Handball-WM - DHB-Präsident Andreas Michelmann im Interview: "Die Herangehensweise der Politik ist teilweise amateurhaft"

Andreas Michelmann ist DHB-Präsident und Oberbürgermeister von Aschersleben.
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Sie pflegen einen guten Kontakt zu Hassan Moustafa, dem ägyptischen Präsidenten des Weltverbandes IHF. Welche Signale bekommen Sie aus Ägypten in Sachen WM-Ausrichtung?

Michelmann: Den letzten direkten Kontakt zu Hassan Moustafa gab es bei der WM-Auslosung im September. Da habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Ägypter alles daran setzen, das Turnier so sicher wie möglich für alle Beteiligten zu organisieren. Vielleicht müssen wir auch mal unser Motto "am deutschen Wesen mag die Welt genesen" hinterfragen. Es muss nicht immer alles so ablaufen, wie wir es kennen. Vielleicht haben andere Nationen einfach andere Wege.

Treibt Sie nicht trotzdem die Sorge um, dass es für den Handball an sich ein gewaltiger Imageschaden wäre, sollte die WM in Ägypten - was Corona betrifft - nicht halbwegs reibungslos über die Bühne gehen?

Michelmann: Wenn die düsteren Vorhersagen eintreffen, werden diejenigen, die sie prophezeit haben, sagen: "Das habe ich doch schon immer gesagt." Wenn die WM so reibungslos abläuft, wie es bei der Frauen-EM in Dänemark der Fall war, halten die Kritiker ihre Klappe, die Befürworter werden aber nicht sagen: "Das haben wir euch doch gleich gesagt." Fakt ist: Man kann weder das Positive noch das Negative zu 100 Prozent voraussagen. Man kann nur alles Menschenmögliche unternehmen, damit die WM so sicher wie möglich wird. Und genau das wird getan. Beim Deutschen Handballbund haben wir übrigens auch Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass es doch nicht gut geht.

Sie meinen damit den in Hannover bereitgestellten Charterflieger, der Spieler nach Hause holen würde, falls sie sich mit Corona infizieren oder zu Hause bei ihren Familien etwas wäre?

Michelmann: Genau. Das ist eine Sicherheitsvorkehrung, die wir als DHB den Spielern einfach anbieten mussten und wollten.

Sie haben zu Beginn des Interviews angesprochen, dass der DHB die coronabedingten Absagen von Spielern wie Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek und Steffen Weinhold akzeptiert. Zwischen den Zeilen meine ich herausgelesen zu haben, dass Sie persönlich die Absagen aber nicht verstehen. Ist dem so?

Michelmann: Wir haben den Spielern ausdrücklich zugestanden, sich für oder gegen eine WM-Teilnahme zu entscheiden. Die Entscheidungen der angesprochenen Spieler sind deshalb zu respektieren.

Alfred Gislason geht in seine erste WM als Bundestrainer.
© getty
Alfred Gislason geht in seine erste WM als Bundestrainer.

Andreas Michelmann: Alfred Gislason? "Das hat mir imponiert"

Alfred Gislason sieht das ähnlich. Welchen Eindruck haben Sie bisher von der Arbeit des neuen Bundestrainers?

Michelmann: Mir hat es imponiert, wie er sich mit den Absagen arrangiert und sofort den Fokus auf die verbliebenen Möglichkeiten gelenkt hat. Die erste Bewertung seiner Arbeit wird aber natürlich erst nach der Weltmeisterschaft stattfinden, sofern dies unter den schwierigen Voraussetzungen überhaupt möglich ist.

Könnten die komplizierten Voraussetzungen nicht sogar eine Chance sein, weil die Erwartungshaltung nicht besonders hoch ist? Schließlich hat das DHB-Team beim EM-Triumph 2016 in Polen ebenfalls aus einer Underdog-Rolle heraus zum großen Höhenflug angesetzt.

Michelmann: Wir dürfen das, was 2016 in Polen geschehen ist, nicht als Maßstab nehmen. Dennoch hoffe ich auch ein bisschen darauf, dass eine ähnliche Situation entstehen könnte. Dass die Mannschaft ohne Druck aufspielt und mit einem speziellen Teamgeist für Furore sorgt.

Abschließende Frage: Sie sind seit 1994 Oberbürgermeister von Aschersleben und müssen in dieser Funktion in Zeiten von Corona ein Stück weit zur Vorsicht mahnen. Gleichzeitig ist es als DHB-Präsident Ihre Aufgabe, das Mögliche möglich zu machen. Wie kommen Sie mit diesem Spagat zurecht?

Michelmann: Ich trage in Aschersleben für rund 28.000 Menschen die Verantwortung. Meine Herangehensweise ist es, lieber weniger Regeln aufzustellen, aber diese dann auch einzuhalten. Das Problem der Politik aktuell ist, dass jede Menge Regeln aufgestellt wurden, die von vielen Menschen nicht eingehalten werden. Unter anderem deshalb, weil es keine Sanktionen gibt. Da gibt es einen Unterschied zwischen der teilweise amateurhaften Herangehensweise der Politik und dem Leistungssport. Leistungssportler sind es gewohnt, sich an Regeln zu halten und sanktioniert zu werden, wenn diese Regeln nicht eingehalten werden. In Aschersleben möchten wir die Dinge ermöglichen, die unter Beachtung der Risiken zu ermöglichen ist. Das passt übrigens jetzt auch wieder zur anstehenden WM. Als DHB haben wir viele Sachen zurückgefahren, weil das die Sicherheitslage verlangt hat. Gleichzeitig haben wir gesagt, dass unsere Priorität auf der Frauen-EM und der Männer-WM liegt - und beides spielen wir. Das verstehe ich darunter, das zu ermöglichen, was zu verantworten ist.

Handball-WM: Spielplan der deutschen Gruppe

DatumUhrzeitTeam 1Team 2
Fr., 15. Januar18 UhrDeutschlandUruguay
Fr., 15. Januar20.30 UhrUngarnKapverden
So., 17. Januar18 UhrKapverdenDeutschland
So., 17. Januar20.30 UhrUngarnUruguay
Di., 19. Januar18 UhrUruguayKapverden
Di., 19. Januar20.30 UhrDeutschlandUngarn
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