Dauerschläfer mit Raketenantrieb

Domagoj Duvnjak trug fünf Jahre lang das Trikot des HSV
© getty

Mit dem Supercup gegen die Füchse Berlin (Di., ab 20.15 Uhr im LIVE-TICKER) beginnt für Domagoj Duvnjak das Kapitel THW Kiel. Der kroatische Welthandballer ist ein Musterprofi, der vor allem seinen Ex-Coach Martin Schwalb zum Schwärmen bringt. Das einfache Erfolgsrezept des 26-Jährigen: Schlafen, schlafen, schlafen.

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Dakovo, ein Städtchen mit 28.000 Einwohnern, etwa 250 Kilometer von Zagreb entfernt. Hier berührte Domagoj Duvnjak in den 90er Jahren erstmals einen Handball, hier entwickelte sich die Liebe zu diesem Sport, der ihn nicht mehr los ließ. Genau genommen hatte er gar keine andere Wahl. Vater, Mutter, Schwester, Onkel, Cousins - alle handballverrückt. Sie schleppten ihn in die Halle, sein Weg war vorgezeichnet.

Dass dieser Weg steilt nach oben gehen würde, war früh absehbar. Im Alter von 16 Jahren debütierte der Rückraum-Allrounder für RK Dakovo in der ersten kroatischen Liga, 2006 folgte der nächste Schritt mit dem Wechsel zu RK Zagreb. Drei Jahre blieb er in der kroatischen Hauptstadt - und eroberte diese im Sturm. Mit drei Meisterschaften und drei Pokalsiegen im Gepäck folgte Duvnjak dem Ruf aus Deutschland und wurde für eine stattliche Ablösesumme von einer Million Euro nach Hamburg transferiert.

"Ich war fast noch ein Kind", erinnerte sich der damals noch keine 21 Jahre alte Dule einmal im Gespräch mit der "MOPO" zurück. Domagoj hört er nicht so gern. So nennt ihn nur die Mama, wenn der Sohnemann etwas ausgefressen hat. Hamburg erwies sich für Duvnjak jedenfalls als Glücksfall. Auch wenn er gerade Vizeweltmeister mit seinem Heimatland geworden war, galt es am Feinschliff zu arbeiten und sich erst einmal in der stärksten Liga der Welt durchzusetzen. Immerhin war die Sprachbarriere kein großes Problem - brauchbares Deutsch hatte er bereits auf dem Gymnasium in Kroatien gelernt.

"Ich respektiere Schwalb ohne Ende"

In Martin Schwalb fand Duvnjak seinen großen Förderer. "Ich habe sehr, sehr viel von ihm gelernt. Er hat mir von Anfang an sein Vertrauen geschenkt. Ich respektiere ihn ohne Ende", sagt der 1,98-Meter-Mann. Einem Spieler mit Duvnjaks Fähigkeiten das Vertrauen zu schenken, fällt freilich auch nicht allzu schwer.

Er ist ein Künstler, der Handball spielen will, im Zweifelsfall aber auch kämpfen kann. Explosiv, clever, ein mit zahlreichen Varianten ausgestatteter Wurf, in seinem ganzen Verhalten hoch professionell - und dank Schwalb mittlerweile auch in der Abwehr eine feste Größe: Der Rechtshänder bringt einfach alles mit.

Dule der Musterprofi

"Wenn ich mir einen Handballprofi malen dürfte, dann sähe er so aus wie Dule", schwärmt Schwalb noch heute: "Für ihn ist es eine Selbstverständlichkeit, wie ein Leistungssportler zu leben. Er kann ein Spiel lesen, denkt drei Schritte voraus. Er ist eine Rakete und von seiner Art her einzigartig."

So gelangen ihm bereits in seiner ersten HBL-Saison 110 Tore. 2012/2013 waren es 155 Treffer, vergangene Spielzeit 166. Der heute 26-Jährige führte den HSV erst zum Pokalsieg, dann zur deutschen Meisterschaft, ehe 2013 als Sahnehäubchen der Coup in der Champions League gelang.

Als Duvnjak, der trotz aller Erfolge immer bescheiden geblieben ist, dann auch noch zum Welthandballer 2013 gewählt wurde, überraschte das in Hamburg niemanden mehr. Für HSV-Torhüter Jogi Bitter war das "seit Jahren absehbar". Duvnjaks Zimmerkollege Pascal Hens kommentierte die Auszeichnung so: "Jetzt ist auch amtlich, was uns allen beim HSV schon lange klar war."

