Neuer VfB-Motor Atakan Karazor im Interview: "Ich war immer Cesc Fabregas"

Atakan Karazor soll der neue Taktgeber im VfB-Mittelfeld werden,
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Tim Walter hat in Kiel auf Sie als Taktgeber und Stratege gebaut und will dies auch in Stuttgart tun. Was sind Ihre Ziele für Ihr erstes Jahr beim VfB?

Karazor: Für uns als Mannschaft ist das Ziel klar definiert. Wir wollen wieder in die Bundesliga. Natürlich habe ich mir auch persönliche Ziele gesteckt. Ich will konstante Leistungen abrufen, ich will meine Aufgaben auf dem Platz lösen und auch eine Führungsrolle einnehmen beim VfB. Ich will jemand sein, auf den das Team bauen kann. Jemand, dem man vertrauen kann.

Was macht für Sie denn einen guten Sechser aus?

Karazor: Der perfekte Sechser hat viel Übersicht, strahlt Ruhe aus, kann aber auch mal dazwischenfegen. Er muss zweikampfstark sein, Konter unterbinden können und als Leader fungieren. Wenn Sie mich fragen, wer aktuell der beste Sechser auf der Welt ist, würde ich Sergio Busquets nennen. Er ist eines meiner großen Vorbilder. Ich liebe es aber auch, anderen Spielern zuzuschauen. Zum Beispiel Toni Kroos mit seinem Passspiel oder Paul Pogba mit seiner Ruhe am Ball.

Der Sechser ist auch im besonderen System von Tim Walter eine prägende Figur. Wie war denn Ihr erster Eindruck vom Tim-Walter-Fußball in Kiel?

Karazor: Es war am Anfang nicht leicht für mich. Ich bin aus einer Saison gekommen, in der ich wenig gespielt hatte und war nicht gerade mit dem größten Selbstbewusstsein ausgestattet. Zu Beginn saß ich nur draußen, bis mir der Trainer nach zehn, zwölf Spieltagen die Chance gab. Diese konnte ich zum Glück nutzen und das umsetzen, was er sehen wollte. Seit diesem Zeitpunkt ist mir das System vertraut.

Atakan Karazor: "Diesen Fußball siehst du so praktisch nirgends"

Und sind begeistert?

Karazor: Total begeistert. Mich fasziniert vor allem die Einzigartigkeit der Spielphilosophie. Diesen Fußball siehst du so praktisch nirgends. Es ist sicher sehr komplex und am Anfang auch verwirrend, wenn man es noch nicht kennt, aber ich finde es überragend, wie jeder im Team diesen neuen Ansatz annimmt und sich voll darauf einlässt.

Was würden Sie denn als die wichtigsten Merkmale bezeichnen?

Karazor: Man kann es schwer in ein Schema pressen. Natürlich wollen wir dominanten Ballbesitzfußball spielen, aber es gibt auch Umschaltmomente, es ist eine Mischung. Die wichtigste Charakteristik sind sicher die extrem vielen Positionswechsel. Bewegung ist das A und O. Und jeder Spieler ist darin eingeschlossen, auch der linke Stürmer, der vielleicht gerade gar nichts mit der Spielsituation zu tun hat. Die Aufmerksamkeit eines jeden Spielers muss zu jeder Sekunde zu hundert Prozent da sein, damit bei den ständigen Positionswechseln auch die Räume immer wieder geschlossen werden können. Es ist alles sehr dynamisch.

Was heißt das für Sie auf der Sechs?

Karazor: Im Ballbesitz bin ich dafür zuständig, immer wieder Wege zu machen und Räume freizulaufen, damit andere Spieler dort reinstoßen können. Außerdem ist es meine wichtigste Aufgabe auf der Sechs, bei Ballverlust im Gegenpressing sofort da zu sein und zu versuchen, den zweiten Ball zu gewinnen. Das ist meine Verantwortung.

Atakan Karazor: "Tim Walter packt dich"

Der Ansatz ist sehr mutig und sorgt gerade in letzter Reihe gerne mal für 1:1-Situationen, die bei verlorenem Zweikampf sofort zum Gegentor führen können. Ein 3:2 ist so ein wahrscheinlicheres Ergebnis als ein 1:0.

Karazor: Es ist ohne Zweifel eine mutige Philosophie. Aber es ist vor allem unsere Philosophie. Wir müssen diese Philosophie leben. Dann akzeptieren wir eben auch mal, dass wir einen fangen. Wenn wir es gut machen, schießen wir vorne mehr Tore, als wir hinten kassieren. In diesem System kannst du viele Chancen kreieren, das war auch in Kiel so.

Was ist Tim Walter für ein Typ?

Karazor: Jeder weiß, was er taktisch draufhat, aber für mich ist er vor allem ein Trainer, der die Spieler mitzieht. Er ist so unglaublich von seinem Weg überzeugt, dass er dich damit total ansteckt. Dass du sagst: "Boah, da bin ich dabei." Er packt dich.

Er hat eingeführt, dass es auch im Training ständig um irgendetwas geht.

Karazor: Ja, verlieren muss wehtun. Das ist sein Credo und das lebt er damit vor. Und es macht wirklich einen Unterschied. Ich erinnere mich, wie ich früher in Trainingsspielen auch mal nicht bis in die Haarspitzen motiviert war, um ein Spiel noch zu drehen. Aber jetzt liegst du 0:1 hinten und denkst dir: "Wir müssen das unbedingt noch gewinnen. Ich habe nämlich keinen Bock, zu verlieren und als Strafe vor allen Leuten irgendeinen Quatsch machen zu müssen." Arschbolzen, Ohrenschnipsen, Huckepack-Läufe - das will ja keiner. (lacht)

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