Die Comeback-Kids sind CL-Sieger!

Mattias Andersson und die SG Flensburg-Handewitt schaffen in Köln gleich zwei Handball-Wunder
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Die SG Flensburg-Handewitt gewinnt nach dem unfassbaren Halbfinal-Sieg gegen den FC Barcelona auch den Showdown gegen den THW Kiel mit 30:28 (14:16) und holt damit zum ersten Mal den Champions-League-Titel. Kiel verpasst dagegen den vierten Triumph nach 2007, 2010 und 2012.

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Im ersten rein deutschen Champions-League-Finale seit 2007, damals bezwang Kiel Flensburg noch nach Hin- und Rückspiel, bewies die SG erneut ihre verrückten Comeback-Qualitäten. Diesmal lag Flensburg schon früh mit sechs Toren in Rückstand, drehte das Spiel aber auf ähnlich wahnsinnige Weise wie schon gegen Barca.

Zum Helden wurde Torwart Mattias Andersson, der den THW in Halbzeit zwei verzweifeln ließ. Beste Werfer bei Flensburg waren die beiden Außen Anders Eggert und Lasse Svan mit jeweils 7 Toren. Beim THW trafen Aron Palmarsson (6), Gudjon Valur Sigurdsson (5), Niclas Ekberg (5) und Marko Vujin (5) am besten.

Im Spiel um Platz 3 setzte sich der FC Barcelona vor allem dank Siarhei Rutenka (11 Tore) mit 26:25 (9:10) gegen MKB-MVM Veszprem durch.

Die Reaktionen:

Dierk Schmäschke (Geschäftsführer SG Flensburg-Handewitt): "Was die Mannschaft abgeliefert hat, ist unglaublich. Es ist ein Traum wahr geworden. Diese Mannschaft hat Geschichte geschrieben. Es ist der absolute Wahnsinn, ich kann das noch gar nicht begreifen."

Ljubomir Vranjes (Trainer Flensburg): "Ich bin verdammt stolz auf meine Mannschaft. Wir wussten, dass es sehr schwierig werden würde. Das Ende war der absolute Wahnsinn."

Alfred Gislason (Trainer Kiel): "Ich bin extrem stolz auf meine Mannschaft, die in dieser Saison alles erreicht hat, was wir vor der Saison als Ziel ausgegeben haben. Deutscher Meister und im Finale der Königsklasse - diese Bilanz ist unglaublich."

Filip Jicha (THW Kiel): "Die Kraft war nicht mehr vorhanden. Es war ein hartes Spiel. Schade, dass es nicht geklappt hat. Glückwunsch an Flensburg."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Spiel: Der THW beginnt mit seinem etatmäßigen Rückraum aus Jicha, Palmarsson und Vujin, dazu kommt Wiencek statt Toft Hansen am Kreis, auf den Außen vertraut Gislason auf Sigurdsson und Ekberg, der für Sprenger anfangen darf. Sjöstrand und nicht Halbfinal-Held Palicka steht im Kasten. Flensburgs Startformation: Andersson im Tor, die Rückraum-Achse Nenadic, Mogensen, Glandorf, Kreisläufer Knudsen und die Außen Eggert und Svan.

2.: Geht schon brutal los! Jicha mit dem ersten Gegenstoß-Tor für den THW, kurz später ist Sigurdsson auf und davon, scheitert aber an Andersson. Auf der anderen Seite trifft Svan von Rechtsaußen. Statt einem ganz schnellen 0:3 verkürzt die SG auf 1:2.

6.: Das ist er wieder, dieser unfassbare Palmarsson! Aus dem Stand schleudert der Isländer den Ball unter die Latte. Ein Mega-Tor! Sjöstrand hält dazu überragend gegen Svan, starker Start für den THW. 4:1 Kiel.

11.: Kiel dominiert! Flensburg mit dem nächsten Fehlwurf im Angriff, Jicha walzt nach vorne und findet Sigurdsson, auch der ist drin! 8:3 Kiel! Vranjes legt die grüne Karte hin, das war fällig - Timeout.

16.: Weinhold bricht durch und haut den Ball Sjöstrand mitten ins Gesicht! Der Schwede ist komplett außer sich und textet Weinhold heftig zu! Aber er kann sich auch freuen, im Gegenstoß hat es schon wieder eingeschlagen, Sigurdsson! Und weil es so schön war, folgt gleich noch mal die Kombi Sjöstrand-Save und Sigurdsson-Fastbreak-Treffer. Der THW ist auf 6 weg. 11:5!

23.: Klasse gespielt von der SG! Mogensen zu Weinhold, der stark ablegt auf Rechtsaußen zu Svan. Schon sein vierter Treffer. Flensburg ist nach einem 3:0-Lauf wieder auf 3 dran. 12:9 Kiel. Gislason überlegt es sich kurz, nimmt aber dann die Auszeit.

30.: Palmarsson knallt den Freiwurf zum Abschluss der ersten Halbzeit an die Latte! Flensburg hat sich nach miserablem Start mit einem 8:4-Run in die Partie hineingefightet. Nur noch 16:14 Kiel zur Pause.

38.: Es hat lange gedauert, aber jetzt ist Glandorf mal da! Der Linkshänder steigt aus dem Rückraum hoch und erwischt Sjöstrand im falschen Eck. Jetzt tankt sich noch Mogensen im Alleingang durch! Ausgleich! 19:19!

39.: Unfassbar! Flensburg geht zum ersten Mal in Führung - und wie! It's Kempa-Time! Svan fliegt ein und legt in letzter Sekunde noch auf die andere Seite zum heranfliegenden Eggert ab - Tor des Tages! 20:19 Flensburg. Timeout Gislason.

