Handball-EM - Bob Hanning poltert: Schluss mit den Alibis und dem Verstecken

Bob Hanning (Mitte) hat nach der mauen EM-Vorrunde Klartext gesprochen
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Frage: Warum wirken die anderen Halblinken wie Steffen Fäth und Julius Kühn dermaßen verunsichert?

Hanning: Spieler brauchen Sicherheit und Selbstbewusstsein - aber eben auch Leistung. Jeder Spieler kann beispielsweise in Überzahl den Ball nehmen und auf das Tor werfen, auch Julius Kühn. Dafür wurde noch keiner bestraft. Das ist doch die Wahrheit.

Frage: Und was ist mit Fäth?

Hanning: Steffen ist einer meiner Berliner Jungs. Ich habe aber auch gestern mit ihm gesprochen und gesagt: "Steffen, du willst spielen, was auch okay ist, weil du ein guter Rückraumspieler bist. Dann geh aber auch bitte zu 100 Prozent auf das Tor." Den gleichen Satz könnte ich zu Julius Kühn sagen. Natürlich kann Kühn in Melsungen auf dem Spielfeld im übertriebenen Sinne machen, was er will. Gleiches gilt für Fäth in Berlin. Aber das geht in der Nationalmannschaft natürlich nicht.

Frage: Auffällig ist aber schon, dass Kühn, Fäth oder auch Kai Häfner ihre starken Leistungen aus der Bundesliga derzeit nicht in der Nationalmannschaft abrufen können. Warum ist das so?

Hanning: Fäth spielt mal so und mal so bei uns in Berlin, also auch nicht immer konstant. Und Melsungen hat eine Mannschaft, mit der sie eigentlich um die deutsche Meisterschaft spielen müssten. Wenn Kühn da also immer überragend spielen würde, würde Melsungen in der Tabelle anders dastehen. Von daher muss man das auch in Relation sehen.

Frage: Gegen Slowenien sollen Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek in der Abwehr in einer entscheidenden Situation bewusst etwas anderes gemacht haben, als es der Bundestrainer vorgegeben hatte. Teilen Sie die Beobachtung, dass Mannschaft und Trainer taktisch nicht immer auf einer Wellenlänge funken?

Hanning: Nein, die teile ich nicht. Es ist mir zu leicht, wenn sich Spieler hinter solchen Sachen verstecken. Diese Alibis immer - nein! Am Freitag muss geliefert werden! Punkt!

Frage: In der Mannschaft scheint es keine Aufbruchsstimmung zu geben. Überspitzt könnte man sagen, dass aus den Bad Boys die Sad Boys geworden sind.

Hanning: Dieser Begriff gefällt mir nicht, das schmeckt mir gar nicht. Die Wahrheit ist doch: Sind wir jetzt alles kleine Stars, die etwas weniger geben? Erinnern Sie sich bitte, was ich vor der EM gesagt habe. Wenn wir nicht alles geben, sind wir Mittelmaß.

Frage: Hat die Nichtnominierung von Lemke dem Innenleben der Mannschaft geschadet?

Hanning: Sportlich war das gegen Slowenien der Fall, da hätten wir ihn gebraucht. Die Grundüberlegung war doch aber, Kohlbacher mehr Chancen im Angriff zu geben. Die Grundüberlegung, die dahinter stand, die war doch völlig richtig.

Frage: Aber welche Wirkung hatte die Nichtberücksichtigung von Lemke außerhalb des Spielfeldes ?

Hanning: Lemke war jetzt ein paar wenige Tage nicht da. Also ehrlich, das kann ich nicht zählen lassen. Gegenfrage: Nimmt Joachim Löw nach Russland die gleiche Mannschaft mit, die er zur letzten WM mitgenommen hat? Also was soll das? Waren wir bei der WM in Frankreich erfolgreich? Nein! Ich gehe da nicht mit. Wenn der Trainer der Meinung ist, er muss den Spieler zu Hause lassen, dann ist das so.

Frage: Nun geht es mit nur zwei Punkten im Gepäck gegen Tschechien, Dänemark und Spanien. Wir groß sind Ihre Bedenken, dass es nach der Hauptrunde vorbei sein könnte?

Hanning: Ich bin mir total bewusst darüber, dass wir jetzt liefern müssen. Die Wahrheit liegt genau in diesen 60 Minuten gegen Tschechien. Wenn das schief geht, dann bin ich der letzte, der sich keine kritischen Fragen gefallen lässt. Viele Dinge sind ja berechtigt.

Frage: Auf der einen Seite möchten Sie, dass die Leichtigkeit in die Truppe zurückkommen soll. Auf der anderen Seite machen Sie jetzt Druck. Widerspricht sich das nicht?

Hanning: Diese Leichtigkeit kommt als Titelverteidiger natürlich nicht mehr so zurück. Diese Leichtigkeit findet keine Mannschaft in dieser Situation, das wird der Fußball-Nationalmannschaft in Russland auch so gehen. Aber das Selbstbewusstsein und diese innere Stärke müssen wir wiederfinden.

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