Je nach Medienbericht war Vincent Kompany im Sommer irgendwas zwischen der dritten und der gefühlt einhundertsten Wahl beim FC Bayern München. Eine turbulente Trainersuche mit vielen unvorhersehbaren Wendungen gipfelte schließlich darin, dass man sich sogar von Ralf Rangnick noch einen Korb abholte.
"Sogar" deshalb, weil der "Fußball-Professor" über viele Jahre hinweg als Antithese zum FCB galt. Und nach der monatelangen Suche war es schließlich Kompany, bei dem die Bayern landeten. Ein Absteiger aus der Premier League. Noch bevor die Münchner unter ihm den ersten Ball spektakulär am gegnerischen Strafraum erobern konnten, waren viele kritische Geschichten schon geschrieben.
Noch ist erst November und für ein großes Urteil taugt die Stichprobe noch nicht. Doch festhalten kann man einige Monate später gewiss: So ganz unglücklich ist man mit der mehr oder weniger zufällig entstandenen Wahl an der Säbener Straße nicht.
Max Eberl hatte bereits im Sommer eine Vorahnung, als er bei der Präsentation des ehemaligen Innenverteidigers verriet, dass er gern früher mit ihm gesprochen hätte. Das hätte ihm wohl viel Leid und Peinlichkeiten erspart.
Die Liste mit Trainern, die vermeintlich vor Kompany abgearbeitet wurde, ist lang. SPOX macht den Check, wie es bei den Beinahe-Bayern-Trainern seitdem gelaufen ist. Dabei werden lose und eher unrealistische Gerüchte wie Zinedine Zidane, Pep Guardiola, Martin Demichelis oder auch Lucien Favre ignoriert.
Erik ten Hag: Stallgeruch für den FCB?
Wo man genau die Grenze zwischen Kandidaten zieht, die auf der ominösen Liste einigermaßen weit oben standen und jenen, die vermutlich nur heiße Luft in der Münchner Gerüchteküche verteilt haben? Sind wir mal ehrlich: Das ist doch rein subjektiv.
Aber jemandem wie Erik ten Hag würde man wohl sofort eine kleine Chance einräumen, dass er beim FC Bayern heißer diskutiert wurde als andere Kandidaten. Zumindest aus der Erfahrung heraus, wie der Rekordmeister in der Vergangenheit oft gearbeitet hat, wenn es darum ging, Stellen zu besetzen. Jemand, der jemanden kennt, der jemanden kennt ...
Ten Hag hat Bayern-Vergangenheit, trainierte einst erfolgreich am Campus und wechselte dann zum FC Utrecht, wo er als Sportdirektor und Trainer arbeitete. Von dort ging es zu Ajax. Dort erlebte der heute 54-Jährige seine erfolgreichste Zeit, die ihm schließlich einen Job bei Manchester United einbrachte.
Seine Arbeit dort war eher kein Bewerbungsschreiben für einen Job in München. In 128 Pflichtspielen reichte es nur zu 1,84 Punkten pro Partie. Dass er mit den Red Devils den Pokal und den Ligapokal gewann, konnte nicht kaschieren, dass sich das Team sportlich nicht wirklich weiterentwickelt hat.
Und doch würde es nicht wundern, wäre in einem Münchner Büro der Satz gefallen: "Aber es ist halt United, bei uns wird alles anders." So oder so: Trotz heißer Gerüchte wurde es nie konkret zwischen den beiden Parteien. Vielleicht besser so. Ten Hag wurde jüngst bei United entlassen - und sein Ruf hat in den etwas mehr als zwei Jahren massiv gelitten.
Roger Schmidt: RB-Fußball für den FC Bayern?
Alles andere als gelitten hat indes der Ruf von Roger Schmidt. Der 57-Jährige war bei nahezu all seinen Stationen erfolgreich. So auch bei Benfica. In 115 Spielen holte er 2,26 Punkte pro Spiel, wurde Meister und sorgte auch in Europa für das eine oder andere Ausrufezeichen.
Das brachte ihn offenbar beim FC Bayern auf das Radar. Sehr wahrscheinlich mit der Idee, den Rekordmeister fußballerisch weiter in Richtung Gegenpressing-Fußball umzukrempeln. Schmidt ist der Prototyp der RB-Schule und hätte wohl genau das in München versucht.
Doch der Trainer sagte den Bayern sogar öffentlich ab: "Ich bin nicht auf dem Markt. Für mich ist klar, dass ich bis 2026 bei Benfica Lissabon bleibe." Nur hätte er das wohl mit seinem Klub absprechen sollen. Wenige Monate später wurde er nach einem durchwachsenen Saisonstart entlassen.
