"Tiger? Mein Vorbild ist Martin!"

Von Interview: Florian Regelmann
Stephan Gross erspielte sich 2009 in der Qualifying School die Karte für die European Tour
© Getty

Stephan Gross hat nur ein Ziel: Genau die gleiche Karriere wie Martin Kaymer machen. Und der 22-Jährige hat alle Voraussetzungen, um der nächste deutsche Golfstar zu werden. Im SPOX-Interview spricht Gross über sein erstes Jahr auf der European Tour, sein großes Vorbild und seine Liebe zu den Lakers.

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SPOX: Herr Gross, es ist erst einige Wochen her, da haben die Los Angeles Lakers wieder den Titel in der NBA gewonnen...

Stephan Gross: ...und ich fand's super. (lacht) Die Lakers sind ein Team, das nicht so beliebt ist, aber ich finde sie klasse. Wenn sie dann gewinnen und viele Leute deshalb sauer sind, freut mich das. Das letzte Spiel der Serie gegen die Celtics habe ich sogar live im Fernsehen gesehen. Es ist für mich immer wieder beeindruckend, wie sehr sich diese Superstars noch über die Meisterschaft freuen. Man könnte ja meinen, es wäre nichts Besonderes mehr für sie, aber das ist es sehr wohl. Und es war auch einfach eine Hammer-Serie.

SPOX: Ob es die NBA oder andere Sportarten sind, in den USA gibt es im Grunde nichts Wichtigeres. Sie haben das hautnah am College spüren können, oder?

Gross: Ja, absolut. Ich bin auf die Uni von Arizona State gegangen und habe gemerkt, wie das da abgeht. Gerade der College-Sport ist Wahnsinn, das ist in den USA fast noch größer als der Profi-Sport und von der medialen Präsenz vergleichbar mit der Bundesliga bei uns. Beim Football war das Stadion mit 70.000 Fans jedes Mal voll, beim Basketball war die Halle mit 15.000 Fans jedes Mal voll - das ist echt irre.

SPOX: War es, was Ihre Golf-Karriere angeht, die beste Entscheidung Ihres Lebens, aufs College nach Arizona zu gehen?

Gross: Auf jeden Fall. Die Situation war so, dass ich im letzten Schuljahr sehr viel fürs Abitur machen musste, weil ich in der Jugend immer schon viel unterwegs war und dadurch einige Lücken entstanden waren. Ich musste deutlich mehr machen als vielleicht manch anderer. Und dann hatte ich nach dem Abi eine ganz schwache Saison. Ich habe gewusst, dass ich jetzt nicht Profi werden kann. Davon hätte ich nichts gehabt und damals hätte ich es auch noch nicht geschafft. Die Option USA war immer da, ich wollte es eigentlich nie wirklich machen, aber im Winter in Deutschland bleiben und nichts machen - so geht es ja nicht. Also habe ich mich entschieden, rüber zu gehen. Es hätte nicht besser sein können. Perfekte Trainingsbedingungen, super Team, die besten Plätze, tolles Wetter - es war genau richtig. Dass ich 2008 so einen überragenden Sommer mit dem Europameister-Titel hatte, führe ich nur auf die Zeit in Arizona zurück.

SPOX: Klingt herrlich. War es aber nicht auch schwer, alleine in die USA zu ziehen?

Gross: Doch, das war es schon. Am Anfang war es noch nicht so schwierig, weil es eine neue Erfahrung für mich war, aber im letzten Semester wurde es etwas problematisch. Ich würde es nicht als Heimweh bezeichnen, weil es mir schon gut ging und ich es sehr gut hatte dort, aber ich bin mir in dieser Zeit darüber klar geworden, wie heimatverbunden ich bin. Jetzt bin ich zwar auch viel auf Reisen, aber zwischendurch kann ich immer nach Hause kommen. Das ist schön.

SPOX: Sie sind also nicht vollkommen amerikanisiert worden?

Gross: (lacht) Nein, eher im Gegenteil. Früher habe ich gedacht, dass ich später mal in den USA leben will. Heute weiß ich, dass ich das auf keinen Fall will.

SPOX: Das College-Leben bietet auch abseits vom Golf sicher einiges. Was haben Sie davon mitgenommen?

