Dank einer famosen Vorstellung in der ersten Halbzeit führte der FC Bayern am Mittwoch schon zur Pause mit 4:0 gegen den FSV Mainz 05. Der Sieg war praktisch gewiss, der Pokal-Fluch vorerst gebannt, also schonte Trainer Vincent Kompany seine beiden wichtigsten Offensivspieler Jamal Musiala und Harry Kane. Neu ins Spiel kamen Routinier Thomas Müller und Mathys Tel. Ach stimmt, Tel gibt es ja auch noch!
Nachdem der 19-jährige Stürmer in den vorherigen acht Pflichtspielen nur 43 Minuten auf dem Platz gestanden hatte, durfte er gegen Mainz eine ganze Halbzeit lang mitspielen. Für Gefahr sorgte er dabei nicht: Generell lahmte das Münchner Offensivspiel nach den Umstellungen, Tel verzeichnete keine einzige Torschussbeteiligung und wartet immer noch auf seinen ersten Scorerpunkt der Saison.
Trotz seiner eher kurzen Einsatzzeiten (bis dato 224 Minuten) ist das durchaus beachtlich: Unter Kompany treffen die Münchner zumindest in den nationalen Wettbewerben schließlich nach Belieben. In zehn Pflichtspielen in Bundesliga und DFB-Pokal gelangen 37 Treffer. Macht 3,7 im Schnitt pro Spiel.
"Man merkt, dass Mathys gerade nicht das Selbstvertrauen hat, das andere Spieler haben", erklärte Sportvorstand Max Eberl anschließend. "Aber er ist bemüht, er will, er schmeißt sich rein. Das ist das, was wir sehen wollen. Das andere wird dann kommen." Aber wann?
Matys Tel entwickelte sich unter Tuchel zum Politikum
Tel wechselte 2022 mit 17 Jahren für 20 Millionen Euro von Stade Rennes nach München. Nach einer Eingewöhnungs-Saison startete er stark in die vergangene Spielzeit. Im Herbst vor einem Jahr glänzte Tel mit mehreren Jokertoren innerhalb kürzester Zeit. Trainer Thomas Tuchel verwehrte ihm aber monatelang eine Chance in der Startelf. Sehr zum Missfallen vieler Fans, die Tel längst zu einem ihrer Lieblinge auserkoren hatten.
Der junge Franzose begeistert schließlich nicht nur mit seiner mitreißenden Spielweise, sondern verkörpert auch volle Identifikation mit dem Klub. In fast jedem Interview betont er seine Liebe zum FC Bayern, wiederholt klopfte er sich schon emotional auf das Logo, fast nie schlägt er Wünsche nach Fotos oder Autogrammen aus.
In dieser Gemengelage zwischen geringen Spielzeiten und großer Fan-Liebe entwickelte sich Tel Anfang des Jahres zum Politikum. Ende Februar verkündete der FC Bayern die Sommer-Trennung von Tuchel. Anfang März bekam Tel seine langersehnte Startelf-Chance und traf prompt, dann wurde Eberl als neuer Sportvorstand vorgestellt.
Bei seiner Antritts-Pressekonferenz erhob er Tel zum großen Hoffnungsträger. Gemeinsam mit Musiala und Aleksandar Pavlovic sollte er beim FC Bayern eines der "Gesichter der Zukunft" werden. Die vorzeitige Vertragsverlängerung bis 2029 kurz darauf unterstrich Eberls Vertrauen. Die Anzeichen verdichteten sich, dass Tels großer Durchbruch unmittelbar bevorstehe.
FC Bayern München: Mathys Tel zählte zu den Gewinnern der Vorbereitung
Nach dem ablösefreien Abschied von Eric Maxim Choupo-Moting verpflichteten die Münchner im Sommer keinen neuen Mittelstürmer. Zudem waren viele Offensivspieler über weite Strecken der Vorbereitung unpässlich: Leroy Sané unterzog sich einer Operation, Kingsley Coman und Harry Kane genossen ihren verlängerten EM-Urlaub, Neuzugang Michael Olise kickte mit der französischen Auswahl bei den Olympischen Spielen.
Auch Tel stand im vorläufigen Kader von Trainer Thierry Henry, letztlich verweigerten die Münchner aber die Freigabe. Lieber sollte er sich dem neuen Trainer empfehlen und das tat er auch ganz brav. Tel zählte zu den Gewinnern der Vorbereitung. In zwei der ersten drei Pflichtspiele stand er auf dem linken Flügel sogar in der Startelf, blieb aber jeweils blass.
"Mathys hat es in der Vorbereitung sehr gut gemacht", sagte Eberl. "In den ersten Spielen, wo er auf dem Platz stand, hat er es aber nicht mehr so gemacht. Dann kommen mit Michael Olise, Serge Gnabry und King (Coman) sehr gute Spieler zurück und jetzt ist auch Leroy Sané wieder dabei."
Doppelt kompliziert: Sollte der FC Bayern Mathys Tel verleihen?
Die Konkurrenzsituation beim FC Bayern ist tatsächlich unbarmherzig. Aufgrund von Verletzungen oder sonstigen Unpässlichkeiten der etablierten Spieler öffnen sich Talenten aber dennoch immer wieder kleine Fenster. Um den Durchbruch zu schaffen, müssen sie dann aber auch direkt mit Anlauf durchspringen. Pavlovic hat es vorgemacht, Tel dagegen verpasst.
Aktuell stellt sich die Situation so dar: Mittelstürmer Kane beginnt unter Kompany immer, braucht wegen seiner Spielweise kaum Pausen und ist praktisch nie verletzt. Auf den beiden Außenpositionen rangieren in der internen Hackordnung aktuell vier Spieler vor Tel. Olise und Gnabry waren über weite Strecken der bisherigen Saison gesetzt, zuletzt empfahlen sich Sané und Coman mit Traumtoren für mehr Einsatzzeiten.
Laut Sky beschäftigt sich die sportliche Führung des FC Bayern deshalb mit einer möglichen Winter-Ausleihe von Tel, angeblich sind Werder Bremen und Borussia Mönchengladbach interessiert. Eberl wollte sich nach dem Mainz-Spiel zu derartigen Überlegungen nicht äußern, erklärte lapidar: "Wir machen Ende Oktober nicht: Wie sieht der Kader aus?"
Auch wenn Tel grundsätzlich einen Verbleib beim FC Bayern anstrebt, wäre eine Leihe mit mehr Spielpraxis für seine persönliche Entwicklung womöglich der richtige Schritt. Kompliziert ist die Situation aber nicht nur für ihn persönlich. Sollte Tel tatsächlich verliehen werden, würde sich die sportliche Führung des FC Bayern unter akuten Zugzwang begeben. Dann gäbe es nämlich keine einzige nominelle Alternative zu Kane, aushelfen könnten im Sturmzentrum lediglich Müller oder Gnabry. Realistisch müssten die Münchner bei einer Tel-Leihe also einen neuen Stürmer verpflichten, um ihre Ziele nicht unnötig zu gefährden.