"Franzosen besser als alle anderen"

SID
Martin Heuberger sieht seine Mannschaft derzeit nicht auf einer Stufe mit Frankreich und Dänemark
© Getty

Martin Heuberger soll die deutsche Handball-Nationalmannschaft nach dem enttäuschenden elften Platz bei der Weltmeisterschaft im Januar wieder auf Kurs bringen. Im Interview schätzt der Nachfolger von Heiner Brand sein Team im Vergleich zu den Top-Nationen ein, spricht über das Verhältnis zu den Bundesliga-Vereinen und über die Zusammenarbeit mit seinem Vorgänger.

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Frage: Herr Heuberger, beim Supercup Anfang November sitzen Sie zum ersten Mal bei einem Länderspiel als Bundestrainer auf der Bank der deutschen Nationalmannschaft. Lässt Sie ihr Vorgänger Heiner Brand völlig in Ruhe, was das Nationalteam betrifft?

Martin Heuberger: Völlig.

Frage: Spielt Heiner Brand also gar keine Rolle mehr in ihrem Leben als Bundestrainer?

Heuberger: Ich als Bundestrainer habe ja nicht nur die Aufgabe, die A-Nationalmannschaft zu trainieren. Ich bringe mich in die gesamte Entwicklung des Handballs in Deutschland ein. Und Heiner hat sich verstärkt der Nachwuchsarbeit verschrieben und macht da sehr gute Arbeit. Er ist viel unterwegs und informiert sich, denn das war ja bisher nicht sein Metier. Und da versuche ich, ihn zu unterstützen, wo es geht. Ich denke, dass wir in dieser Richtung sehr gut zusammenarbeiten.

Frage: Und wenn Sie doch einmal gern seine Meinung zur A-Nationalmannschaft hören wollen?

Heuberger: Dann würde ich ihn auch fragen, klar. Ich wäre ja schlecht beraten, wenn ich nicht auf einen solchen Erfahrungsschatz zurückgreifen würde.

Frage: Bei der Zusammenarbeit mit den Bundesliga-Vereinen sind Sie gänzlich unvorbelastet. Unter Heiner Brand hatten sich die Fronten zwischen Klubs und Bundestrainer verhärtet, es herrschte eine eisige Atmosphäre. Haben Sie das Gefühl, dass Sie in dieser Hinsicht wieder bei null starten können?

Heuberger: Ich wusste um diese Problematik. Ich habe das zum Teil ja auch live mitbekommen, was da gelaufen ist mit den Vereinen. Für mich war das aber trotzdem kein Grund, es nicht erneut zu versuchen. Für mich ist das ein Neustart, ein Neubeginn als Bundestrainer - und deshalb auch ein Neubeginn in der Zusammenarbeit mit den Vereinen. Ich weiß, dass ich ohne die Vereine keinen Erfolg haben kann, ich brauche sie, ganz klar. Weil sie tagtäglich mit den Spielern umgehen. Aber umgekehrt wissen die Klubs auch, und das haben wir auch so besprochen, dass sie ein positives Image der Nationalmannschaft brauchen, gute Ergebnisse der Mannschaft, um ihr Produkt vor Ort besser darstellen können.

Frage: Die Zeichen stehen also auf Versöhnung?

Heuberger: Ich glaube schon, dass viele Vereine gewillt sind, mit mir in dieser Richtung zusammenzuarbeiten. Natürlich kann das nicht von heute auf morgen funktionieren, dass plötzlich nur noch deutsche Spieler auf dem Feld stehen. So vermessen brauchen wir nicht zu sein. Wir haben eben die stärkste Liga der Welt, und das ist vielleicht ein Nachteil für die jungen deutschen Talente. Aber ich glaube, dass wir uns mittelfristig auf einem guten Weg befinden, und es gibt ja auch sehr viele positive Beispiele.

Frage: Trotzdem bleibt die Bundesliga für den deutschen Nachwuchs ein schwieriges Pflaster. Heiner Brand mahnte jahrelang die fehlenden Einsatzzeiten an.

Heuberger: Es geht ja nicht nur um die reinen Einsatzzeiten. Es geht ja auch darum, diese Spieler perspektivisch weiterzuentwickeln. Diese jungen Spieler brauchen da noch viel mehr individuelles Training, in dem man gezielter arbeitet. Sehen Sie, in der Bundesliga ist es ja so, dass durch den Termindruck in den englischen Wochen mit Ligaspielen und Champions League fast nur noch taktisches Training gemacht wird. Da kümmert man sich meines Erachtens zu wenig um die individuelle Ausbildung.

Frage: Wie müsste diese aussehen?

Heuberger: Zum Beispiel Wurfvarianten einüben, individuelles Abwehrtraining anbieten, solche Dinge. Da reicht Taktik-Training allein nicht aus. Das war auch ein Punkt, den ich mit den Vereinen besprochen habe. Damit wir auch in dieser Hinsicht weiterkommen. Denn wenn sich junge Spieler auf dieser Basis weiterentwickeln, eröffnet sich für sie auch eine Perspektive, mehr Einsatzzeiten zu bekommen. Da habe ich versucht anzusetzen.

Frage: Nach dem WM-Titel 2007 war Deutschland wieder in der absoluten Weltspitze angekommen. Vier Jahre später nach Platz elf in Schweden kehrte die große Ernüchterung ein. Wo steht die aktuelle deutsche Nationalmannschaft aus ihrer Sicht?

Heuberger: Ganz vorne marschieren die Franzosen weg. Das muss man ganz klar sagen, auch wenn das WM-Finale gegen Dänemark knapp war. Aber die Konstanz und die Routine, die diese Mannschaft hat, macht sie einfach besser als andere. Dass Dänemark solch ein gutes Turnier spielt, hätte ich nicht gedacht, denn bei den Dänen gab es ja auch einige Umstellungen. Dänemark kommt gleich nach Frankreich. Und dahinter kommt für mich ein sehr breites Mittelfeld, in dem ich auch uns sehe. Wenn es optimal läuft, können wir uns mit Teams wie Spanien, Schweden, Island, Kroatien und solchen Nationen messen. Das ist meines Erachtens unsere Kragenweite - wenn alles passt.

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