Gross: Was feiern angeht, habe ich mich ehrlich gesagt sehr zurückgehalten. Ich habe mir gesagt, dass ich ja rüber gegangen bin, um mein Golfspiel zu verbessern und nicht um irgendwelche Partys nachzuholen. Im Endeffekt hat es mich heute dahin gebracht, wo ich bin. Ich bereue es auch nicht, dass ich nicht mehr abends weggegangen bin.

SPOX: Martin Kaymer ist zum Training auch immer in Arizona. Wie sehr hat das geholfen?

Gross: Das war natürlich immer super, wenn Martin da war. Wir kennen uns schon lange, weil wir früher in der Nationalmannschaft zusammen gespielt haben, und wir verstehen uns blendend. Martin ist mehr der Typ, der gerne allein trainiert und das auch will, aber ab und zu sind wir dann auf den Platz und haben eine Runde gezockt. Das muss auch mal sein und war ein Riesenspaß. Ich hatte durch mein College zwar mein Team und einen geregelten Tagesablauf, aber es war cool, wenn ich dann mit Martin auch abends mal essen gehen konnte.

SPOX: Zuletzt sind Sie gemeinsam mit dem Auto zum Turnier nach Wales gefahren. Wie kam es dazu?

Gross: Wir hatten beide keine Lust mehr auf fliegen. Martin hat dann gesagt, dass er fährt, ich wollte auch fahren, so haben wir uns dann zusammen getan und es wurde uns nicht langweilig auf der Fahrt. Martin hat mir immer gesagt, dass ich ihn jederzeit anrufen und zu ihm kommen kann, wenn ich einen Rat brauche. Er hat in den letzten Jahren so viel Erfahrung gesammelt - es ist toll, so jemanden zu haben, den man fragen und von dessen Erfahrung man profitieren kann.

SPOX: Schließlich wollen Sie genau da hin, wo Martin schon ist.

Gross: Richtig. Erst mal will ich natürlich meine Tour-Karte behalten oder schnell wieder bekommen, wenn ich sie verlieren sollte. Aber dann will ich mich auf der Tour etablieren und schließlich auch Turniere gewinnen, das ist ja das i-Tüpfelchen, dann hat man es geschafft. Wenn ich sehe, dass Martin in den Top 15 der Welt steht und alle Majors spielen kann, ist das ein Traum. Da will ich hin. Deshalb sage ich auch, dass Martin mein großes Vorbild ist. Da brauche ich keinen Tiger Woods für, einfach Martin reicht. Genauso, wie er es vorgemacht hat, will ich es auch machen.

SPOX: Und wie es auch bei Martin nicht einfach war am Anfang, haben auch Sie im ersten Jahr mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen. Wie fällt das Zwischenfazit aus?

Gross: Was ich sofort gemerkt habe, ist, dass das Niveau ein ganz anderes ist als bei den Amateuren, auf der EPD Tour oder auch auf der Challenge Tour. Dort kann man sich mit mittelmäßigen Leistungen auch mal durchschlängeln, das funktioniert auf der European Tour nicht. Wenn du gut spielst, kannst du den Cut schaffen. Wenn nicht, hast du keine Chance. Was die Ergebnisse angeht, bin ich natürlich noch nicht zufrieden, aber ich bin mir sicher, dass das alles kommt. Ich weiß, dass ich hier voll mitspielen kann, wenn ich gut spiele. In Portugal (15. Rang, Anm. d. Red.) war es schon ganz anständig. Grundsätzlich macht es großen Spaß, es ist genau das, was ich immer machen wollte.

SPOX: Sind Sie sich dessen bewusst?

Gross: Ja, ich lebe wirklich meinen Traum. Seit ich 10 war, wollte ich Golf-Profi werden. Es gab nie etwas anderes. Wenn es spielerisch jetzt noch besser wird, bin ich rundum happy. Cuts zu verpassen, macht wirklich keinen Spaß.

SPOX: Was sind denn die Gründe, dass es noch nicht so optimal läuft?

