulentesten in die Klub-Geschichte eingehen wird. Im Januar wurde der am Ende seiner Amtszeit ziemlich erfolglose und immer wilder verbal um sich schlagende José Mourinho vor die Tür gesetzt und durch Klub-Ikone Daniele De Rossi ersetzt. Nach einem starken Start unterschrieb der junge Trainer im Juni einen Vertrag bis 2027. "Wir könnten nicht glücklicher sein, ein langfristiges Projekt mit Daniele aufzubauen", ließ der Verein damals verlauten. Drei Monate später war das langfristige Projekt dann aber schon wieder beendet. Nach gerade einmal vier Ligaspielen ohne Sieg wurde De Rossi vor die Tür gesetzt.

Sein Nachfolger wurde Ivan Juric, der konsequent mit Dreierkette und, ähnlich wie sein Trainer-Vorbild Gian Piero Gasperini, mit Manndeckung über das komplette Feld spielen ließ. In diesem System fand nicht nur Hummels keinen Platz - wie Robin Gosens treffend analysierte -, Erfolg brachte es auch nicht. Nach vier Siegen, drei Unentschieden und fünf Niederlagen wurde er schon wieder entlassen.

Nun also soll es Trainer-Legende Claudio Ranieri richten. Der 73-Jährige, geboren im Römer Arbeiterviertel Testaccio, hatte im Sommer eigentlich unter Tränen seine Karriere mit dem Klassenerhalt bei Cagliari Calcio beendet. Seiner alten Liebe, deren Trikot er einst trug und die er schon zweimal trainierte (2009-2011, 2019), hatte er aber nicht absagen können. "Ich wäre nur für die Roma oder für Cagliari zurückgekommen", sagte er bei seiner Vorstellung.

Ein Römer muss nach London fliegen, um bei der Roma zu unterschreiben

Bei aller Sympathie für Ranieri lässt sich jedoch festhalten: Nach einer wirklich durchdachten Strategie sieht all das nicht aus. Bei derart häufigen Trainerwechseln lohnt es sich in der Regel, nicht nur auf die Trainer selbst, sondern auf die höhere Ebene zu blicken - in diesem Fall auf den Präsidenten und Klubbesitzer, den US-amerikanischen Milliardär Dan Friedkin. Der kümmert sich seit 2020 gemeinsam mit seinem Sohn Ryan um die Geschicke des Traditionsvereins. Seitdem hat er durchaus ordentlich Geld investiert, die Erwartungen der Fans aber zuletzt schwer enttäuscht.

Die Friedkins sind nur selten in der Stadt. Absurderweise musste Ranieri zu den Vertragsgesprächen nach London fliegen - und wurde bei seiner Rückkehr am Flughafen Fiumicino wie ein Heilsbringer empfangen. Dan und Ryan Friedkin, die seit 2023 außerdem den französischen Viertligisten AS Cannes besitzen und seit September auch an der Übernahme des FC Everton arbeiten, hätten nach all dem Chaos wohl eine deutlich weniger herzliche Begrüßung zu erwarten. Weswegen sie offenbar auch nicht vorhaben, allzu bald in die italienische Hauptstadt zurückzukehren.

Zwischen Business und Romantik

Die Vereinsführung sei "abwesend" und "unwürdig", kritisierten die Roma-Ultras der "Curva Sud" auf einem Spruchband bereits nach der Entlassung von Klub-Ikone De Rossi und reagierten mit einem wochenlangen Stimmungs-Boykott. Und die ehemalige Roma-Präsidentin Rosella Sensi, die das Amt von ihrem 2008 verstorbenen Vater Franco Sensi übernommen hatte, sagte gegenüber der Gazzetta dello Sport: "Mein Vater hat mir beigebracht, dass ein Präsident immer sein Gesicht zeigen muss, dass er bei Kritik und Protesten wie ein Schutzschirm für die Mannschaft und alle Angestellten des Vereins sein muss." Schon Mourinho hatte geklagt, dass er der einzige Kommunikator des Klubs gewesen sei: "Ich habe es gehasst, nach dem verlorenen Europa-League-Sieg das Gesicht der Roma zu sein. Ich möchte nur Trainer sein", sagte er in einem Interview mit dem Telegraph.