Das passt wie Arsch auf Eimer

Dule und Hamburg - es hätte womöglich eine länger als fünf Jahre anhaltende Ehe werden können. Aber es kam anders. Der HSV verhielt sich Gerüchten zufolge bei den Vertragsverhandlungen zunächst nicht sonderlich geschickt, als der Verein schließlich mit seinem Angebot an die Schmerzgrenze ging, war es bereits zu spät. Duvnjak konnte dem Werben der noch attraktiveren Braut aus Kiel nicht widerstehen. Er unterschrieb beim THW einen Kontrakt bis 2017 plus Option auf ein weiteres Jahr.

"Es sind mehrere Dinge, die dazu geführt haben. Es ist ein schwieriges Thema und es ist schwer, die richtigen Worte zu finden", erklärte der sympathische Kroate, der auch Angebote aus Barcelona, Paris und Veszprem vorliegen hatte: "Ich bin in Hamburg als Spieler, aber auch als Mensch gewachsen. Ich habe viele Freunde gewonnen. Dann die Stadt, die tollen Fans - es war die schwerste Entscheidung meines Lebens. Ich werde alles vermissen. Dieser Verein ist wie eine Familie für mich."

Duvnjak und der HSV passten sehr gut zusammen. Doch der unbestritten beste Handball-Klub in Deutschland, womöglich sogar der ganzen Welt, ist nun einmal in Kiel beheimatet. Wo sonst sollte der derzeit beste Spieler des Erdballs also hingehen? Duvnjaks Wechsel nach Kiel ist genau so logisch wie die Auszeichnung zum Welthandballer. Kiel und Dule - das passt wie Arsch auf Eimer.

Schlafen, schlafen, schlafen

Der THW strebt immer nach dem Maximum und hat alle Voraussetzungen dies auch zu erreichen - genau wie Duvnjak. "Ich bin ein Typ, der - ganz egal, was anliegt - immer gewinnen will. Und dafür arbeite ich hart", sagte Dule, der nicht nur Handball liebt, sondern sich generell jeden Sport im TV reinzieht. Zumindest so lange, bis ihm Freundin Lucija aufs Dach steigt.

Mit dem Supercup beginnt nun also seine Zeit in Kiel. Die Zebras können sich auf einen ausgeschlafenen Burschen freuen. Und das ist im wahrsten Sinne des Wortes zu verstehen. "Schlafen", antwortet der 133-malige Nationalspieler immer auf sein Hobby angesprochen: "Ich schlafe immer, wenn es geht - und so viel wie möglich."

Jammern verboten

Vielleicht steckt Duvnjak deshalb meist ohne größere Schwierigkeiten das mörderische Programm recht gut weg, das der Handball-Kalender für große Spieler, die mit ihren Klubs bis zuletzt auf sämtlichen Hochzeiten tanzen und mit ihren Nationalteams erfolgreich sind, so mit sich bringt. Jammern wegen der Belastungen hört man den Kroaten jedenfalls so gut wie nie.

"Das ist Profisport", pflegt Duvnjak zu sagen: "Das Geld, das im System steckt, verlangt nun mal, dass die Hauptdarsteller im Drei-Tage-Rhythmus spielen." Viel mehr an die Substanz als die Partien an sich gehen ohnehin die Reisen, meint er. Flug, Bus, Hotel, Halle und wieder zurück - das mache einen eher fertig. Neben viel Schlaf stellt sich Dule darauf auch mental ein. Mit einer einfachen Methode: Er denkt einfach in ganz kleinen Schritten voraus. "Das nächste Training und maximal das nächste Spiel", mehr interessiere ihn nicht.

Beim THW wird es genau in diesem Rhythmus weitergehen. Mit dem Unterschied, dass er sehr wahrscheinlich mehr Pausen als in Hamburg, wo er nicht selten mehr oder weniger durchspielte, erhalten wird. Neben ihm stehen für den Rückraum nämlich beispielsweise noch Filip Jicha, Aron Palmarsson, Marko Vujin und Joan Canellas im Kader. Trainer Alfred Gislason ließ bereit verlauten, dass er ordentlich rotieren wolle.

Keine Lobeshymnen von Gislason

Apropos Gislason. Der knorrige Isländer hält sich bisher mit Lobeshymnen auf seinen neuen Superstar zurück. Er halte nicht so viel von Superlativen, da sich im Leistungssport von einem Tag auf den anderen vieles ändern könne. Erst wenn man bohrt, nicht locker lässt und regelrecht nervt, räumt Gislason ein, dass es ihm Spaß mache, Dule spielen zu sehen.

Will man mehr hören, fragt man bei Schwalb nach. Der hat nämlich einen der schönsten Sätze überhaupt gesagt: "Für einen Spieler wie Dule ist der Handball erfunden worden."

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