"Das golferische Manchester United"

Von Interview: Florian Regelmann
Colin Montgomerie spielte zwischen 1991 und 2006 achtmal in Folge beim Ryder Cup
© Getty

Colin Montgomerie ist Europas Ryder-Cup-Kapitän und damit eine der wichtigsten Figuren in der Golf-Szene. Im SPOX-Interview spricht der Schotte über seine Sprinklerkopf-Geschichte mit Bernhard Langer, Martin Kaymers Major-Chancen und seine schlimmste Niederlage.

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SPOX: Herr Montgomerie, wie lebt es sich als Ryder-Cup-Captain?

Colin Montgomerie: Danke, mir geht es hervorragend. Ryder-Cup-Captain zu sein, ist etwas ganz Besonderes. Seit ich als Captain ausgewählt wurde, hatte ich sehr viel administrative Arbeit zu erledigen - jetzt freue mich wirklich, in den nächsten Monaten zu schauen, was meine Spieler so machen, und zu sehen, wie sich das Team langsam formt.

SPOX: Auf was freuen Sie sich am meisten?

Montgomerie: Am meisten freue ich mich auf die Begeisterung, die in der Ryder-Cup-Woche herrschen wird. Sobald alle Spieler im Celtic Manor Resort eintreffen, wird diese Magie über dem Event schweben. Die Atmosphäre ist einzigartig und mit keinem anderen Turnier zu vergleichen, es ist schwierig zu erklären. Und dann freue mich auch sehr auf die Stimmung in der Kabine, beim Ryder Cup wird immer viel gescherzt.

SPOX: Beim letzten Ryder Cup lief es für Europa gar nicht gut. Was werden Sie anders machen als Nick Faldo?

Montgomerie: Ich war beim Ryder Cup in Kentucky nicht vor Ort, deshalb kann ich über die Art und Weise, wie Nick das Kapitänsamt ausgefüllt hat, nicht wirklich etwas sagen. Ich freue mich einfach sehr auf den Job und werde von jedem Captain, unter dem ich gespielt habe, etwas einfließen lassen.

SPOX: Ein Captain, unter dem Sie erfolgreich gespielt haben, war Bernhard Langer. Er ist zwar 52 Jahre alt und spielt fast ausschließlich auf der Senioren-Tour, aber er spielt noch verdammt gut.

Montgomerie: Ich weiß. Deshalb kann ich es auch nicht ausschließen, dass Bernhard ein Kandidat für eine meiner Wildcards sein wird im nächsten Jahr. Alles ist möglich.

SPOX: Was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie an Bernhard Langer denken?

Montgomerie: Ich habe grundsätzlich großartige Erinnerungen an die Ryder Cups, in denen wir zusammen gespielt haben, aber eine Geschichte wird mir immer besonders im Gedächtnis bleiben.

SPOX: Die da wäre?

Montgomerie: Es war 1991, als ich auf Kiawah Island meinen ersten Ryder Cup gespielt habe. Ich war Bernhards Partner in einem Match am Nachmittag. Bernhard hat zuerst abgeschlagen und den Ball gleich ins Aus gehauen. Ich schaffte es zum Glück aber, meinen Abschlag auf das Fairway zu bringen. Bernhard fragte mich dann, wie weit es bis zum Grün ist und ich sagte ihm, dass es 150 Yards sind. 126 Yards bis zum Green und noch mal 24 Yards bis zur Fahne - ich dachte, dass ich ihm eine detaillierte Antwort gegeben hatte. Aber ihm reicht es nicht. Er wollte wissen, von welchem Punkt genau ich die Entfernung gemessen habe. Ich sagte ihm: "Vom Sprinklerkopf!" Und er antwortete: "Vom Anfang oder vom Ende des Sprinklerkopfs?" Sie müssen wissen, dass der Sprinklerkopf keine 20 Zentimeter groß war, aber es hat nur bewiesen, wie unglaublich akribisch Bernhard in seiner Vorbereitung war - und heute noch ist.

SPOX: Neben seiner Genauigkeit ist Bernhard Langer auch immer die Ruhe selbst auf dem Platz. Das kann man bei Ihnen nicht unbedingt behaupten. Wären Sie manchmal gerne so ruhig wie er?

Montgomerie: Bernhard und ich sind zwei sehr verschiedene Charaktere und trotzdem kommen wir hervorragend miteinander aus. Ich spiele manchmal besser, wenn es in mir lodert, bei Bernhard ist wahrscheinlich das Gegenteil der Fall. Wenn ich unruhig werde auf dem Platz, habe ich einige Atemübungen und mentale Techniken erlernt, die ich anwenden kann, um den Kopf frei zu bekommen. Aber es stimmt schon, dass ich teils sehr frustriert bin. Ich bin von Natur aus eine sehr ehrgeizige Person und strebe nach Perfektion. Wenn Dinge dann nicht nach Plan laufen oder Dinge passieren, die mich ablenken und stören, dann nervt es mich.

SPOX: Wir haben über Bernhard Langer gesprochen, wir müssen natürlich auch noch über Martin Kaymer sprechen. Wenn Sie das bestmögliche europäische Team aufbieten wollen, muss Martin Kaymer dann nicht im Team stehen?

