Schalke-Coach Dimitrios Grammozis im Interview: Anthony Yeboah? "Die hatten die Hosen voll!"

Dimitrios Grammozis peilt mit Schalke die Rückkehr in die Bundesliga an.
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Sie persönlich mussten beharrlich bleiben, um Schalke-Trainer zu werden. Wie wichtig ist eine Jetzt-erst-recht-Einstellung in der 2. Liga?

Grammozis: Insgesamt als Klub sicher wichtig, aber aus der Perspektive Mannschaft müssen wir sehen, dass wir einen sehr großen Umbruch hatten. Viele Spieler sind nach dem Abstieg nicht mehr hier. Insofern geht es hier eher darum, etwas ganz Neues zu kreieren. Wir haben deshalb in den Gesprächen mit möglichen Neuzugängen neben der Qualität auch sehr darauf geschaut, wie die Spieler ticken. Was weiß derjenige überhaupt über Schalke? Was hat der Spieler auf Schalke vor? Das waren alles Fragen, die wir intensiv besprochen haben. Bis jetzt bin ich sehr glücklich, wie sich die Neuen integriert haben. Wir wissen, dass wir eine komplett neu zusammengestellte Truppe sind, aber wir versuchen, das genau so anzunehmen. Jeden Tag wachsen wir enger zusammen. Ich bin zuversichtlich, dass wir die immer stärker werdende Geschlossenheit auch in positive Auftritte auf dem Platz und letztendlich in Erfolge ummünzen können.

Für Sie müssen die Monate auf Schalke extrem intensiv gewesen sein. Sie haben eine Mannschaft vorgefunden, die mental und körperlich am Ende war. Sie sind abgestiegen und haben die Wut der Fans gespürt. Wie sehr hat Sie das mitgenommen?

Grammozis: Bevor ich die Aufgabe übernommen habe, haben wir in den Gesprächen verschiedene Szenarien durchgespielt. Wir wussten alle, dass es vielleicht so kommen könnte, wie es jetzt gekommen ist. Natürlich rechnet man nicht mit Vorkommnissen wie nach dem Bielefeld-Spiel, aber wir wussten um die Intensität und um die Schwere der Aufgabe. Genau deswegen wollte ich sie ehrlich gesagt auch unbedingt annehmen. Ich hatte Bock darauf, mich auf so eine große Herausforderung einzulassen. Ich wollte nicht auf ein Angebot im Sommer warten, das vielleicht eine "leichtere" Konstellation gewesen wäre. Ich wollte Schalke mit allem, was dazugehört. Jetzt habe ich Schalke. Aber ich habe es keine Sekunde bereut. Im Gegenteil. Wir fühlen uns stark genug, um diese Herausforderung zu bewältigen und im Nachhinein waren die letzten schwierigen Monate der vergangenen Saison sogar Gold wert, weil sie uns optimal auf den Neuanfang vorbereitet haben.

Woher ziehen Sie Inspiration? In Griechenland ist ja eigentlich jeder leidenschaftlicher Basketball-Fan.

Grammozis: Absolut, ich auch. Ich habe die NBA Finals mit Giannis Antetokounmpo verfolgt. Haben Sie den Block gesehen in Spiel 4? Unfassbar!

Grammozis: Giannis Antetokounmpo? "Ich mag solche Menschen"

Wie blicken Sie auf Giannis?

Grammozis: Ich kann mich natürlich nicht mit Giannis vergleichen. Auf dem Level eines MVP in der NBA war ich leider nie. (lacht) Aber ich sehe Parallelen in unseren Geschichten. Er ist wie ich als Migrantenkind aufgewachsen, hat sich in Griechenland sehr schnell wohlgefühlt, die Kultur total angenommen und sich alles im Leben hart erarbeiten müssen. Er hat nichts geschenkt bekommen. So war es bei mir auch. Ich bin in Wuppertal geboren und habe auch die deutschen Charakterzüge angenommen. Am meisten freut es mich für ihn, weil er so ein anständiger bodenständiger Kerl geblieben ist. Wenn Giannis in Griechenland im Urlaub ist, läuft er ganz relaxt am Strand herum wie du und ich. Er hätte ja auch in einen großen Markt gehen können, aber er ist in Milwaukee geblieben, weil er weiß und schätzt, dass der Klub an ihn geglaubt hat. Der Titelgewinn ist der Lohn dafür. Ich mag solche Menschen.

Für Sie steht jetzt der steinige Weg durch die 2. Liga auf dem Programm. Fans des HSV oder VfB wissen, was auf Schalke-Fans zukommen wird. Niederlagen gegen die Sandhausens oder Heidenheims dieser Welt sind unvermeidlich. Wie bereit ist Schalke für diesen Gang?

Grammozis: Ich kann ehrlich sagen, dass ich bei keiner einzigen Person im Verein den Eindruck habe, dass hier irgendjemand die 2. Liga unterschätzt. Wir wissen um die Geschichten aus Hamburg oder Stuttgart. Es wird kein Bayern München der 2. Liga geben, niemand marschiert einfach so durch. Diese Liga ist extrem ausgeglichen. Du kannst gegen jedes, wirklich jedes Team genauso gut gewinnen wie verlieren. Wir wissen auch, dass es für viele Mannschaften ein Highlight sein wird, gegen uns anzutreten. Wir müssen die Saison mit dem richtigen Mix aus einem gesunden Selbstbewusstsein und angebrachter Demut angehen. Und dann müssen wir in jedem Spiel arbeiten und hundert Prozent investieren. Machen wir das nicht, wird es nicht reichen. Das haben wir der Mannschaft klargemacht.

Wir haben am Anfang über Werte gesprochen. Sie sind einmal für die stolze Summe von 350.000 Euro von Uerdingen zum HSV gewechselt. Wie schaut jemand wie Sie, der aus dem Malocher-Milieu kommt, auf die Auswüchse im heutigen Fußballgeschäft?

Grammozis: Ich schaue gar nicht so sehr darauf. Fußball ist natürlich auch ein Business geworden, ein knallhartes Business. Gefällt mir das alles? Sicher nicht, aber ich versuche, meinen Fokus nicht darauf zu legen. Egal, wie sich der Fußball entwickelt hat: Meine Welt besteht darin, nach dem Aufstehen auf den Platz zu gehen und mit den Jungs zu trainieren. Mir Gedanken darüber zu machen, wie wir den nächsten Gegner schlagen können. Für mich geht es dann nur um Fußball. Das ist das Wesentliche und das macht mir unheimlich Spaß. Alles andere kriegt man mal mehr und mal weniger mit, aber im Endeffekt hat es für mich keine Relevanz.