Jogi Bitter: "Es darf sich nicht aufstauen"

SID
Johannes Bitter wehrte in den ersten zwei EM-Spielen schon 31 Schüsse und drei Siebenmeter ab
© Getty

Johannes Bitter spielt bislang als einziger deutscher Spieler eine herausragende EM. Der deutsche Torwart imponiert mit grandiosen Paraden und mit seiner emotionsgeladenen Spielweise. Bei SPOX spricht er über seinen letzten Ausbruch und erklärt, warum für Deutschland noch alles drin ist.

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57. Minute im Spiel zwischen Deutschland und Slowenien. Die weißrussischen Schiedsrichter Gousko und Repkin haben zum wiederholten Male eine völlig unverständliche Entscheidung getroffen und zeigen den nächsten Siebenmeter an.

Das ist zu viel für Johannes Bitter. Der deutsche Keeper springt wie von der Tarantel gestochen hin und her und versetzt dem rechten Torpfosten einen Tritt, der den Kasten zum Wackeln bringt. Bitter wie er leibt und lebt.

Deutschland - Slowenien in der SPOX-Analyse: Mit Willen geht fast alles

Auf dem Feld ein unglaublich emotionaler Weltklasse-Schlussmann, außerhalb die Ruhe in Person. Bitter ist nach den ersten beiden Spielen der größte Pluspunkt des Teams von Bundestrainer Heiner Brand.

Was die DHB-Auswahl ohne ihn machen würde, sollte sich lieber niemand ausmalen. Nach dem erkämpften Remis gegen Slowenien sprach der 27-Jährige mit SPOX über den deutschen Kampfgeist und die Aussichten für den weiteren Turnierverlauf.

SPOX: Herr Bitter, ich glaube, man darf Ihnen zu diesem Punktgewinn gratulieren. Die Art und Weise, wie das Team in der zweiten Halbzeit Dampf gemacht hat, war ja phänomenal. War das allein eine Frage des Willens?

Johannes Bitter: Was hätten wir anderes machen sollen? Wir konnten uns ja nicht einfach so abschießen lassen. Uns blieb gar nichts anderes übrig, als alles zu mobilisieren, was in uns steckt. Hinzu kommt, dass wir einige erfahrene Leute in der Mannschaft haben, die wissen, dass im Handball alles möglich ist. In fünf Minuten kann sich alles drehen. Wir haben den Glauben nie verloren.

SPOX: Woher nimmt die Mannschaft diesen Spirit?

Bitter: Der Kampfgeist und der Zusammenhalt sind unsere großen Stärken, die wir einfach an den Tag legen müssen. Sonst haben wir hier keine Chance. Das hat man ja erneut ganz deutlich gesehen.

SPOX: Sie sprechen die erste Halbzeit an.

Bitter: Richtig. Das war einfach nichts, was wir da gespielt haben. Wir haben zu viele leichte Tore bekommen und im Angriff haben wir wieder mal den Spielwitz vermissen lassen. Wir haben uns wieder nicht gut ohne Ball bewegt und wieder völlig unnötig zu schnell abgeschlossen.

SPOX: Gerade die Anfangsphase war der reinste Horror. Bis zum ersten Tor hat es über neun Minuten gedauert. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Bitter: Es ist in der Tat schwierig zu erklären. Wir waren wieder sehr nervös, was ich nicht ganz nachvollziehen kann. Wir haben die Bälle ständig weggeschmissen und im Angriff auch einfach nicht mit genug Überzeugung gespielt. Der slowenische Keeper hat zwar auch gut gehalten, aber wenn wir den Ball mit 110 Prozent aufs Tor gefeuert hätten, wäre auch mal einer rein gegangen.

SPOX: Es ist offensichtlich, dass alle unbedingt wollen. Kann es sein, dass die Mannschaft übermotiviert ist?

Bitter: Es ist sicher schwer, gerade nach so einer Niederlage wie gegen Polen seine Motivation im Zaum zu halten und in die richtigen Bahnen zu lenken. Dann kommt Hektik auf, das macht es noch schwieriger. Deshalb ist es wichtig, dass jeder für sich selbst einen Weg findet, wie er der Mannschaft am besten helfen kann. Als Leistungssportler muss man das schaffen.

SPOX: Am Ende hätte es fast noch zum Sieg gereicht. Ist der eine Punkt zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig?

Bitter: Das würde ich nicht so sagen. Wir glauben daran, dass hier noch alles möglich ist. Wir werden niemals aufhören zu glauben. Wir haben die Chance, mit einem Sieg gegen Schweden voll ins Turnier reinzustarten.

SPOX: Von den Schweden haben sich viele Experten viel mehr erwartet. Wie schätzen Sie die Mannschaft ein?

Bitter: Schweden hat eine sehr gute Mannschaft. Gegen Slowenien haben sie das Spiel über weite Strecken beherrscht und sind dann unglücklich eingebrochen. Gegen Polen waren sie auch immer dran. Wir müssen dagegenhalten und noch mal zehn Prozent mehr geben, sonst werden wir sicher keine Punkte holen.

SPOX: Macht es Ihnen Mut, dass es gerade Spieler aus der zweiten Reihe waren, wie Christoph Theuerkauf und Michael Müller, die gezeigt haben, dass sie in die Bresche springen können?

Bitter: Das war natürlich schön zu sehen. Wir haben hoffentlich noch ein langes Turnier vor uns, da brauchen wir jeden Spieler. Es muss unsere Stärke sein, dass wir auf hohem Niveau wechseln können. Es ist die Aufgabe des Trainers dann zu entscheiden, wer der Mannschaft in welcher Situation am meisten weiterhelfen kann.

SPOX: Zum Schluss: Haben Sie kein Mitleid mit einem armen Torpfosten? Musste das sein?

Bitter: (lacht) Nein, ich muss das auch nicht haben. Wenn es besser laufen würde, verzichte ich gerne auf solche Aktionen. Aber manchmal muss ich die Emotionen rauslassen und mich entladen. Sonst staut es sich alles in mir auf und hemmt mich. Es muss raus.

SPOX: Bei einer solchen Schiedsrichter-Leistung kann man ja nicht ruhig bleiben, oder?

Bitter: Wir sollten die Fehler zuerst bei uns selbst suchen, aber ich denke schon, dass einige Leute sagen würden, dass die Schiedsrichter gegen Slowenien nicht unbedingt unsere Freunde waren.

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