Mimi Kraus im Interview: "Bei einem Turnier kackst du ab, dafür bist du beim nächsten der Held!"

Mimi Kraus wurde bei der WM 2007 ins All-Star-Team gewählt
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SPOX: Sie haben in dieser Saison vor allem mit Ihrem 18-Tore-Spiel für Schlagzeilen gesorgt, aber auch sonst bis zu ihrer Verletzung überragend gespielt. Wo kommt die Form her?

Kraus: Ich könnte gerade vier Stunden am Stück Handball spielen, weil ich so Bock habe. Ich befinde mich aktuell einfach in einer sehr komfortablen Situation. Ich habe mit Jürgen Schweikardt einen Trainer, der mich gut kennt und weiß, wie er mich nehmen muss. Ich habe meine Ernährung umgestellt und meinen Alkoholkonsum auf ein Minimum reduziert. Nicht, weil es mir nicht schmeckt, sondern weil es nicht mehr zu meinem Lifestyle passt. Ich habe mir im Keller ein Gym eingerichtet und mache extrem viel schweres Krafttraining, bestimmt viermal die Woche. Ein größerer Muskel ist auch leistungsfähiger, davon bin ich total überzeugt. Selbst bei uns im Handball, wo ja viele Maschinen herumlaufen, ist da noch Luft nach oben. Mein Lebenswandel ist insgesamt ganz anders geworden. Ich führe ein Spießer-Leben. (lacht) Ich gehe früh ins Bett, weil meine Kinder morgens früh schon ankommen und ihren Papa brauchen. Die Familie ist meiner Frau und mir heilig und gibt mir enorm viel Kraft. Selbst wenn es mal nicht so läuft, weiß ich, dass ich abends in mein Nest komme. Die Leistung ist nur die logische Folge.

SPOX: Warum haben Sie denn den Rekord von Stefan Schröder (21 Tore) eigentlich nicht gebrochen?

Kraus: Ich wusste gar nicht, wo der Rekord steht. Ich saß ja zwischendurch sogar länger auf der Bank. Als unser Youngster Max Häfner zu mir kam und sagte, dass der Rekord bei 21 steht, habe ich ihm gesagt: "Alter, den hätte ich ja locker geschafft. Easy." (lacht) Aber wichtig war zu dem Zeitpunkt vor allem, dass wir das Spiel gewonnen haben. Ich will mich mit dem TVB Stuttgart weiter nach oben orientieren, ich halte das absolut für möglich.

SPOX: Sie klingen so, als ob Sie noch bis 40 spielen können. Ist das Kapitel DHB-Team aber jetzt für Sie beendet?

Kraus: Wie heißt es so schön: Sag niemals nie. Tokio 2020 ist doch auch ein schönes Ziel. (lacht) Ich sage das zwar immer so ein bisschen im Spaß, aber ein bisschen Ernst ist schon auch dabei. Ich fühle mich im Moment so gut, dass ich glaube, noch einige Jahre auf Top-Niveau spielen und mich mit den Besten der Besten messen zu können. Und die Besten der Besten trifft man bei großen Turnieren. Ich werde mich nicht aufdrängen, aber wenn der Bundestrainer anrufen sollte, dann freue ich mich. Ich kann gut verstehen, wenn Dirk Nowitzki sagt, dass er es nach wie vor noch so genießt, im Mannschaftskreis zu sein. Wenn ich daran denke, wie viel Schrott wir auf Busfahrten reden, es ist herrlich - diese Zeit als Spieler musst du auskosten.

SPOX: Wie schätzen Sie die Chancen des deutschen Teams bei der WM ein?

Kraus: Ich schätze die Chancen sehr gut ein. Zumal wir eine sehr gute Truppe haben. Ich verstehe den Pessimismus nicht ganz, Kritik ist vor dem Turnier mehr als fehl am Platz. Die Vorrunde ist mehr als machbar, auch wenn man keinen Gegner unterschätzen darf. Und wenn man einen guten Tag erwischt und das Topspiel gegen die Franzosen gewinnt, geht man mit der maximalen Punktzahl in die Hauptrunde - das sollte das Ziel sein. Als übergeordnetes Ziel sollte das Halbfinale drin sein und dann ist sowieso alles möglich. Klar wird es schwierig und natürlich war das letzte Turnier Mist, aber so ist eben der Sport. Bei einem Turnier kackst du ab, dafür bist du beim nächsten der Held! Darauf hoffe ich jetzt.

SPOX: Wie sehen Sie den Favoritenkreis?

Kraus: Frankreich hat eine Monster-Mannschaft und ist auch ohne Nikola Karabatic keinen Deut schlechter. Dann haben wir natürlich mit Dänemark oder Spanien die üblichen Verdächtigen, ich würde aber vor allem auf Schweden und Norwegen aufpassen. Die werden immer noch nicht richtig beachtet, obwohl sie super Truppen haben. Gerade die Norweger sind brandgefährlich, sollte Dreh- und Angelpunkt Christian O'Sullivan rechtzeitig fit werden. Bei uns wird am Ende entscheidend sein, ob wir den Heimvorteil für uns nutzen können, oder ob der Druck, der zum Start viel größer sein wird als bei uns damals 2007, als wir uns zu Siegen gurken konnten, zur Last wird. Ich will es nicht hoffen, aber es kann auch schnell in die andere Richtung gehen.

SPOX: Abschließend, Sie launchen Mitte Januar Ihren eigenen YouTube-Kanal, was ist der Hintergrund?

Kraus: Es gibt keinen Vlogger, der aktiv im Profisport tätig ist. Das will ich ändern. Bei mir wird Fitness und Profisport im Vordergrund stehen. Ich will auch einen Einblick in mein Leben als Handballer und Familienvater geben und die Leute mitnehmen in meinen Alltag. Viele können sich gar nicht vorstellen, was alles dazu gehört und wie viele Termine ich habe, auch abseits des Feldes. Manchmal sehe ich Trainingspläne von Fußballern und muss sehr staunen. Was machen die Jungs bitte den Rest der Woche? In der Zeit könnte man drei Studiengänge abschließen. (lacht)

SPOX: Nur mal so: Ihre Frau Bella hat 200.000 Abonnenten...

Kraus: (lacht) Ich weiß, sie ist inzwischen der größere Star in der Familie, aber ich kann hoffentlich schnell aufholen.

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