"Die größte Handball-Party aller Zeiten"

Von Interview: Sebastian Schuch
Gudjon Valur Sigurdsson gewann viele nationale und internationale Titel
© imago

Gudjon Valur Sigurdsson von den Rhein-Neckar Löwen gehört nicht nur zu den bekanntesten Spielern der Welt, er ist auch isländischer Rekordtorschütze und hat nahezu jeden Vereinstitel Europas gewonnen. Im Interview spricht er über die Talente in Island, seine bewegte Karriere sowie die Sportbegeisterung in seiner Heimat.

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SPOX: Herr Sigurdsson, mit dem Sieg gegen die Füchse Berlin haben Sie zuletzt einen der Konkurrenten um den Titel geschlagen. Wie wichtig war der Erfolg?

Gudjon Valur Sigurdsson: Das war auf jeden Fall ein wichtiger Sieg. Wir wollen so lange wie möglich ein Wörtchen um die Meisterschaft mitreden. Wir hatten uns vorgenommen, dass die Niederlage gegen Flensburg die einzige in der SAP Arena bleiben soll.

SPOX: Sie würden also sagen, dass die Rhein-Neckar Löwen bislang im Soll sind?

Sigurdsson: Ja, absolut. Es bringt jetzt auch nichts mehr, sich über die Niederlage aufzuregen. Wir können nur die ausstehenden Spiele beeinflussen. Wir liegen, bei Betrachtung der Minuspunkte, gleichauf mit Kiel und Flensburg. Wir müssen jetzt einfach konzentriert weiterarbeiten.

SPOX: Blicken wir auf Ihre ereignisreiche Karriere zurück. Ihre Zeit als Handballer begann bereits im Alter von 16 Jahren bei Grotta KR in Ihrer Heimat Island. Ist es normal, dass aufstrebende Talente bereits so früh den Sprung in den Kader der ersten Mannschaft schaffen?

Sigurdsson: Es gibt viele, denen dieser frühe Sprung gelingt. Mittlerweile haben wir aber das Problem, dass viele Island zu früh verlassen.

SPOX: Warum zu früh?

Sigurdsson: Ich habe, bevor ich nach Deutschland gewechselt bin, über fünf Jahre in einer ersten Mannschaft gespielt. In dieser Zeit habe ich gelernt, was es heißt, ein wichtiger Spieler in einer guten Truppe zu sein, um die Meisterschaft zu spielen und diese auch zu gewinnen. Ich durfte so recht früh viel Verantwortung übernehmen. Heute ist es so, dass viele junge Spieler diese Chance auch bekommen, dann aber zu früh zu einem mittelmäßigen Klub wechseln, ohne diese Erfahrungen gemacht zu haben.

SPOX: Sie sprachen gerade von Ihrem Wechsel nach Deutschland. War die Handball-Bundesliga zum Beginn des neuen Jahrtausends das einzige Ziel, das man für den nächsten Karriereschritt ansteuern konnte?

Sigurdsson: Absolut nicht. Ich hatte ein Jahr zuvor ein Angebot aus Spanien, das mich durchaus gereizt hätte. Mein Klub, KA Akureyri, wollte mich aber nicht gehen lassen. Im Nachhinein war das eine richtige Entscheidung. Das letzte Jahr auf Island hat mir in meiner Entwicklung sehr geholfen. Dennoch hätte ich das Angebot damals gerne angenommen, Spanien war eine Option.

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SPOX: Nach Ihrem ersten Titel auf europäischem Parkett mit dem finanzgeplagtem TUSEM Essen wechselten Sie 2005 zum VfL Gummersbach. Für Sie persönlich waren die drei Jahre beim VfL die erfolgreichsten, auch wenn Sie Ihre Titelsammlung nicht erweitern konnten.

Sigurdsson: Gummersbach wollte damals, genau wie später die Löwen, oben angreifen und Kiel ärgern. Man hat sich von der sicherlich gut besetzten Mannschaft einiges versprochen. Sie haben Recht, rein toretechnisch waren es meine erfolgreichsten Jahre, aber ich habe mich in Gummersbach auch sehr wohl gefühlt. Leider gab es dann ähnliche Probleme wie zuvor in Essen, wenn auch nicht so gravierend.

SPOX: War das der Zeitpunkt, als Sie sich entschieden, zu einem Spitzenklub zu wechseln?

Sigurdsson: Das war auf jeden Fall ein Faktor. Das Angebot des VfL stand dem der Löwen in nichts nach. Allerdings hat mein Verkauf an die Löwen dazu beigetragen, dass der Verein nicht in noch größere Schwierigkeiten rutschte. Deshalb war der Wechsel für alle die beste Option.

SPOX: Der Wechsel zu den Rhein-Neckar Löwen erfolgte im Jahr 2008. Sahen Sie die aufstrebende Mannschaft zu dieser Zeit als Ihr bislang spannendstes Projekt an?

Sigurdsson: Verein und Mannschaft haben sich damals sehr viel versprochen. Allerdings kam dann alles ganz anders.

SPOX: Erklären Sie.

Sigurdsson: Juri Schewzow, der damalige Trainer, wurde nach wenigen Wochen entlassen und Wolfgang Schwenke übernahm. Schwenke musste erstmal hart arbeiten, um Teile der Mannschaft auf seine Seite zu bekommen, da diese sehr an Juri hingen.

SPOX: Das gelang ihm offenbar. Am Saisonende stand mit Platz drei die bis dato beste Platzierung.

Sigurdsson: Ja, Wolfgang hat das super gemacht. Wir haben, wie bereits angesprochen, eine ganz ordentliche Saison gespielt. Wir hatten allerdings einen sehr großen Kader, ein Umbruch stand an und dann wurde Ola Lindgren verpflichtet. Da war dann das Problem, dass er als Trainer zu einer Mannschaft kam, die er nicht zusammengestellt hatte.

SPOX: Machte sich das bemerkbar?

Sigurdsson: Ich denke schon, dass Ola die Mannschaft lieber selbst zusammengestellt hätte und sich ein bisschen geärgert hat. Aber in seinem zweiten Jahr war das dann der Fall. Dennoch musste er relativ früh, nach einem eigentlich guten Start in die Saison gehen, das zeigt vielleicht am besten, wie unruhig es hier damals war.

SPOX: Dennoch hat eine manchmal etwas unruhige Situation auch ihr Gutes.

Sigurdsson: Ja. Man lernt, sich voll und ganz auf Handball zu konzentrieren und die Störgeräusche auszuschalten. Das war auch für mich eine wichtige Erfahrung.

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