Oliver Glasner: Der Kampf gegen den Rauswurf
Jemand, der von jemandem gekannt wird, der jemand kennt, ist auch Oliver Glasner. Und ganz zufällig kommt auch er aus der RB-Trainerschule. Ein Schelm, wer Christoph Freund (und Max Eberl) hier etwas unterstellen mag.
Mitte Mai gab es einen Bericht von Sky, dass die Bayern bei Glasner nachgefragt hätten, ob er sich den Job vorstellen könne. Verschiedene Medien berichteten, dass er zugeneigt war. Das Problem: Crystal Palace aber stellte sich quer und forderte wohl eine astronomische Ablösesumme in Höhe von 100 Millionen Euro.
Für Glasner kam es also nicht zu einem Wechsel. Und in England lief es immer schlechter für ihn. In 14 Pflichtspielen hat er in dieser Saison erst vier Siege eingefahren und schon sechsmal verloren. Medien auf der Insel berichten, dass er um seinen Job bangen muss.
Sebastian Hoeneß: Verlängerung statt Rückkehr
Der FC Bayern wäre nicht der FC Bayern, würde er nicht konkret über jemanden nachdenken, der in aufsteigender Reihenfolge der Priorität erfolgreich ist, bereits beim FCB gearbeitet hat und Hoeneß heißt.
Doch der Trainer des VfB Stuttgart entschied sich relativ schnell nach Aufkommen der Gerüchte für einen Verbleib bei den Schwaben, mit denen er in dieser Saison erstmals Champions League spielt.
Ergebnistechnisch läuft es durchwachsen für Hoeneß. In der Bundesliga reicht es derzeit nur zum elften Rang, in der Königsklasse kommt man nach vier Partien auf vier Punkte. Mit der neuen Dreifachbelastung scheint der VfB erst noch zurechtkommen zu müssen. Alternativ könnte man aber auch sagen, dass Hoeneß alles richtig gemacht hat. Lieber Entwicklung in Stuttgart als Haifischbecken in München.
Roberto De Zerbi: Kompletter Umbruch in München?
Die Gerüchte um Roberto De Zerbi begleiteten die Trainersuche des FC Bayern nahezu bis zum Ende. Zu beeindruckend war die Arbeit, die er bei Brighton geleistet hat. Allerdings soll es auch Zweifel gegeben habe, was Sprache und die jüngsten Ergebnisse anbelangt. Denn gegen Ende verlor sein Team viele Spiele.
De Zerbi wäre gleichbedeutend mit einem radikalen Umbruch gewesen. Fußballerisch steht der Italiener für einen gnadenlos offensiven und taktisch wie technisch anspruchsvollen Stil. Vermutlich wäre auf dem Transfermarkt der eine oder andere Neuzugang mehr nötig gewesen, um das umsetzen zu können.
Dazu kam es jedoch nicht. De Zerbi wechselte zu Olympique Marseille, das im Sommer dann 87 Millionen Euro für neue Spieler ausgab. Nicht gerade mit Erfolg. Denn unter dem neuen Trainer läuft es noch nicht für die Franzosen. Im Gegenteil: Zuletzt war richtig Feuer unterm Dach.
Nach einer 1:3-Heimpleite gegen AJ Auxerre erklärte der Trainer, dass er seinen Rücktritt angeboten habe: "Wenn ich das Problem bin, bin ich bereit, zu gehen. Ich gehe ohne das Geld, der Rest ist mir egal. Ich will keine Ausreden erfinden und keinen Unsinn erzählen. Ich werde nicht fliehen, wir müssen uns der Realität stellen. Das ist es, was ich tun muss."
Marseille steht in der Ligue 1 auf dem dritten Platz, hat neun Punkte Rückstand auf PSG. Allerdings gab es in den letzten sechs Ligaspielen drei Niederlagen und ein Unentschieden.
Hansi Flick: Eine verpasste Chance?
Auch Hansi Flick war ein heißer Kandidat beim FC Bayern. Laut eines Berichts des kicker war er sogar einer der ersten Trainer auf der Liste der Münchner. Schon auf der Trauerfeier zum Tod von Franz Beckenbauer sollen sie an Flick herangetreten sei, es gab wohl schon eine konkrete Planung für die Saison 2024/25. Gescheitert sei der Deal daran, dass Max Eberl skeptisch gewesen sein soll.
Eine verpasste Chance? Flick zeigt beim FC Barcelona gerade auf beeindruckende Art und Weise, wie spektakulär sein Fußball ist. Die Katalanen sind eines der formstärksten Teams Europas, stehen mit deutlichem Vorsprung auf dem ersten Platz in der spanischen Liga. In 17 Spielen gab es erst drei Niederlagen, der Rest wurde gewonnen. 55:17 Tore stehen auf Barças Konto.
