1. FC Köln - Johannes Geis im Interview: "Schalke? Nach zwei schlechten Spielen war man der Buhmann"

Von Robin Haack
Johannes Geis kam beim FC Schalke 04 nie richtig in die Spur.
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Haben Sie in den vergangenen Monaten etwas an Ihrer Lebensweise geändert?

Geis: Die Zeit in Spanien beim FC Sevilla hat mir geholfen, entspannter auf mein Leben zu blicken. Früher wäre es für mich unvorstellbar gewesen, ein halbes Jahr kein Fußball zu spielen. Ich wäre durchgedreht. Nachdem ich an einigen kleinen Stellschrauben gedreht und einen Mentaltrainer engagiert habe, wusste ich, dass irgendwann belohnt werde, wenn ich täglich weiter Gas gebe.

Wie hat Ihnen der Mentaltrainer geholfen?

Geis: Da wir in der Öffentlichkeit stehen und sehr viel auf uns einprasselt, war das absolut hilfreich. Deshalb bin ich sicher, dass Mentaltrainer im Fußball künftig eine größere Rolle einnehmen werden. Da kann man sich einfach nochmal ganz anders austauschen als mit Freunden oder der Familie.

Wie genau läuft die Arbeit mit einem Mentaltrainer?

Geis: In der Regel unterhalte ich mich vor und nach den Spielen mit ihm und wir besprechen, wie man mit bestimmten Situationen am besten umgeht. Und ich treffe mich regelmäßig unter der Woche mit ihm, um in Ruhe über generelle Dinge zu sprechen. Mir persönlich hilft es sehr, diesen Input von außen zu bekommen.

Medial heißt es, dass ein Tempodefizit dafür verantwortlich war, dass Sie unter Domenico Tedesco keine Rolle mehr gespielt haben. Ist es nicht zu einfach, Ihre Situation auf Schalke allein darauf zu schieben?

Geis: Das müssen andere beurteilen. Vergleicht man meine Position mit den anderen, findet man im zentralen Mittelfeld kaum Sprintertypen. Natürlich ist es immer eine Systemfrage, doch gerade die Spielweise in Köln kommt mir aufgrund des hohen Ballbesitzanteils sehr entgegen. Geht man aggressiv in den Zweikampf und ist eng am Mann, ist Schnelligkeit nicht alles entscheidend. Dass ich kein Flügelflitzer bin, ist auch klar. Wenn mir jemand sagt, ich müsse schneller werden, bin ich der Letzte, der sich weigert, daran zu arbeiten.

Als Naldo seinen Wechsel zum AS Monaco bekannt gab, haben Sie emotionale Worte an Ihn gerichtet, nachdem er Ihnen auf Schalke sehr geholfen hat.

Geis: Naldo war für mich eine Vaterfigur. Nicht umsonst hatte er innerhalb der Mannschaft den Spitznamen "Papa". In der Hierarchie stand er ganz oben und ich finde es schade, dass Schalke ihn abgegeben hat. Mit seiner extrem positiven Art hat er der Bundesliga gutgetan. Er war immer gut drauf und hat mich in jedem Training motiviert - das hat mich sehr fasziniert. Es gibt nicht viele Spieler wie Naldo, der auch ein großes Gespür für seine Mitspieler hat. Dafür bin ich sehr dankbar.

Schalke hat derzeit viele Probleme. Woran liegt das?

Geis: Obwohl die Ergebnisse nicht gestimmt haben, war die Mannschaft immer ein verschworener Haufen. Wenn es in der Liga schlecht läuft, gerät man schnell in eine Abwärtsspirale, aus der es schwer ist, wieder herauszukommen. Im Vorjahr lief es auf Schalke genau andersherum und alle sind auf der Euphoriewelle mitgeschwommen.

Rückblickend konnten Sie die hohen Erwartungen auf Schalke nicht erfüllen. Warum nicht?

Geis: Unter Andre Breitenreiter lief es für mich im ersten Jahr wirklich gut. Er war der Trainer, der mich geholt hat. Aber man wird nie erfahren, wo ich heute stehen würde, wenn es keine Trainerwechsel gegeben hätte. Selbst unter seinem Nachfolger Markus Weinzierl habe ich wettbewerbsübergreifend 24 Spiele gemacht, was absolut in Ordnung war. Auch wenn es zum Teil so dargestellt worden ist, war es für mich keine schlechte Saison. Danach kam mit Domenico Tedesco ein Trainer, der ebenfalls seine Vorstellungen hatte.

Waren die Erwartungen zu hoch?

Geis: Ich kam mit 21 Jahren aus Mainz und dort lief es komplett anders. Vom ersten Tag an musste ich auf Schalke mit diesem Druck umgehen. In meinem ersten Jahr wurden wir Fünfter in der Bundesliga, was nicht schlecht war. Das Umfeld hat aber die Champions League gefordert und nach zwei schlechten Spielen war man der Buhmann. Damals habe ich noch viel gelesen und mir diese Dinge zu Herzen genommen.

