Als einer der Ersten verließ Joshua Kimmich nach dem 1:0-Sieg des FC Bayern gegen Paris Saint-Germain am Dienstagabend die Allianz Arena. Sämtliche Interview-Anfragen blockte er in die Mixed Zone ab. Das Sprechen überließ der 29-Jährige diesmal lieber seinem Lächeln, seinem Vorgesetzten und seinen Kollegen.
Nachdem er lächelnd in der Münchner Nacht verschwunden war, kamen sie also der Reihe nach - Sportvorstand Max Eberl, Kapitän Manuel Neuer, Vize-Kapitän Thomas Müller - und schwärmten allesamt von Kimmich. Damit erreichte die schon seit Wochen vor sich hin köchelnde Charmeoffensive des FC Bayern an diesem Abend eine neue Ebene.
Kimmich hatte seiner bis dato überragenden Saison gegen PSG eine weitere Glanzleistung hinzugefügt und somit entscheidenden Anteil am siebten Zu-Null-Sieg des FC Bayern hintereinander. Als Chefstratege strukturierte er das Spiel aus der Tiefe und sorgte zudem vorne für Gefahr. Erst bereitete er eine Großchance von Jamal Musiala grandios vor, dann leitete er Min-Jae Kims Siegtor mit einer Ecke ein.
FC Bayern: Ein ablösefreier Kimmich-Abschied käme einem Supergau gleich
Kimmich ist aktuell der Schlüsselspieler des FC Bayern in der Mittelfeldzentrale und seit Sommer zudem Kapitän der Nationalmannschaft.
Alles wunderbar, wäre da nicht sein Vertragsende: 30. Juni 2025. Kimmich könnte kommenden Sommer ablösefrei wechseln, ab 1. Januar darf er offiziell ohne Erlaubnis des FC Bayern mit anderen Klubs verhandeln. Etwa mit dem gerade geschlagenen PSG, das ihn schon diesen Sommer verpflichten wollte. Oder mit dem FC Barcelona von Trainer Hansi Flick oder dem Manchester City von Trainer Pep Guardiola. Zwei Ex-Trainer, die ihn sehr schätzen.
Ein ablösefreier Abschied Kimmichs käme für die Münchner einem Supergau gleich. Sie würden nicht nur einen Spieler mit hohem Verkaufswert ohne Entschädigung verlieren. Sie würden das aktuelle Herz der Mannschaft verlieren. Kimmichs Abschied würde die unter Trainer Vincent Kompany hervorragend funktionierende Statik akut ins Wanken bringen.
Entsprechend versucht der FC Bayern seit Wochen, Kimmich zu einer Vertragsverlängerung zu bewegen. Und zwar tatsächlich Kimmich selbst - und nicht dessen Berater. Als einziger Spieler des FC Bayern vertritt er sich nämlich bei den Vertragsverhandlungen selbst. Zum Abschluss führten die Gespräche bisher noch nicht, was zu immer neuen Schwärmereien führt, die mittlerweile immer verzweifelter wirken.
Kapitänsbinde und "Gesicht des Klubs": Eberls Versprechen an Kimmich
Eberl äußert sich bei jeder Gelegenheit lobend über Kimmich. Zuletzt versprach er ihm in einem Interview mit der Sport Bild die Kapitänsbinde, sobald Neuer seine Karriere beendet. Kimmich sei aktuell "wieder auf dem Level, auf dem er schon war, als einer der besten Mittelfeldspieler der Welt", ergänzte Eberl nach dem PSG-Spiel: "Er ist das Gesicht der deutschen Nationalmannschaft. Er soll bei uns neben Jamal Musiala das Gesicht von Bayern München werden. Mehr können wir ihm nicht anbieten."
Die Gespräche mit Kimmich seien "sehr, sehr offen und gut", betonte Eberl. Offen aber anscheinend vor allem von Seiten des FC Bayern: "Joshua weiß, dass wir es wollen. Wenn er ja sagt, sind wir bereit, dass wir das final über den Tisch bringen. Das ist aber noch nicht passiert."
Seine starke Form und das Interesse anderer Top-Klubs bescheren Kimmich, der mit einem Jahresgehalt von rund 20 Millionen Euro schon jetzt zu den Topverdienern des FC Bayern zählt, eine grandiose Verhandlungsposition. Das weiß auch Eberl. Bei seinen "tollen Möglichkeiten" sei jegliches Zögern "völlig legitim", findet der Sportvorstand: "Er kann jetzt entscheiden: Möchte er nochmal in ein großes Abenteuer gehen, oder möchte er eine Legende bei Bayern München werden?"
FC Bayern: Joshua Kimmich dürfte Genugtuung verspüren
Kimmich betonte zwar wiederholt, wie wohl er sich in München fühlt. Als Familienmensch ist er hier sesshaft mit seiner Frau und seinen vier Kindern. Gleichzeitig sah er sich beim FC Bayern in der Vergangenheit aber auch schon viel Gegenwind ausgesetzt. Bei der Impfdebatte während der Corona-Krise, bei der Holding-Six-Debatte während der Tuchel-Krise. Wunderbar nachzuvollziehen in der ZDF-Dokumentation vom Sommer.
"Man braucht keinen Hehl daraus machen, dass Joshua eine Zeit hatte, wo sich alle nicht ganz wohlgefühlt haben, wo sich alle ein Stück weit nicht so verhalten haben, wie es sein muss", sagte Eberl. "Das gebe ich auch ganz offen zu."
Womöglich genießt es Kimmich dementsprechend gerade, den FC Bayern ein kleines bisschen auf die sprichwörtliche Folter zu spannen. Die aktuelle Konstellation dürfte ihn mit Genugtuung erfüllen. Das ließ er zuletzt auch durchklingen. "Wir wissen alle, wie meine Situation vor acht bis zehn Wochen noch war", sagte er während der Länderspielphase beim DFB. "Da hatte man das Gefühl: Wann ist der Kimmich endlich weg? Jetzt sieht es wieder anders aus." Vergessen hat er das nicht, "natürlich" spielen diese Erinnerungen bei seinen Zukunftsplanungen eine Rolle.
Als der lächelnde Kimmich und der charmierende Eberl weg waren, kamen am Dienstagabend schließlich Neuer und Müller in die Mixed Zone. "Prädestiniert" sei Kimmich laut Müller für die Rolle des Kapitäns. "Auf jeden Fall" traue er Kimmich zu, ihn zu beerben, betonte Neuer. "Ich würde mich freuen, wenn es für den Jungen beim FC Bayern weitergeht. Es macht es sehr gut. Er hat das Vertrauen der Mannschaft, des Trainerstabs und des ganzen Vereins. Für mich wäre das nur Formsache - aber es gehören zwei Seiten dazu."
Joshua Kimmich: Statistiken der Saison 2024/25
Pflichtspiele | Minuten | Tore | Vorlagen | Gelbe Karten |
18 | 1.620 | 0 | 4 | 2 |