Und ganz nebenbei überrannte sein Team bereits den FC Bayern mit 4:1 und kurz darauf auch Real Madrid mit 4:0. Der Langzeittrend des Deutschen, aber auch von Kompany wird maßgeblich darüber entscheiden, ob man Flick hinterhertrauern muss, aber der Saisonstart hinterließ Eindruck.
Xabi Alonso: Der absolute Wunschkandidat
Eindruck hinterließ auch Xabi Alonso. So sehr, dass es zunächst gar keine Liste beim FC Bayern gab. Denn für eine Liste braucht es schließlich mindestens zwei Namen. Zunächst aber stand auf dem Zettel des Rekordmeisters nur der Name des Spaniers.
Alonso kickte einst für den FCB und zeigte bei Leverkusen, wie talentiert er als Trainer ist. Immerhin war er einer der Hauptgründe dafür, dass sich die Münchner überhaupt von Thomas Tuchel trennten. Doch relativ schnell wurde klar: Alonso bleibt in Leverkusen.
Wie bei Hoeneß kann man wohl feststellen: Die richtige Entscheidung. Die Werkself tut sich in dieser Saison etwas schwerer als in der nahezu perfekten letzten. Dass Alonso das Zeug für einen Topklub hat, steht dennoch außer Frage.
Julian Nagelsmann: Ein Segen für das DFB-Team
Auch bei Julian Nagelsmann ist gut dokumentiert, dass es eine konkrete Absage gab. Nachdem Max Eberl erklärte, dass der Stachel beim Bundestrainer wohl noch tief sitze, antwortete dieser humorvoll im Interview mit Magenta TV: "Ich habe gestern meinen Körper abgetastet, da sitzt kein Stachel."
Wie bei Hoeneß, Alonso und dem einen oder anderen weiteren Kandidaten kann man Nagelsmann jedoch nur dazu beglückwünschen, dass er diese Entscheidung getroffen hat. Denn mit dem DFB-Team startet er durch, kassierte im gesamten Kalenderjahr nur eine Niederlage - ausgerechnet bei der EM und das auf sehr bittere Art und Weise gegen Spanien.
Dennoch hat er es geschafft, mit seiner Mannschaft einen Großteil der Nation wieder hinter dem DFB-Team zu vereinen. Hätte er diesen Erfolg auch bei den Bayern gehabt? Fraglich. Ein Grund dafür, dass Nagelsmann so erfolgreich ist, ist, dass er den Kader relativ frei zusammenstellen kann und er so die entsprechenden Spielertypen für sein System nominieren kann. Bei den Bayern war er immer abhängig von der sportlichen Leitung.
Nagelsmanns Entscheidung gegen die Münchner ist in jedem Fall gut gealtert.
Ralf Rangnick: Randale-Ralf schlägt wieder zu
Und irgendwann waren die Bayern dann so weit. So weichgeklopft von den ganzen Absagen, dass sie mit Ralf Rangnick jemanden holen wollten, der bekannt dafür ist, viel Macht an sich reißen zu wollen, um tiefgreifende Veränderungen vorzunehmen.
Mit Blick auf die letzten Wochen könnte man sich in München wohl kaum glücklicher schätzen, dass der 66-Jährige ihnen eine überraschende Absage erteilte. Bei der Europameisterschaft konnte Österreich die großen Erwartungen nicht erfüllen, wenig später lag der Trainer mit dem Verband im Streit.
"Der Präsident und ich haben seit zehn Wochen null Kontakt. Gar keinen. Zero", erklärte Rangnick nach dem 1:1 in der Nations League gegen Slowenien: "Deshalb wundert es mich, wenn er sagt, wir hätten ein gutes, vertrauensvolles Verhältnis. Ich kann nur sagen, seit der Präsidiumssitzung, bei der ich vor zehn Wochen anwesend war, haben wir gar kein Verhältnis."
Hintergrund des Streits sollen Personalentscheidungen des Verbands sein. So soll ÖFB-Geschäftsführer Bernhard Neuhold am Ende des Jahres gehen. Rangnick wird indes Vetternwirtschaft vorgeworfen, gegen die er sich vehement wehrt.
Nicht zum ersten Mal, dass der Fußballlehrer bei seinem Arbeitgeber aneckt. Unabhängig davon, wer im Disput näher an der Wahrheit ist: Diese Art Unruhe hätten die Bayern wohl nicht gebrauchen können.