44.: Bei Flensburg klappt fast alles! Bei Kiel nichts mehr! Glandorf hat seinen Modus vom Halbfinale gefunden und reißt die Partie an sich. Dazu hat Andersson die Kiste einfach mal komplett vernagelt. Der THW zeigt Wirkung - Sprenger ballert den Ball weit drüber! 23:20 Flensburg!

48.: Nächster Ballverlust des THW, Mogensen schnappt sich den Ball und geht Coast-to-Coast durch, hier spielt nur noch Flensburg! Jetzt ist Jicha doch mal ganz allein vor Andersson, aber der Hexer hält auch diesen Wurf, Wahnsinn! 25:21 Flensburg.

54.: Der THW kommt zurück! Und zwar durch Jallouz und Zeitz, Sachen gibt's. 3:0-Lauf! Dann hat Kiel sogar die Chance zum Ausgleich, aber Jallouz fabriziert einen furchtbaren Fehlpass, Eggert bedankt sich. 27:25 Flensburg!

60.: Andersson hält den Wurf von Palmarsson ganz lässig fest! Das ist das i-Tüpfelchen auf seine Weltklasse-Leistung! Dann wird Vujin nochmal geblockt! Das war's! 30:28! Flensburg wird Champions-League-Sieger!!!! Alle rennen auf Andersson zu und erdrücken ihn!!!

SG Flensburg-Handewitt vs. THW Kiel: Hier geht's zum BOXSCORE

Der Star des Spiels: Mattias Andersson. Als Kiel in der ersten Halbzeit so krass überlegen war, hätte Vranjes schon über einen Torwartwechsel nachdenken können. Sören Rasmussen hielt gegen Barca ja auch sensationell. Aber Vranjes ließ Andersson im Kasten und lag goldrichtig. Was Andersson in der zweiten Halbzeit parierte, war der helle Wahnsinn (am Ende 41 Prozent gehaltene Bälle). Beim THW baute Sjöstrand dagegen ab, Palicka kam für die letzten 20 Minuten rein und verbuchte einige Saves, der MVP war aber eindeutig Andersson. Dass offiziell Palmarsson Final-Four-MVP wurde, ist trotz dessen Super-Leistung ein Witz. Außerdem entscheidend: Glandorf, der nach der Pause aufdrehte und alle seine 5 Tore in der zweiten Halbzeit warf und Antreiber Mogensen (9 Assists).

Der Flop des Spiels: Filip Jicha. Oder besser gesagt: sein Körper. Es kam am Ende einfach zu wenig aus dem Kieler Rückraum. Palmarsson hatte eine ordentliche, aber nicht überragende Quote (6/12) und hielt den THW mit seinem Genie (auch 7 Assists) phasenweise fast schon alleine im Spiel. Von Vujin (5/12) und vor allem von Captain und Superstar Jicha (3/8) fehlte aber die Unterstützung. Jichas Tank war nach all den Anstrengungen der letzten Wochen dann doch einfach mal leer. Mit Sicherheit kein Flop aufgrund des fehlenden Willens, Jicha gab alles, aber sein Körper ließ ihn das Team offensiv nicht so tragen, wie es nötig gewesen wäre. Es war bezeichnend, dass Gislason noch Jallouz und Zeitz brachte. Und dass auch Zeitz nichts gelang (1/5).

Das fiel auf:

  • Der THW machte da weiter, wo er gegen Veszprem in der zweiten Halbzeit aufgehört hatte. Dank einer offensiven 3-2-1-Deckung mit Jicha an der Spitze und einem starken Sjöstrand dahinter im Kasten konnte Kiel Flensburger Fehler provozieren und sein überragendes Tempospiel gnadenlos aufziehen. Sprich: Es lief extrem viel über Sigurdsson (5 Tore in Halbzeit eins, 3 im Gegenstoß) und Ekberg (4). Kiel war schnell auf 6 weg und kurzzeitig sogar auf Kurs, in 30 Minuten über 20 Tore zu werfen.
  • Flensburg tat sich im Angriff zunächst schwer, der linke Rückraum (Vranjes brachte schnell Gottfridsson für Nenadic) war erneut unproduktiv, Holger Glandorf war im Vergleich zum Halbfinale überhaupt nicht wiederzuerkennen. Aber: Flensburg wäre nicht Flensburg, wenn sich das Team nicht wieder zurückgefightet hätte. Und zwar mit der gleichen Waffe, die Kiel besitzt. Eine sich steigernde Abwehr und einige Andersson-Paraden ermöglichten es der SG, ihrerseits das Gegenstoßspiel über Svan (4 Tore in Halbzeit eins) und Eggert (3) zu lancieren.
  • Die Comeback-Kids aus Flensburg drehten das Spiel mit einem 20:10-Lauf (von 6:12 auf 26:22), der in die Geschichte eingehen wird. Andersson war der entscheidende Mann, aber auch die Arbeit seiner Vorderleute muss herausgestellt werden. Das SG-Bollwerk um Abwehrchef Karlsson blockte in Halbzeit zwei unzählige Würfe. Kiels Tempospiel fand dagegen nicht mehr statt (0 Gegenstoß-Tore in Halbzeit zwei).
  • Flensburg hatte seit dem Meistertitel 2004 und dem Pokalsieg 2005 keinen Titel mehr gewonnen, dafür aber reihenweise Endspiele gegen den THW verloren. In dieser Saison reichte es nicht mal im Pokalfinale gegen die Füchse Berlin für einen Pokal. Aber jetzt haben diese Flensburger nacheinander die größten europäischen Handballklubs Barca und Kiel niedergerungen. Beide Male nach 6-Tore-Rückstand. Chapeau vor dieser unglaublichen Truppe!

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