Schwalb: "Auch Frankreich ist zu schlagen"

Von Interview: Benny Semmler
Martin Schwalb ist seit Oktober 2005 Trainer beim HSV Hamburg
© Getty

Martin Schwalb ist mit dem HSV so dicht dran am Titel wie noch nie. Für den viertbesten Torjäger der Bundesligageschichte wäre es dennoch ein kleines Wunder, wenn es mit der Entthronung des THW Kiel klappen würde. Im Interview mit SPOX spricht Schwalb über die Mechanismen beim HSV, die Favoriten für die bevorstehende EM und sein besonderes Verhältnis zu Heiner Brand.

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SPOX: Der HSV ist Herbstmeister. Holen Sie jetzt auch den Titel?

Schwalb: Wir sind ein Team, das um den Titel mitspielt. Das andere Team spielt in Kiel. Ich würde sagen: Die Chancen stehen 50:50!

SPOX: Zurzeit sind Sie aber Erster. Warum steht denn der HSV und nicht der THW Kiel ganz vorne?

Schwalb: Der ganze HSV funktioniert. Der Präsident, die medizinische Abteilung, die sportliche Führung, die Mannschaft. Das passt einfach. Was soll ich sagen? Wir sind einfach richtig gut.

SPOX: Wäre es ein kleines Handballwunder, wenn der HSV am Ende jubelt - oder wäre der Titel nur das logische Resultat vieler Investitionen?

Schwalb: Nur die Investitionen sind es ja nicht. Der HSV hat sich entwickelt. Der ganze Verein funktioniert inzwischen. Wir haben mit über 10.000 Fans im Schnitt einen tollen Rückhalt. Und diese vielen kleinen Rädchen, die dann irgendwann greifen, kann man nicht kaufen.

SPOX: Haben Sie nicht enorm viel Geld in die Hand genommen?

Schwalb: Natürlich haben wir eine gute Mannschaft. Das will ich auch gar nicht  verhehlen. Aber wir sind doch auch nur dann erfolgreich, wenn jeder Spieler sich für das Team einbringt. Insofern wäre es ein kleines Wunder, wenn wir es am Ende schaffen.

SPOX: Sie müssen also gar nicht deutscher Meister werden?

Schwalb: Richtig. Wir müssen nicht deutscher Meister werden. Wir wollten eine Top-Mannschaft in Europa werden. Das war bis jetzt unser Ziel. Das haben wir erreicht. In den nächsten Jahren werden die Ziele neu abgesteckt. Und ich bin mir sicher, auch diese werden wir erreichen.

SPOX: Sie werden also noch mehr Geld in die Mannschaft stecken?

Schwalb: Damit hat das nichts zu tun. Andere Mannschaften nehmen auch viel Geld in die Hand - und es funktioniert nicht.

SPOX: Anderes Thema: Zum EM-Auftakt geht's gegen Polen. Es gibt leichtere Gegner zum Warmwerden.

Schwalb: Bei einer Europameisterschaft gibt es keine Spiele zum Warmwerden. Da geht's sofort drauf. Weder bei Olympischen Spielen, noch bei einer Weltmeisterschaft ist das Niveau so hoch wie bei einer EM. Jeder kann jeden schlagen. Aber das Turnier 2004 hat gezeigt, dass das erste Spiel nicht immer den Trend vorgeben muss (Anm. d. Red. 26:28-Niederlagen gegen Serbien-Montengro).

SPOX: Finden Sie es richtig, dass Pascal Hens auf die EM verzichtet?

Schwalb: Für Pascal gab es keine andere Möglichkeit. Er hat sich für die deutsche Nationalmannschaft immer aufgeopfert, sich sehr oft schwer verletzt. Ich habe viel mit ihm darüber gesprochen. Und am Ende hat er sich eben für diese Auszeit entschieden. Der Bundestrainer, die Mitspieler, alle haben großes Verständnis für seine Entscheidung.

SPOX: Viele Fans wundern sich trotzdem, warum einer der besten Handballer nicht mit zu einer EM fährt.

Schwalb: Pascal ist in einem Alter, wo er sich nicht mehr schwer verletzen sollte. Er ist keine 25 mehr. Deswegen ist diese Pause für den HSV und für den deutschen Handball sehr wichtig.

SPOX: Wer holt den EM-Titel?

Schwalb: Ich würde gerne was anderes sagen: Aber es sind die Franzosen. Diese Mannschaft hat alles, was ein Favorit braucht. Allein die Namen: Omeyer, Gille, Karabatic, Narcisse, Dinart, Abalo. Die ganze Mannschaft ist ein Star.

SPOX: Und die deutsche Mannschaft?

Schwalb: Auf die Rückraumspieler Holger Glandorf und Lars Kaufmann wird es ankommen. Sie sind die Shooter. In meinen Augen manchmal zu viel Shooter. Wir sollten da häufiger den Weg über die Außen suchen. Denn nur durch die Mitte wird es nicht gehen.

SPOX: Was ist mit Mimi Kraus?

Schwalb: Ein Mimi Kraus muss funktionieren. Keine Frage. Aber im deutschen Team wird keiner ein Spiel alleine gewinnen. Es müssen viele Dinge an einem Tag passen. Dann ist auch Frankreich zu schlagen.

SPOX: Wer wird der Shooting-Star des Turniers?

Schwalb: Ich hoffe, dass Domagoj Duvnjak ein großes Turnier spielt. Der Kerl ist erst 21 Jahre und ein Riesen-Talent. Und er spielt Gott sei Dank beim HSV.

SPOX: Den kennen die deutschen Fans bereits. Gibt es einen jungen Spieler, den Sie als Geheimtipp auf dem Zettel haben?

Schwalb: Zarko Sesum. Ein 23-jähriger Serbe. Aber dass der Junge Handball spielen kann, ist auch kein Geheimnis mehr.

SPOX: Wie gut können Sie mit Heiner Brand?

Schwalb: Sehr gut. Heiner und ich verstehen uns bestens. Wir kennen uns schon seit 1984. Damals war er Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft. Dann war er mein Vereinstrainer bei Wallau-Massenheim. Ich schätze ihn sehr.

SPOX: Ausraster und Leidenschaft liegen bei Heiner Brand nah beieinander. Ist er privat auch so ein Hitzkopf?

Schwalb: Der ist überhaupt kein Hitzkopf. Die Aktion nach dem WM-Aus gegen Norwegen wird in den Medien viel zu dramatisch dargestellt. Heiner ist mit viel Herzblut bei der Sache. Emotionen sind doch etwas Wunderbares.

SPOX: Aber das Bild, als Brand dem slowenischen Schiedsrichter mit der Faust drohte, ist in viele Köpfen hängen geblieben.

Schwalb: Er hat eine klare Linie. Er ist immer konsequent. Er macht alles im Sinne der Mannschaft. Und Heiner ist absolut kein Hitzkopf, der bei Kleinigkeiten ausrastet. Ich jedenfalls genieße die Zeit und Gespräche mit ihm sehr.

SPOX: Heiner Brand hat noch einen Vertrag bis 2013. Wer soll sein Nachfolger werden?

Schwalb: Für den deutschen Handball wäre es am besten, wenn Heiner Brand noch lange Bundestrainer bleibt. Er kann den  Job gerne bis zu seiner Rente machen. Denn was er macht, macht er gut.

Spielplan der EM in Österreich