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Beim HSV geht es derzeit ziemlich chaotisch zu
© getty

Vor wenigen Monaten beinahe in die 3. Liga abgestürzt, sollte der HSV in dieser Saison wieder in ruhigeres Fahrwasser gesteuert werden. Doch Pustekuchen - im Verein herrschen weiterhin Mäzen Andreas Rudolph und das Chaos. Allen Widrigkeiten zum Trotz befindet sich die Mannschaft von Trainer Christian Gaudin im Aufwind.

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Schluss. Aus. Vorbei. Im Juni war der HSV noch mausetot, Profi-Handball in Hamburg damit Geschichte - und das gerade einmal ein Jahr nach dem größten Triumph der Vereinsgeschichte, dem Gewinn der Champions League.

Big-Boss Andreas Rudolph war als Präsident zurückgetreten und schien die Lust an seinem Spielzeug verloren zu haben. Ohne die Millionen des Medizintechnik-Unternehmers konnte der Klub seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht mehr nachweisen, die HBL verweigerte die Lizenz.

Der HSV war bereits mit mehr als einem Bein in der 3. Liga. Statt Kiel und Flensburg hätten die Gegner Altenholz oder Fredenbeck geheißen. In letzter Instanz wurden die Hamburger wiederbelebt, das HBL-Schiedsgericht rückte doch noch eine Lizenz unter Bedingungen heraus. Auch oder vor allem dank Rudolph, der dann doch wieder bereit war zu helfen, wurde die Liquiditätslücke ausreichend geschlossen.

Mitgliederversammlung endet im Chaos

Klar wurde dadurch einigen Klubfunktionären: Der HSV stand nie auf gesunden Beinen, sondern hängt am Tropf des Mäzens. Will der Verein eine langfristige Zukunft haben, müssen sich die Strukturen grundlegend ändern. Ein Fundament muss geschaffen werden, das den HSV nicht gleich komplett aus den Angeln hebt, wenn mal ein Präsident zurücktritt.

Das Vorhaben, den Klub von Rudolph, dem die letztlich unprofessionellen Strukturen in erster Linie anzukreiden sind, zu lösen, erweist sich allerdings als äußerst kompliziert. Dies wurde auf der kürzlich abgehaltenen außerordentlichen Mitgliederversammlung (der Aufsichtsrat war durch Rücktritte nicht mehr beschlussfähig) deutlich, die im völligen Chaos endete.

Rücktritt als Knaller des Abends

Noch relativ unspektakulär: Andrea Detmers von der Abteilung für Fördermitglieder, der frühere Fanbeauftragte Torsten Lucht und Rechnungsprüfer Reimund Slany wurden neu in den Aufsichtsrat gewählt.

Es folgte der Knaller des Abends. Noch vor der offiziellen Verkündung der drei neuen Aufsichtsräte verlas Versammlungsleiter Claus Runge ein Schreiben, in dem der nicht anwesende Aufsichtsrat Fritz Bahrdt seinen sofortigen Rücktritt erklärte. Ein vollständiges Gremium war damit innerhalb von Sekunden Geschichte.

"So wie der Aufsichtsrat jetzt zusammengesetzt ist, möchte ich dort nicht mehr mitarbeiten, weil ich das nicht mit Überzeugung tun könnte", erklärte Bahrdt der "Hamburger Morgenpost". Das Problem soll die Wahl von Lucht gewesen sein. Dieser sei letztlich ein verlängerter Arm der Rudolph-Brüder Andreas und Matthias, der ebenfalls im Aufsichtsrat sitzt.

Machtkampf ums Präsidenten-Amt

Ein weiterer kurioser Punkt war die Geschichte mit Matthias Flohr. Ein aktueller HSV-Profi sollte im Aufsichtsrat installiert werden. Die dafür nötige, von Rudolph beantragte Satzungsänderung, wurde allerdings aus formellen Gründen abgelehnt.

Der Aufsichtsrat bestimmt den neuen Präsidenten. Beide Lager wollen also verhindern, eine Mehrheit für einen nicht wohl gesonnenen möglichen Klub-Boss zuzulassen. Ein Machtkampf ums Präsidenten-Amt ist in vollem Gange, Holger Liekefett und Karl Gladeck sind mögliche Kandidaten.

Der HSV ist gespalten in zwei Lager. Rudolph-Freunde auf der einen, Rudolph-Kritiker auf der anderen Seite. Die erste Fraktion möchte Rudolphs Macht einschränken und den eingetragenen Verein stärken, die anderen wollen noch mehr auf die Spielbetriebsgesellschaft und damit auf Rudolph setzen.

HSV noch immer in Not

Der Ex-Präsident hält nach wie vor die wichtigsten Zügel bei den Hamburgern in der Hand und scheint auch keinesfalls seine Macht abtreten zu wollen. Offenbar wird selbst Aufsichtsratsmitgliedern der Einblick in die Unterlagen der Spielbetriebs GmbH & Co. KG lediglich auf begründeten Antrag gewährt.

Zur Erklärung: Während im Fußball die 50+1-Regel gilt, müssen Handball-Vereine nur 25,1 Prozent an ihren Gesellschaften halten. Im Zweifelsfall hat der Verein an sich also nichts zu melden. Beim HSV halten übrigens die Rudolphs die Mehrheit.

Es bleibt zumindest vorerst dabei. Der HSV ist wenige Monate nach dem Beinahe-Super-GAU noch immer nicht gerettet. Dass sich die finanzielle Lage deshalb schlagartig wieder extrem verschlechtert, kann keinesfalls ausgeschlossen werden.

Im Dezember versammeln sich die Mitglieder einmal mehr. Erneutes Chaos? Wundern würde es wohl niemanden!

Sportlich auf dem Vormarsch

Die Funktionäre zanken sich und geben kein gutes Bild ab. Das eigentlich ausgegebene Ziel, die vielen verloren gegangenen Sympathien zurückzuerobern, bleibt alleine an der durch die finanziellen Einbußen um einige Leistungsträger dezimierten Mannschaft und Trainer Christian Gaudin hängen. Eigentlich erstaunlich, dass dies trotz der Gegebenheiten ganz gut gelingt.

Der Start verlief mit zwei Unentschieden und vier Niederlagen aus den ersten sechs Partien zwar äußerst holprig, seither läuft es aber - drei Siege in Serie. Vor allem bei den Erfolgen gegen Melsungen (31:30) und in Magdeburg (26:25) präsentierte sich der HSV als geschlossene Einheit, aus der Adrian Pfahl und Hans Lindberg herausstachen.

"So langsam läuft es", freut sich Gaudin. Hamburg belegt zwar nach wie vor nur Rang zwölf. Bis auf das Top-Trio Rhein-Neckar Löwen, THW Kiel und Frisch Auf Göppingen sind aber alle Teams noch in Reichweite.

Der HSV 2014 ist auf Führungsebene chaotisch - sportlich kann er Großes schaffen.

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