Gross: Ich habe im Winter zu wenig trainiert, das muss ich mir auf jeden Fall ankreiden. Aber es kam für mich nun mal auch alles sehr plötzlich. Ich hatte vor dem letztem Jahr noch nie die Qualifying School gespielt und auch nicht damit gerechnet, mich sofort für die European Tour zu qualifizieren. Auch weil ich letztes Jahr gar keine so gute Saison hatte. Dann schaffst du es und denkst dir erst mal: "Wow, wie geht's jetzt weiter?" Dazu kam, dass ich dann in Urlaub gegangen bin, weil der schon gebucht war. Das war etwas ungünstig. Danach ging es wieder nach Südafrika, wo ich wieder schlecht gespielt habe, und dann hatte ich mit meiner Kategorie auch große Probleme, in die Turniere rein zu kommen.

SPOX: Viele Fans wissen das gar nicht. Sie haben zwar die Tour-Karte, aber mit der Q-School-Kategorie dürfen Sie im Prinzip nur die kleineren Events spielen, wenn die großen Namen fehlen.

Gross: Das ist echt schwierig, weil man keine Spielpraxis bekommt und die ganze Zeit zuhause sitzt und hofft, doch noch reinzurutschen. Wenn ich es noch mal machen könnte, würde ich es anders machen, weil ich jetzt weiß, wie es läuft, aber so ist es nun mal. Daraus lernt man.

SPOX: Fällt es aber nicht schwer, geduldig zu bleiben, wenn die Ergebnisse ausbleiben?

Gross: Es fällt mir eigentlich nicht schwer. Mit einer guten Woche kann sich alles ändern. Vielleicht kommt diese Woche schon bald, vielleicht kommt sie nächsten Monat, vielleicht kommt sie auch gar nicht in diesem Jahr. Aber selbst dann, ich bin erst 22 Jahre alt. Dann gehe ich eben wieder zurück zur Q-School und versuche es aufs Neue, mir die Karte zu holen. Dass ich das kann, habe ich ja gezeigt. Ich setze mich nicht großartig unter Druck. Ich habe Geduld, weil ich Zeit habe. Ich muss einfach nur dranbleiben und das werde ich tun.

SPOX: Manche Experten werden sagen, es wäre vielleicht besser für Sie gewesen, wenn Sie Ihr Weg zuerst auf die Challenge Tour geführt hätte. Was sagen Sie dazu?

Gross: Ich weiß, dass es diese Meinung gibt, aber ich sehe das anders. Auch wenn es nicht so läuft, sammle ich gerade unschätzbare Erfahrungen, die ich auf der Challenge Tour auf keinen Fall hätte machen können und die mir für die Zukunft weiterhelfen werden. Und ich spiele hier gegen die besten Spieler Europas, da ist es keine Schande, mal einen Cut zu verpassen. Ich weiß, dass gute Ergebnisse kommen werden.

SPOX: Die müssen auch kommen, wenn Sie sich mal ein neues schickes Auto leisten wollen. Sie gelten ja als großer Auto-Freak.

Gross: (lacht) Das stimmt. Von dem eingespielten Geld ist noch kein neues Auto drin. Schauen wir mal, was noch passiert.

SPOX: Was macht Ihnen noch Spaß? Gehören Sie zur Playstation-Fraktion, die Tiger Woods zockt?

Gross: Nein, das ist nicht so mein Ding. Wenn ich unterwegs im Hotel bin, entspanne ich mich lieber. Ich höre dann Musik oder surfe im Internet und chatte mit meinen Freunden. Es ist mir wichtig, da einen guten Kontakt zu halten.

SPOX: In der nächsten Woche finden die British Open statt. Im letzten Jahr waren Sie in Turnberry dabei. Woran denken Sie am liebsten zurück?

Gross: Die ganze Woche war Wahnsinn. Zusammen mit dem EM-Titel und den BMW International Open 2008, als Martin gewonnen hat, ich bei meinem ersten European-Tour-Event 30. geworden bin und wir mit dem Auto das 18. Fairway entlang gefahren sind, war es das schönste Golf-Erlebnis meines Lebens. Ich muss auch zugeben, dass ich Tiger sehr gerne beim Spielen zuschaue. Und in Turnberry stand ich zweimal direkt neben ihm auf der Range. Da musste ich mich echt konzentrieren, dass ich nicht die ganze Zeit zu ihm hinschaue. Die Woche hat mir noch einmal gezeigt, dass es genau das ist, was ich machen will. Und es hat mich angespornt, noch härter zu arbeiten, um auch dahin zu kommen.

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