Montgomerie: Martin ist sicher einer von mehreren Spielern, die ein großer Gewinn für das Team wären. Wenn er seine gute Form beibehält, gehe ich davon aus, dass er sich qualifiziert. Beim letzten Mal hat er es ganz knapp verpasst, dabei zu sein, er wird also wild entschlossen sein, 2010 im Team zu stehen.

SPOX: Was gefällt Ihnen am besten an Martin Kaymer?

Montgomerie: Martin ist ein sehr talentierter Golfer und ich mag seine ruhige und gelassene Herangehensweise. Es war schade, dass er durch seine Verletzung einige Wochen pausieren musste, aber er hat seit seinem Comeback schon wieder einige exzellente Resultate erzielt. Er ist immer noch sehr jung. Ich glaube, dass er eine große Chance hat, in der Zukunft ein Major zu gewinnen.

SPOX: In Deutschland wird natürlich immer sofort der Vergleich zwischen Bernhard Langer und Martin Kaymer gezogen. Was ist Ihrer Meinung nach der größte Unterschied zwischen den beiden?

Montgomerie: Nun ja, Martin ist noch sehr jung und er ist das größere Naturtalent. Aber Bernhard hat seit über 35 Jahren eine fantastische Karriere - mit unzähligen Turniersiegen, Ryder-Cup-Erfolgen und zwei Major-Siegen. Martin hat eine Menge Arbeit vor sich, wenn er da mit Bernhard gleichziehen, oder ihn gar übertreffen will. Ich glaube, dass man die beiden nicht wirklich vergleichen kann, beide sind herausragende Golfspieler.

SPOX: Um noch einmal auf den Ryder Cup zu kommen. Was würden Sie als die größte Stärke des europäischen Teams bezeichnen?

Montgomerie: Ich denke, dass Europa vor allem unglaublich reich an Talent ist. Wir könnten sogar zwei sehr starke Ryder-Cup-Teams zusammenstellen. Man kann das ein bisschen mit Manchester United vergleichen. Wir sind das golferische ManUtd. Die haben auch einen sehr tief besetzten Kader und Alex Ferguson ist ein fantastischer Manager. Er könnte mir in Sachen Team Management sicher einige gute Tipps geben.

SPOX: Wenn Sie schon ManUtd ansprechen, muss ich Sie natürlich fragen. Sind Sie ein großer Fußball-Fan?

Montgomerie: Ja, das bin ich. Ich bin ein leidenschaftlicher Leeds-United-Fan. Mein absoluter Lieblingsspieler war Billy Bremner, der größte Leeds-Spieler aller Zeiten. Als ich in London gelebt habe, bin ich aber auch oft zu Chelsea gegangen.

SPOX: Wenn wir in der Fußballersprache bleiben und über Ihre Saison 2009 sprechen, muss man sagen, dass Sie weit weg von der Champions League waren.

Montgomerie: Das stimmt. Es war eine enttäuschende Saison für mich, aber in den letzten Wochen habe ich schon wieder viel besser gespielt. Ich hoffe, dass ich diese Form jetzt halten kann und 2010 einen guten Start ins Jahr erwische. Und auch wenn mein Golf nicht so toll war, bin ich in diesem Jahr immerhin zum Ryder-Cup-Captain ernannt worden. Das war eine große Ehre und hat alles wieder gut gemacht.

SPOX: Wie sehen Sie Ihre Zukunft als Spieler?

Montgomerie: Auch wenn mein Fokus im nächsten Jahr auf den Ryder Cup gerichtet sein wird, ändert das nichts an der Tatsache, dass ich jedes Turnier, das ich spiele, auch gewinnen will.

SPOX: Sie haben acht Mal die europäische Geldrangliste gewonnen, aber es fehlt das Major. Wie groß wäre die Lücke, wenn Sie es nicht mehr schaffen sollten, ein Major zu gewinnen?

Montgomerie: Ich würde liebend gerne ein Major gewinnen, aber wenn es nicht klappt, wäre es auch nicht das Ende der Welt. Dafür habe ich zu viel erreicht in meiner Karriere. Aber natürlich ist es für mich noch ein realistisches Ziel. Ich bin zwar 46 Jahre alt, aber diese Saison hat gezeigt, dass das Alter kein Hindernis ist, um in Major-Turnieren gut abzuscheiden. Da müssen wir nur an Kenny Perry und Tom Watson denken.

SPOX: Sie waren einige Male ganz nahe dran an einem Major-Sieg. Welche Niederlage hat am meisten wehgetan?

Montgomerie: Ganz klar die US Open 2006 in Winged Foot. Wenn ich einen Schlag in meinem Leben noch einmal machen könnte, würde ich gerne meinen zweiten Schlag am letzten Loch in Winged Foot wiederholen.

SPOX: Letzte Frage: Was machen Sie in zehn Jahren?

Montgomerie: (lacht) Oh mein Gott, so weit habe ich noch nicht nach vorne geschaut. Ich habe keine Ahnung. Ich bin sicher, dass ich noch Golf spielen werde, aber dann vielleicht nur noch zum Spaß.

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