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Nach Ihrer Roten Karte gegen Borussia Mönchengladbach 2015 gab es eine regelrechte Hetzjagd gegen Sie.

Geis: Das war schon krass und ich muss zugeben, dass es damals nicht einfach war, damit umzugehen. Natürlich war es ein Foul von mir, aber ich habe die Aktion bereut und mich bei Andre Hahn entschuldigt. Damals waren wir in einer schwierigen Phase und nach der Niederlage gegen Gladbach hatte ich tatsächlich das Gefühl, zum Sündenbock gemacht zu werden. Aber so etwas ist nicht nur mir passiert. Noch schlimmer ist es beispielsweise Mario Götze ergangen, der über drei Jahre immer auf den Deckel bekommen hat - egal, was er gemacht hat. Trotz dieser Nebengeräusche hat er es geschafft, gestärkt zurückzukommen und aktuell zeigt er Woche für Woche gute Leistungen.

Gibt es eine Entscheidung, die Sie in Ihrer Karriere rückblickend bereuen?

Geis: Ich würde alles wieder genauso wieder machen. Ich würde wieder zu Mainz, Schalke 04, dem FC Sevilla und dem 1. FC Köln gehen. Die Erfahrungen, die ich bei meinen bisherigen Stationen machen durfte, haben mich als Mensch reifen lassen und zu dem gemacht, der ich heute bin.

Vor Ihrem Wechsel zu Schalke soll auch Borussia Dortmund an Ihnen interessiert gewesen sein.

Geis: Stimmt, aber es kam nicht zustande. Als Fußballer darüber nachzudenken, was passiert wäre, wenn man einen anderen Weg eingeschlagen hätte, macht keinen Sinn. Ich bin sehr froh, dass ich einen so positiv-verrückten Verein wie Schalke miterleben durfte.

Ihr Wechsel zum FC Sevilla war der vielleicht größte Schritt in Ihrer Karriere. Wie haben Sie die Zeit in Andalusien erlebt?

Geis: Schon der erste Eindruck vom Land, von der Stadt und vom Verein war überwältigend. Ich konnte aber kein Spanisch und war deshalb kaum in der Lage, mich anfangs mit meinen Teamkollegen in der Kabine zu verständigen. Eine solche Situation kannte ich aus Deutschland natürlich nicht, aber diese Erfahrung hat mich menschlich unheimlich reifen lassen. Zum Glück hatte ich mit Simon Kjaer einen Teamkollegen, der Deutsch sprach. Grundsätzlich wird in Spanien viel entspannter mit Fußball umgegangen. Im Training stand der Spaß im Vordergrund. Würde in Deutschland so gearbeitet werden, gäbe es Probleme. (lacht)

Wie meinen Sie das?

Geis: Die Mentalität ist komplett anders. Alles wird ein bisschen lockerer angegangen. In Spanien wird der Fußball mehr gelebt. Natürlich wird auch dort Disziplin gelebt, aber es wird über vieles hinweggesehen. Im Training war es manchmal wie in der Kindheit auf dem Bolzplatz.

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Gerade in Sevilla haben Sie mit vielen großen Spielern zusammengespielt. Welcher Ihrer Mitspieler hat Sie am meisten beeindruckt?

Geis: Steven Nzonzi und Ever Banega waren unglaublich. Es ist erstaunlich, mit welcher Ruhe sie auf der Sechs agieren. Für meine Einsatzzeiten war natürlich nicht gerade förderlich, dass sie ausgerechnet auf meiner Position gespielt haben. (lacht) Aber ich konnte sehr viel von ihnen lernen. In meinen Augen sind beide absolute Weltklassespieler und rückblickend bin ich stolz darauf, mit ihnen zusammengespielt zu haben.

Wer war Ihr härtester Gegenspieler?

Geis: Ganz klar Lionel Messi. Bis ich mit Sevilla im Camp Nou gegen ihn gespielt habe, kannte ich ihn nur aus dem Fernsehen. Auf dem Platz wirkte er noch kleiner und unscheinbarer, aber speziell seine Lockerheit hat mich fasziniert. Sein erster Kontakt, die totale Kontrolle über den Ball, das kann man nicht trainieren. Das hat man.

Waren Sie nervös, Messi plötzlich gegenüberzustehen?

Geis: Es ist auf jeden Fall etwas ganz Besonderes, mit so jemand auf dem Platz zu stehen. Ich durfte auch im Bernabeu gegen Cristiano Ronaldo spielen. Um Ihre Frage zu beantworten: Natürlich ist man in solchen Momenten nervös. Es ist der Traum eines jeden Fußballers, in den größten Stadien gegen die größten Spieler anzutreten. Das Spiel gegen Messi werde ich nie vergessen.

Haben Sie ein spezielles Andenken an dieses Spiel im Camp Nou?

Geis: Wie jeder andere Spieler von uns wollte ich natürlich mein Trikot mit Lionel Messi tauschen, aber meine argentinischen Teamkollegen waren schneller. (lacht) Ich habe mein Trikot dann mit Sergi Roberto getauscht. Heute nimmt es einen Ehrenplatz in meiner Sammlung ein.

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