Die Zukunft ist jetzt! Joshua Kimmichs erstaunliche Entwicklung beim FC Bayern München und im DFB-Team

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Joshua Kimmich ist im Alter von 29 Jahren Kapitän der deutschen Nationalmannschaft und in einer neu erfundenen Rolle Schlüsselspieler des FC Bayern München. Wer hätte das vor einem halben Jahr gedacht?

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Nach der 6:1-Gala des FC Bayern gegen Holstein Kiel und der damit einhergehenden Eroberung der Tabellenführung - erstmals seit etwa einem Jahr - kam Joshua Kimmich als erster Münchner zum Sky-Interview. Sprechen durfte er dabei aber kaum. Eine beträchtlichen Zeitraum des Interviews nahm nämlich Lothar Matthäus' flammende Lobrede auf den 29-Jährigen ein.

Fußballerische Klasse, Führungsstärke, Einstellung, Öffentlichkeitsarbeit - Matthäus kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Als der Rekordnationalspieler endlich fertig war, sagte Kimmich sichtlich gerührt "vielen Dank" und gab Matthäus die Hand. Dass diese warmen Worte ausgerechnet von Matthäus kamen, dürfte Kimmich viel bedeuten. Bekanntlich wollte er seit jeher das werden, was Matthäus einst lange war: Anführer des deutschen Fußballs.

Früh traute die hiesige Fußball-Öffentlichkeit Kimmich diese Rolle zu, früh galt er als Kapitän der Zukunft. Früh sammelte er mit dem FC Bayern Titel um Titel und gewann 2020 sogar das Triple. Die Anführer der damaligen Mannschaft waren aber noch andere. Just als sich Kimmich selbst dem Anführer-Alter näherte, stockte seine Entwicklung plötzlich.

Die leidige Corona-Impfdebatte, die anhaltenden Turbulenzen beim FC Bayern, die missratenen Nationalmannschafts-Turniere mit dem negativen Höhepunkt Katar. Genau wie seine strauchelnden Mannschaften, strauchelte auch Kimmich - auch wenn er deutlich schlechter gemacht wurde, als er tatsächlich war. Bayern-Trainer Thomas Tuchel stellte seine Tauglichkeit als Sechser in Frage, forderte vehement eine neue "Holding Six" und beorderte ihn auf seine alte Position nach rechts hinten. Julian Nagelsmann tat es ihm in der Nationalmannschaft gleich. Es wirkte wie Degradierungen.

Kimmichs Zukunft als Anführer des deutschen Fußballs schien vorbei, ehe sie überhaupt angefangen hatte. Es ist nicht lange her, Anfang des Jahres war das. Seitdem trugen sich aber erstaunliche Entwicklungen zu.

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"Ein Vorbild": Julian Nagelsmann machte Joshua Kimmich zum DFB-Kapitän

Statt sich über die Rückversetzung zu beklagen, arrangierte sich Kimmich mit der Rolle des Rechtsverteidigers, spielte eine ordentliche Rückrunde mit dem FC Bayern und eine starke Heim-EM. Die beherzten Auftritte der Nationalmannschaft weckten eine Euphorie, die bis heute anhält.

Und wer führt die plötzlich beliebte Nationalmannschaft neuerdings auf den Platz? Joshua Kimmich. Nach den DFB-Rücktritten von Manuel Neuer, Toni Kroos, Ilkay Gündogan und Thomas Müller machte Nagelsmann seinen Vertrauten Kimmich zum Kapitän.

"Er ist in seiner Art und Weise, wie er den Job ausführt als Profifußballer, ein Vorbild für die gesamte Gruppe", begründete Nagelsmann. Kimmich dankte es bei der zurückliegenden Länderspielphase mit zwei weiteren guten Auftritten, gegen die Niederlande erzielte er sogar ein Tor.

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Joshua Kimmichs neue Positionierung beim FC Bayern München

Beim FC Bayern sprach ihm der neue Trainer Vincent Kompany unterdessen von Beginn an vollstes Vertrauen aus. Anders als einst Tuchel baut Kompany seine Mannschaft um Kimmich. Zunächst beorderte ihn der Trainer zurück ins Mittelfeld, ehe er sich eine ganz neue Position für Kimmich ausdachte.

'Mittelfeldzentrumsrechtsverteidiger', irgendwie so. "Ich sehe das als Lösung, was er alles machen kann", sagte Kompany. "Es ist eine Stärke von ihm, dass er mehrere Positionen spielen kann und das sogar innerhalb eines Spiels."

Schon beim 2:0-Sieg gegen den SC Freiburg vor der Länderspielphase füllte Kimmich diese ungewöhnliche Position aus, bei der 6:1-Gala gegen Kiel erneut. "Im Aufbau spiele ich in der Dreierkette rechts. Wenn wir weiter nach vorne kommen, gehe ich ins Zentrum. Gegen den Ball bin ich auch im Zentrum", erklärte Kimmich, als Matthäus mal kurz Luft holte.

Laut Kimmich sei die Ausrichtung "gegnerspezifisch" gewesen. So gut wie sie funktioniert hat, dürfte Kompany aber weitere Gegner finden, auf die sie passt. Kimmichs Stärken kommen in dieser Hybridrolle perfekt zur Geltung. Er kann einerseits aus der Tiefe aufbauen, sich aber andererseits auch im vorderen Spielfelddrittel einbringen, ohne dass dabei die Absicherung verloren geht. Das erstmalige Zusammenspiel mit João Palhinha funktionierte gut.

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"Das wäre top": Joshua Kimmich hofft auf eine langfristige Zukunft beim FC Bayern

Als sich Max Eberl Ende Februar als Sportvorstand des FC Bayern vorstellte, wurde er auch zu Kimmich gefragt. Damals wollte er ihm keinen Zukunfts-Freifahrtschein ausstellen. "Natürlich schauen wir uns alle Spieler an, wenn wir uns den Kader anschauen", verkündete Eberl damals, verwies auf Kimmichs 2025 auslaufenden Vertrag und sagte: "Da müssen wir uns auch Gedanken machen, wie es weitergeht." Ein Abschied Kimmichs erschien möglich.

Verlängert ist sein Vertrag zwar immer noch nicht, aber der Grundtenor hat sich mittlerweile komplett gedreht. Erste Gespräche mit Kimmich seien "positiv" verlaufen, berichtete Eberl neulich und verkündete, dass er sich Kimmich und auch Jamal Musiala für die kommenden zehn Jahre als "Gesichter" des FC Bayern vorstellt. Langfristig sollen sie die Veteranen Neuer (38) und Müller (35) beerben, deren Verträge im kommenden Sommer auslaufen.

"Es ist immer schön zu hören, wenn der Verein von einem überzeugt ist und Rückendeckung da ist", sagte Kimmich. "Deswegen genieße ich das im Moment." Ob er denn langfristig als "Gesicht" zur Verfügung stünde? "Ja, ich stehe immer zur Verfügung." Auch für die nächsten 10 Jahre? "Das wäre top."

Wohl nie zuvor hatte Kimmich ein besseres Standing in Klub und Nationalmannschaft als aktuell. Stand 14. September 2024 darf man Joshua Kimmich als Anführer des deutschen Fußballs bezeichnen. Die Zukunft ist jetzt.