"Westwoods Major-Sieg ist überfällig"

Von Interview: Florian Regelmann
Aus heutiger Sicht ein unglaubliches Bild: Michael Campbell mit der US-Open-Trophy 2005
© Getty

Michael Campbell war 2005 US-Open-Champion und ist seitdem in der totalen Wildnis verschwunden. Im SPOX-Interview erklärt der Neuseeländer, wie er darum kämpft, wieder besser Golf zu spielen.

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Es erinnert sich kaum mehr jemand daran, aber es ist jetzt fünf Jahre her, dass der US-Open-Champion Michael Campbell hieß. Der Neuseeländer hatte sich erst am letzten Loch des Qualifyings für Pinehurst qualifiziert, aber dann wurde er zur Geschichte des Turniers.

Nach drei Runden ging er mit vier Schlägen Rückstand auf den führenden Retief Goosen in den Schlusstag - und dort holte er sich dank einer exzellenten 69 den Titel. Campbell war der einzige Spieler in den letzten beiden Gruppen, der die 80er-Marke durchbrechen konnte.

Absturz in die völlige Bedeutungslosigkeit

Als er 2005 auch bei den British Open und der PGA Championship in den Top 10 landete, schien sich Campbell in der absoluten Elite etabliert zu haben.

Doch es sollte anders kommen. Campbells Absturz in die völlige Bedeutungslosigkeit - aktuell rangiert er um Rang 700 in der Weltrangliste - ist absolut unfassbar. Wer Campbell in diesen Tagen auf den Leaderboards sucht, muss einfach ganz unten anfangen. Er wird ihn sofort finden.

Von einem Top-Resultat ist der 41-Jährige meilenweit entfernt, auch in dieser Saison wäre er schon froh, wenn er mal einen Cut schaffen würde. Wäre er wegen seines Sieges vor fünf Jahren nicht automatisch für die US Open qualifiziert, hätte Campbell in dieser Woche in Pebble Beach nichts verloren.

Bei SPOX spricht Cambo über seinen harten Weg zurück und macht eine Kampfansage.

SPOX: Michael, was schießt Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an Ihren großartigen Sieg 2005 zurückdenken?

Michael Campbell: Wenn ich daran zurückdenke, denke ich vor allem immer an die Art und Weise, wie ich die US Open gewonnen habe. Es war mein erster Major-Sieg, und mit Tiger Woods saß mir der beste Spieler aller Zeiten im Nacken. Aber ich habe es geschafft, ihn zu besiegen - das wird für immer ein unvergesslicher Moment bleiben.

SPOX: Fünf Jahre sind seitdem vergangen. Fünf Jahre, in denen Sie in eine tiefe Formkrise gestürzt sind. Wie gehen Sie damit um?

Campbell: Wissen Sie, es ist schon hart. Die Sache, die mich am meisten frustriert, ist meine fehlende Konstanz. Teilweise spiele ich mal wieder gutes Golf, aber ich bringe es einfach nicht auf die Reihe, eine Runde bzw. ein ganzes Turnier konstant gut zu spielen. Zwischendurch habe ich alles Mögliche versucht und ausprobiert, um wieder in Form zu kommen. Aber jetzt bin ich zu den Basics zurückgekehrt.

SPOX: Sie stammen von den Maori ab. Ihr Motto ist: "Kia Kaha". Was bedeutet das genau?

Campbell: Kia Kaha bedeutet einfach, dass man immer stark bleibt. Dass man nie aufgibt und immer weitermacht. Das bin ich. Und ich bin sehr stolz meine Wurzeln.

SPOX: Sehen Sie schon Fortschritte? Wie optimistisch sind Sie?

Campbell: Für mich zählt im Moment das große Ganze. Ich schaue nicht speziell auf die US Open, ich will mittelfristig wieder ganz vorne mitspielen. Ich habe immer noch das Gefühl, dass ich auf der Tour gewinnen kann. Das ist der Grund, warum ich überhaupt noch spiele. Wenn ich nicht daran glauben würde, dass ich noch gewinnen könnte, hätte ich mir einen anderen Job gesucht.

SPOX: Es wird nicht einfacher zu gewinnen, weil immer mehr junge, hochtalentierte Spieler auf die Tour kommen, die alle nach oben wollen. Wenn Sie einen Jungstar wie Rory McIlroy sehen, was denken Sie?

Campbell: Das ist ganz interessant. Rory erinnert mich sehr an mich selbst, als ich jung war. Er ist furchtlos und sehr talentiert. Die Spieler der neuen Generation haben alle verschiedene Methoden entwickelt, um zu trainieren und sich fit zu machen - sie sind viel stärker, als wir es früher waren.

SPOX: In diesem Jahr finden die US Open in Pebble Beach statt. Sind Sie auch so verliebt in den Platz wie die meisten Golfer?

Campbell: Ja, schon ein wenig. Der Platz in Pebble Beach ist so malerisch - was die reine Schönheit angeht, gibt es keinen besseren. Es ist ein echter Genuss, dort zu spielen, und wenn dann die US Open auf diesem Platz ausgetragen werden, ist es etwas ganz Besonderes. Dazu kommt: Ich bin selbst ein Teil der US-Open-Geschichte, deshalb ist dieses Turnier für mich das speziellste von allen.

SPOX: Mit welchen Zielen gehen Sie ins Turnier?

Campbell: Ich mache mir keinen Druck mehr, indem ich mir bestimmte Ziele setze. Ich will einfach nur Spaß haben. Das ist wirklich schon alles.

SPOX: Und wie heißen Ihre Top-Favoriten auf den Sieg?

Campbell: Meiner Meinung nach ist es überfällig, dass Lee Westwood ein Major gewinnt. Er ist ein großartiger Spieler. Eigentlich unglaublich, dass er noch kein Major gewonnen hat. Er ist mein Favorit.

SPOX: Was ist mit Tiger Woods?

Campbell: Ihn muss man sicher auch auf der Rechnung haben. Er ist immer noch ein großartiger Golfer, auch wenn er zuletzt ein paar Probleme hatte. Ich bin mir sicher, dass er wieder in Schwung kommen und in seiner Karriere noch viele Majors gewinnen wird. Er wird den Rekord von Jack Nicklaus brechen und mehr als 18 Major-Titel einsammeln.

SPOX: Und was ist eigentlich mit Ihnen? Niemand hat Sie auf der Rechnung. Sollten Sie gewinnen, würden Sie die ganze Welt schocken. Was würden Sie dann tun?

Campbell: (lacht) Sollte ich diese Woche die US Open gewinnen, mache ich einen Luftsprung und trete dann sofort zurück!

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