Ähnlich wie schon unter der Führung von Vorgänger James Pallotta schwankt die Roma auch unter den Friedkins zwischen Business und Romantik. Auf der einen Seite gelten die Klub-Eigner als gewiefte Geschäftsleute, die ihre Personalentscheidungen angeblich mit Hilfe von Algorithmen treffen, auf der anderen Seite versuchen sie immer wieder, den Zorn der Fans mit der Verpflichtung von Vereins-Legenden wie zuletzt De Rossi oder nun Ranieri zu besänftigen.

Sinnbildlich für dieses Hin und Her steht auch die Transfer-Posse im Sommer um Paolo Dybala. Der inzwischen 31 Jahre alte, oft von Verletzungen ausgebremste Edeltechniker hätte eigentlich nach Saudi-Arabien verkauft werden sollen. Die schon eingeplanten Millionen gab es dann aber doch nicht, da dieser seinen Wechsel im letzten Moment noch platzen ließ - aus Liebe zur Roma.

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Kein "Fußball-Fachmann" im Verein

Alle Hoffnungen richten sich nun auf Ranieri. Dieser soll angeblich auch seinen Nachfolger mit aussuchen, und ab dem Sommer in eine Rolle als Berater der Klubführung schlüpfen. Denn bis auf den technischen Direktor Florent Ghisolfi, der öffentlich ebenfalls kaum in Erscheinung tritt, sucht man Personen mit Fußball-Kompetenz in der Führung vergeblich. Ranieri selbst hatte sich bei seiner Vorstellung überrascht über die schnelle Ablösung De Rossis gezeigt, und diesen Umstand ebenfalls kritisiert. "Es ist schade, dass es im Verein zwischen den Eigentümern und dem Trainer keinen Fußball-Fachmann gibt."

Diese Rolle könnte er selbst in Zukunft ausfüllen. Bis dahin soll "Sir Claudio", wie der 73-Jährige seit seinem Premier-League-Triumph mit Leicester City 2016 genannt wird, nun aber erst einmal die sportliche Situation in den Griff bekommen. Es brauche nun, "viel Arbeit und Leidenschaft", sagte Ranieri bei seiner Vorstellung.

Der Trainerwechsel könnte auch Hummels in die Karten spielen. Während Juric teilweise schwer verständliche Entscheidungen traf, wie den Ex-Leipziger Angeliño in die Dreierkette zu stellen, ist Ranieri kein Freund von Experimenten. Am liebsten agiert er in einem klassischen 4-4-2-System und lässt die Mannschaft auch gerne etwas tiefer stehen. Damit hatte er schließlich auch einst in Leicester seinen größten Erfolg. Auch damals baute er mit Kapitän Wes Morgan auf einen erfahrenen Innenverteidiger, der die Abwehr zusammenhielt.

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Ranieri über Hummels: "Warum sollte der Junge nicht spielen?"

"Ich habe ein paar Spiele von Hummels gesehen, etwa das Champions-League-Finale gegen Real Madrid oder das Halbfinale gegen Paris Saint-Germain, als er mit einem starken Kopfball ein Tor erzielt hat", hatte Ranieri bei seiner ersten Pressekonferenz erzählt, und die rhetorische Frage gestellt: "Warum sollte der Junge nicht spielen?" - wenn auch mit der Einschränkung: "Er hat schon ein gewisses Alter, wir werden sehen. Ich wähle die Spieler aus, die mich gewinnen lassen."

Das Auswärtsspiel der Roma bei Tabellenführer SSC Neapel am Sonntag wäre ein guter Moment für Hummels' Startelfdebüt. Doch auch dazu wird es wohl nicht kommen. Laut Corriere dello Sport hat sich der 35-Jährige nach einem Aufenthalt in München am Wochenende eine fiebrige Erkältung zugezogen und konnte deshalb nicht wie geplant nach Rom zurückkehren. Die Roma und Hummels - das scheint bis jetzt einfach nicht zu passen.

Zum "Publikumsliebling" hat er es aber trotzdem fast geschafft. In den vergangenen Wochen gab es viel Kritik an seiner Rolle als Bankdrücker, in den sozialen Medien waren Kommentare wie "Wir haben dich nicht verdient, Mats Hummels", oder "Vergib uns", zu lesen. Bei überstandener Erkältung könnte er in den kommenden Wochen endlich die Chance bekommen, die Fans auch mit seinen Leistungen im Trikot zu überzeugen. Setzt aber auch Ranieri nicht auf ihn, werden die Gerüchte um den nächsten Hummels-Wechsel schon bald weiter Fahrt aufnehmen.

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