Und irgendwann dann Kaiser Franz

Von Jérôme Rusch
Michael Gregoritsch ist in Deutschland angekommen
© getty

Gladbach, Leverkusen, der Hamburger SV - sie woll(t)en ihn: Michael Gregoritsch. Doch wer ist der jüngste Torschütze der österreichischen Bundesliga? Wie tickt das Talent? Welche Fähigkeiten machen ihn so begehrenswert? Und: Welche Rolle spielt Trainer-Vater Werner?

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15 Jahre und 361 Tage ist er alt, als er sein erstes Tor in der österreichischen Bundesliga schießt. Im April 2010 erzielt Michael Gregoritsch mit dem SV Kapfenberg den 1:0-Führungstreffer gegen Austria Wien.

Ein Treffer, der ihn plötzlich ins Rampenlicht katapultiert und zahlreiche Seiten in Zeitungen füllen lässt. Sein Trainer in diesem besonderen Moment: Werner Gregoritsch.

Der Vater gilt als Lehrmeister der alten Schule: Disziplin, Gehorsam, Arbeit - Tugenden, die Michael sehr zu gute kommen. Die Gregoritschs haben klare Vorstellungen von der Zukunft. Der Filius soll - so die Möglichkeit besteht - schon in jungen Jahren Profierfahrung und Spielpraxis sammeln.

Man hat allerdings auch konkrete Vorstellungen, wie man dieses Ziel erreichen möchte. So treffen Vater und Sohn eine Entscheidung, die beileibe nicht viele getroffen hätten. Statt des großen Namens wählen sie die kleine Lösung: Gregoritsch wechselt zur TSG Hoffenheim.

Inter Mailand? Hoffenheim!

"Eine andere Option wäre Inter Mailand gewesen, da hätte er im Nachwuchs gespielt. Da ist es besser, er trainiert bei uns mit Teamspielern wie Fukal oder Mavric, da lernt er mehr." Diese Worte lässt der Vater 2011 verlauten. Sie zeigen die Einstellung der gesamten Familie: harte Arbeit und ein Schritt nach dem anderen.

Also Sinsheim, statt Mailand. Sein Aufenthalt in Hoffenheim ist jedoch nur von kurzer Dauer. Gregoritsch wird direkt an seinen alten Verein Kapfenberg ausgeliehen. Ein Jahr später erfolgt dann der endgültige Umzug nach Deutschland und mit ihm der erste (kleine) Durchbruch im Nachbarland.

Für die zweite Mannschaft der TSG Hoffenheim erzielt Gregoritsch elf Treffer, zumeist als Stürmer. Dazu sammelt er die vom Vater anempfohlene Erfahrung bei den Profis. "Ich bin froh, dass ich den Schritt ins Ausland so früh gemacht habe. Alleine das Training mit der ersten Mannschaft in Hoffenheim hat mich weit nach vorne gebracht. Ich spüre das jetzt, sowohl physisch als auch mental", bestätigt der Filius gegenüber dem Standard.

Abstecher ans Millerntor

Aufgrund unzureichender Aussichten in der ersten Mannschaft der Hoffenheimer wird Gregoritsch, in Baden-Württemberg liebevoll "Grego" genannt, 2013 zum FC St. Pauli ausgeliehen. Der erhoffte Schritt nach vorne bleibt jedoch aus: lediglich ein Tor in 15 Spielen, dabei drei von Beginn. Eine magere Ausbeute.

Dafür nimmt er andere Dinge aus Hamburg mit: "Das Stadion und die Fans sind außerordentlich. Außerdem habe ich zum ersten Mal gespürt, wie es ist, wenn eine Fankurve politisch ist. Es war spannend."

Manchmal muss man im Leben einen Schritt zurückgehen, um weiter voran zu kommen. Eine Floskel, gewiss, aber der junge Österreicher erfährt diese Weisheit durch sein Intermezzo am Millerntor. Er geht gestärkt aus diesem Misserfolg hervor, zieht Kraft daraus.

Kraft, welche er in Leistung umsetzt und sich dadurch einen Stammplatz in Bochum erspielt. Aber nicht ausschließlich als Stürmer, sondern überwiegend auf der linken Seite. Die für einen Schlaks von 1,93 Metern eher untypische Position entpuppt sich als Win-win-Situation.

Aus Grego wird Franz

Gregoritsch erhält endlich einen Stammplatz und Bochum einen lernwilligen und talentierten Spieler. Der Österreicher gewinnt an Sicherheit, profitiert vom neu gewonnenen Selbstverständnis und zahlt das ihm entgegengebrachte Vertrauen zurück: Sieben Tore und vier Vorbereitungen in der 2. Bundesliga sprechen eine deutliche Sprache. Michael Gregoritsch ist endlich angekommen und Teil der besten Offensive der Liga (53 Tore).

Und auch einen neuen Spitznamen bekommt der Österreicher verpasst: "In Hoffenheim war ich Grego, in Hamburg Gregor und hier in Bochum hat sich Franz etabliert. Ich habe mich daran gewöhnt." Nicht nur der Name hat sich etabliert, auch der Spieler ist dank seiner Fähigkeiten angekommen.

Vom Kronprinzen zum Kaiser?

Gregoritsch ist, auch wenn es seine Maße nicht zwingend vermuten lassen würden, antrittsschnell und leichtfüßig. Technisch, gerade bei Ballan- und mitnahme, sowie in der Rückwärtsbewegung ist noch Luft nach oben. Die Schusstechnik kann sich sehen lassen, in Sachen Kaltschnäuzigkeit muss er sich noch verbessern.

Sicher fehlt ihm noch das ein oder andere Kilo an Muskeln, um sich auch auf höherem Niveau durchzuboxen. Noch ist Franz ein Kronprinz, doch die Anlagen, den nächsten Schritt zu gehen, sind definitiv vorhanden.

Der HSV hat gesteigertes Interesse am Bochumer, doch der Transfer zieht sich hin. Der VfL will mehr Geld, als der HSV bezahlen möchte oder kann. Ginge es nach seinem alten Trainer Peter Neururer, wäre das Geschäft schon längst abgewickelt: "Gregerl ist der absolute Hammer. Er wäre jeden Euro Ablöse Wert."

Wechsel nicht mit Gewalt

Gregoritschs Agent Thies Bliemeister setzte beiden Parteien eine Deadline: "Michael hätte den Wechsel nach Hamburg gern gemacht. Doch sollten sich die Verhandlungen über den Sonntag hinausziehen, beenden wir sie definitiv", so der Berater. Das Ultimatum ist mittlerweile verstrichen, doch das Schlusswort ist wohl noch nicht gesprochen.

Eine klare Ansage, die auch den Charakter des Umworbenen widerspiegelt. Er strebt einen Wechsel nicht mit aller Gewalt an. Er will keine Spielfigur sein. Denn Michael "hat eine anständige Erziehung genossen und er behandelt seine Mitmenschen mit großem Respekt", so sein Vater.

Am Boden zu bleiben, hat der Vater dem Sohn mit auf den Weg gegeben, aber auch Ehrgeiz und Ambition. Kein Zweifel, Michael Gregoritsch will hoch hinaus. Zlatan Ibrahimovic sei sein "absolutes Vorbild", sagte er. Und wer weiß, vielleicht wird aus dem Kapfenberger Rekordtorschützen "Grego" eines Tages "Kaiser Franz".

Michael Gregoritsch im Steckbrief