Die Entstehung des Germanators

Von Florian Regelmann
Martin Kaymer hat in seiner Karriere bislang neun Turniersiege eingefahren
© Getty

Martin Kaymer ist die neue Nummer eins der Welt. 25 Jahre nach Bernhard Langer kommt der beste Golfspieler der Welt wieder aus Deutschland. Die Übernahme der Spitzenposition ist das Ende einer Entwicklung, die sich seit Jahren abgezeichnet hat. SPOX über die Momente, die Kaymers Karriere auf dem Weg zur Nummer eins definiert haben.

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21. Juni 2006: Die 59er-Fabelrunde

Eine 59 im Golf zu spielen, gehört zu jenen Freuden, die im Leben nur ganz wenigen Menschen vorbehalten sind. Ein Supermodel zu daten oder ein Hole-in-One zu schlagen ist auf jeden Fall deutlich realistischer. Kaymer gelang dieses Kunststück aber bereits ganz am Anfang seiner Karriere. Im Alter von 21 Jahren trat Kaymer bei der Habsberg Classic auf der EPD Tour an. Eine Art dritte Liga, auf der sich die Talente nach oben spielen können.

Nach einer 68 am ersten Tag war es in Runde zwei soweit. Mit einem Bogey an der 2 ging es nicht mal gut los, aber danach feuerte Kaymer zwölf Birdies und ein Eagle auf den Platz. Als der Birdie-Putt aus fünfeinhalb Metern an der 18 fiel, war die 59 perfekt.

Beeindruckend und charakteristisch für Kaymer: Er lehnte sich am nächsten Tag nicht zurück, sondern legte eine sensationelle 62 nach. Für seinen Sieg kassierte er im Übrigen 3300 Euro. In gewisser Weise ist sein Stern in dieser Woche aufgegangen. In Golfer-Kreisen war Kaymers Ausnahmetalent zumindest seit der 59 jedem bekannt. Jeder wusste: Dieser Junge hat etwas ganz Besonderes.

13. August 2006: Das nächste Level

Kaymer führte die Wertung auf der EPD-Tour an, es war Zeit für das nächste Level. Die Challenge Tour. Die 2. Liga. Viel schwierigere Plätze, viel härtere Konkurrenz - im Normalfall kommt man als Jungspund nicht dorthin und gewinnt sofort wieder. Aber dass der Normalfall für Kaymer nicht gilt, war zu diesem Zeitpunkt ja bereits klar.

Er trat bei der Vodafone Challenge zum ersten Mal auf der Challenge Tour an und holte sich auch hier gleich seinen ersten Titel. Und das auch noch bei einem echten Heimspiel. Im G&CC Elfrather Mühle gewann der gebürtige Düsseldorfer vor den Augen zahlreicher Freunde und machte den nächsten Schritt in Richtung seines Traumziels European Tour.

In den Wochen danach siegte Kaymer noch bei einem Challenge-Tour-Event in Frankreich und landete weitere vier Mal in den Top 4. Obwohl er so spät in die Challenge-Tour-Saison eingestiegen war, erspielte er sich bei seinen wenigen Turnieren blitzschnell so viel Geld, dass er in der Rangliste so weit nach oben kletterte und sich sein Ticket für die European Tour sicherte. Ein kometenhafter Aufstieg.

März/April 2007: Endlich Geld in der Kasse

Kaymer war auf der European Tour angekommen. Dort wo er immer hinwollte. Aber zu Beginn machte er eine schwere Zeit durch. Die Anpassungsprobleme waren größer als gedacht. Auf sich alleine gestellt bei Turnieren in Asien unterwegs, einsame Abende in Hotels, völlig neue Umgebung - und vor allem kein Erfolg.

Kaymer verpasste bei seinen ersten sechs Starts jedes Mal den Cut. In Indonesien gab es den negativen Höhepunkt. Kaymer verspielte eine gute Ausgangsposition, indem er seine zweite Runde mit Bogey, Bogey, Bogey, Triple-Bogey beendete und den Cut um einen Schlag verpasste. Wieder kam kein Geld in die Kasse. Es war jetzt dringend mal ein gutes Ergebnis nötig und beim Singapore Masters war es dann endlich soweit. Ein 20. Platz und etwa 10.000 Euro sorgten für etwas Befreiung - wenig später folgte mit einem dritten Rang in Portugal der Durchbruch.

