"Durch ein größeres Stahlbad gingen wenige"

Jens Keller ist seit dieser Saison Trainer bei Union Berlin
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SPOX: Inwiefern empfinden Sie das DFB-Pokal-Spiel bei Borussia Dortmund denn als Drucksituation?

Keller: Da haben wir überhaupt keinen Druck. Es ist ein tolles Spiel für Union Berlin und meine Mannschaft, aus dem wir viele Erfahrungswerte mitnehmen werden.

SPOX: Trägt man da als Ex-Schalker eine besondere Motivation in sich?

Keller: Die Motivation ist es, in so einem Stadion gegen so einen Gegner zu spielen. Das hat aber nichts mit meiner Vergangenheit zu tun.

SPOX: Sie haben Dortmund jüngst als "Übermannschaft" im Vergleich zu Union bezeichnet. Also haben Sie gar nichts zu verlieren, oder?

Keller: Es ist eine Floskel, aber in einem Spiel ist alles möglich. Man kann immer mal das glücklichere Team sein. Chancenlos fahren wir nicht zum BVB. Wir sind realistisch und wissen, dass es für uns nicht ganz einfach wird. Borussia Dortmund ist eine europäische Topmannschaft und wir ein Verein aus der 2. Liga. Das sagt schon alles, die Dimensionen unterscheiden sich enorm. Wir werden es Dortmund so schwer wie möglich machen, wenngleich es rein sportlich natürlich kein Traumlos ist.

SPOX: Wie kann man dem BVB aktuell überhaupt gefährlich werden?

Keller: Man muss körperlich robust dagegenhalten. Das ist es auch, was wir leisten können. Wir wollen aggressiv sein und zweikampfbetont spielen. So werden wir versuchen, dem BVB den Spaß am Fußball zu nehmen. Das wird trotzdem nicht einfach, Dortmund verfügt über eine enorme Qualität.

SPOX: Ihr Gegenüber Thomas Tuchel gilt als kühler, aber ausgeklügelter Kopf. Macht es überhaupt Sinn, sich auf Taktikspielchen einzulassen oder fahren Sie im Signal Iduna Park vor gut 80.000 Zuschauern voll die Motivationsschiene?

Keller: Würde ich mir keine taktischen Gedanken machen, hätte ich meinen Job verfehlt. (lacht) Ganz klar haben wir auch eine taktische Idee, wie wir gegen den BVB zu Möglichkeiten kommen. Darauf werde ich meine Mannschaft vorbereiten. Besonders motivieren muss ich in so einem Spiel ohnehin keinen mehr. Viele im Team erleben so etwas zum ersten Mal. Das ist Anreiz genug.

SPOX: Eigentlich brauchen Sie sowieso gar keinen Plan. Sie haben doch Collin Quaner.

Keller: (lacht) Stimmt, ja. Collin ist in einer sehr guten Form. Er ist klar im Kopf, trainiert hart und ist ein absoluter Vollprofi. Er stellt alles hinten an, auch im letzten Jahr schon, als er nicht so oft gespielt hat. Wir haben gemerkt, welche Stärken er hat, und ihm dann geholfen, sein Selbstbewusstsein aufzubauen. Was man gerade sieht, ist die Folge dessen. Er macht aber nicht nur die Tore, sondern arbeitet viel auf dem Platz - Tag für Tag mit all seinen Zusatzschichten. Das hat er sich verdient.

SPOX: Sie haben ein sehr persönliches Verhältnis zu Ihren Spielern und werden von der Mannschaft geduzt. Kann das vor so einem Spiel des Jahres wie gegen Dortmund vielleicht sogar entscheidend sein? Dass Sie die Spieler durch die Nähe emotional so mitreißen können, sodass sie über sich hinauswachsen?

Keller: Das ist nicht nur in dem Spiel so, sondern auch in jedem Spiel in der 2. Liga. Jeder Spieler muss immer topmotiviert sein. Ich bin stets nah dran an der Mannschaft, wir unterstützen uns da aber gegenseitig. Denn ich bin zwar Derjenige, der den Takt vorgibt, jedoch lebe ich auch von der Mannschaft.

SPOX: Wie schafft man es, dabei die nötige Autorität zu wahren?

Keller: Autorität kommt nicht durch Distanz, sondern durch vermittelte Qualität und ein respektvolles Miteinander. Die Spieler gehen diesen Weg mit, weil sie von mir als Menschen gesehen werden und nicht nur als Nummern auf dem Papier. Die Mannschaft weiß, warum ich manchmal auch unpopuläre Entscheidungen treffe. So kann sie besser damit umgehen als mit einem Trainer, der nur von oben drauf haut.

Jens Keller im Steckbrief

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