"Der Durchbruch mit dem dritten Rang in Portugal war bombig. Wir sind vom Platz zum Flughafen gefahren, das weiß ich auch noch genau, und wir haben 30 Minuten kein Wort gewechselt und sind nur da gesessen. Irgendwann hat Martin gesagt, 'wir haben gerade 80.000 Euro verdient'. Das hat Sicherheit gegeben und ab dann hat es super viel Spaß gemacht", sagte Philip Kaymer im Interview mit SPOX. Dass Kaymer seinen Bruder in der schweren Zeit anrief und bat, für ihn Caddie zu machen, war ein ganz entscheidender Faktor in seiner Karriere. Nicht umsonst betont Kaymer immer wieder, dass er ohne seinen Bruder das alles nicht erreicht hätte.

20. Januar 2008: Der erste große Sieg

Nachdem er in der Saison 2007 beim Scandinavian Masters schon einmal an seinem ersten Sieg auf der European Tour geschnuppert hatte und zum Rookie of the Year gewählt worden war, war es Anfang 2008 dann soweit. Bei der Abu Dhabi Golf Championship führte Kaymer vom ersten Tag an und brachte letztlich einen souveränen Sieg nach Hause.

Vier Schläge Vorsprung hatte Kaymer im Endergebnis auf den Engländer Lee Westwood und den Schweden Henrik Stenson. Kaymer bewies - nicht zuletzt auch sich selbst - mit diesem Erfolg, dass er auf der European Tour gewinnen kann. Auch gegen große Namen.

Durch den Sieg verbesserte sich Kaymer in die Top 35 der Weltrangliste. Außerdem lag der Vergleich mit Bernhard Langer zum ersten Mal so richtig auf der Hand. Kaymer war bei seinem Sieg 23 Jahre und 24 Tage alt, 14 Tage jünger als Langer bei seinem ersten Sieg (Dunlop Masters 1980). Zwei Wochen später gewann Kaymer zwar nicht, aber sein zweiter Platz in Dubai war dennoch das nächste Statement.

Kaymers Birdie-Birdie-Eagle-Finish in der letzten Runde - sein zweiter Schlag an der 18 ist bis heute einer der besten seiner Karriere - hätte fast für den Sieg gegen Tiger Woods gereicht. Er reichte aber zumindest dafür, dass Woods diesen jungen Deutschen seitdem auf dem Radar hatte. Zum ersten Mal kam Kaymer mit Tiger direkt in Berührung, als sich dieser nach dem Turnier bei ihm vorstellte (Hi, I'm Tiger") und ein paar Worte wechselte. Drei Jahre später ist Kaymer die Nummer eins der Welt - und Woods in der Krise. Das hätten sich beide wohl kaum vorstellen können...

22. Juni 2008: Der emotionale Triumph

In vielerlei Hinsicht die schwierigste Woche in Kaymers Karriere. Die aber so unglaublich viel über seine mentale Stärke aussagt. Kaymer befand sich vor den BMW International Open in einer emotionalen Ausnahmesituation, da seine Mutter Rina schwer erkrankt war und kurze Zeit später sterben sollte.

Kaymer spielte an den ersten drei Tagen formidabel und ging in München mit einem Vorsprung von sechs Schlägen in die Finalrunde. Einen Vorsprung, den man eigentlich nicht mehr herschenken kann. Aber nachdem Kaymer am 11. Loch einen uncharakteristischen Fehler machte, lag er sogar plötzlich hinten. Es war eine riesengroße Stresssituation.

Er durfte dieses Turnier nicht verlieren. Nicht vor den heimischen Fans. Nicht in dieser Situation. Und Kaymer riss sich zusammen und besiegte im Stechen schließlich den Dänen Anders Hansen. Die emotionalen Szenen danach und Kaymers Worte an seine Mutter ("Der Sieg war für dich") werden für immer unvergessen bleiben.

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