Mit größtmöglichem Krach vor die Wand

Von Daniel Reimann
Die viel zitierte Pressekonferenz: Investor Hasan Ismaik (r.) und 1860-Präsident Hep Monatzeder
© imago

Die Liaison zwischen Hasan Ismaik und dem TSV 1860 München steht vor dem Aus - weil es beide Seiten in kindischer Manier forcieren. Doch während Ismaik sein Ziel mit dem Projekt 1860 wohl verfehlt hat, scheint der Verein auf Plan B zu setzen. Haben die Löwen noch ein Ass im Ärmel?

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"Haben Sie bitte keine zu großen Erwartungen", sagt Löwen-Präsident Hep Monatzeder. Knapp 50 Minuten ließen er und Hasan Ismaik die Journalisten nun schon im Presseraum warten. Voller Erwartungen. Und dann das. Er fährt fort: "Wir haben am Donnerstagabend eine Palette von Themen diskutiert, aber der Inhalt bleibt intern." Wie langweilig. Waren doch Ismaiks Besuche bei 1860 seit Beginn der Zusammenarbeit meist eine Garantie für unberechenbare Wendungen und spektakuläre Statements.

Doch Monatzeder hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Ismaik lässt sich auch an jenem Freitag nicht lumpen und prescht nur wenige Minuten später ohne jegliche Absprache vor: "We need to change Sportdirektor!" - und die Presse horcht gebannt auf.

Monatzeders diplomatischer Beschwichtigungsversuch ("Es ist noch keine Entscheidung gefallen") versandet. Ismaik nickt ab, um sogleich hinterherzuschieben: "Wir sind uns da einig". Ein "Ja ja, is' scho recht" in Richtung Monatzeder hätte wohl den gleichen Effekt gehabt.

Monatzeder wirkt nach außen beherrscht, doch innerlich dürfte er kochen. Der diplomatische Neuanfang mit Ismaik nach der Demontage von Vorgänger Dieter Schneider? Die Absicht, den lauten Weg über die Öffentlichkeit künftig zu vermeiden? Gemeinsame Lösungen? Mit seinen fünf Worten hatte Ismaik nicht nur den Sportdirektor infrage gestellt, sondern sämtliche Vorsätze zur künftigen Zusammenarbeit mit 1860.

Konfrontation statt Kooperation

Es ist lediglich ein Beispiel für das gestörte Verhältnis zwischen 1860 und dem jordanischen Investor - gleichwohl ist es symptomatisch. Für eine Zusammenarbeit, geprägt von beiderseitigem Misstrauen, Egoismen und Alleingängen, stets gekennzeichnet durch eine kompromissunwillige Hau-Ruck-Mentalität.

Das gleiche Muster ließ sich auch bei der weiß-blauen Retourkutsche am Tag darauf erkennen: Monatzeder stellte Ismaik, der den Verein einst mit seinen Millionen vor der Insolvenz bewahrt hatte, ein Ultimatum. 13 Millionen bis nächsten Dienstag, dann können wir über eine offensivere Strategie reden - die hatte sich Ismaik immer gewünscht. Konfrontation statt Kooperation also. Das kindische "Wie-du-mir-so-ich-dir-Spiel" hatte das nächste Level erreicht. Brüskierst du mich, brüskier' ich dich!

Beide Seiten forcieren die Eskalation

Bis heute geht das Spiel weiter, mittlerweile stehen beide Seiten kurz vor dem Ziel. Doch nicht etwa vor dem Ziel, das sie ursprünglich zu erreichen wünschten. Vielmehr vor dem Ziel, auf das beide zwangsläufig zusteuern, ohne echten Willen zu beweisen, gemeinsam die Richtung zu ändern. Die Ehe zwischen Ismaik und 1860 steht kurz vor der Scheidung.

Eine Scheidung, die für beide Seiten mittlerweile erstrebenswerter erscheint als eine Kooperation ohne Alleingänge oder öffentliche Schlammschlachten. Weshalb sonst sollten beide Parteien immer neues Öl ins Feuer gießen? Ismaik jüngst durch die urplötzliche Forderung nach einer Absetzung von Geschäftsführer Robert Schäfer, 1860 durch die nicht abgesprochene Verlängerung mit dem sportlichen Führungsduo Schmidt/Hinterberger, deren Qualifikation Ismaik schon immer infrage gestellt hatte.

Ismaik vor dem Ausstieg

Doch wie lässt sich das Verhalten von Investor und Verein nachvollziehen? Weshalb sind beide Parteien scheinbar bereit, das oft gepriesene gemeinsame Projekt mit Vollgas und größtmöglichem Krach vor die Wand zu fahren? Ismaik seinerseits geht es nicht ums Geld, wie er vom ersten Tag an betont hat. Es wirkt glaubhaft, wenn man bedenkt, dass der Löwen-Investor erst im Januar mit seiner Baufirma einen 653 Millionen Euro schweren Deal zum Bau einer Emirate-Variante des Louvre-Museums in Abu Dhabi eingetütet hat. Dagegen sind die 27 Millionen, die er in 1860 München investiert hat, Peanuts.

Stattdessen wollte sich Ismaik in Deutschland einen Namen als Investor machen. Das ist ihm zweifellos gelungen, wenn auch nicht in der gewünschten Form. Denn ob Ismaik mit seiner Brechstangen-Diplomatie und all dem tosenden Theater mit 1860 hierzulande als verlässlicher, kooperativer Geschäftsmann in Erinnerung bleiben wird, ist mehr als fragwürdig. Konkret: Ismaik hat sein Ziel verfehlt - oder es zumindest noch nicht erreicht.

Nichtsdestotrotz möchte er das Kapitel 1860 offenbar lieber gleich abhaken, als die zur Farce verkommene "Zusammenarbeit" weiterzuführen und seine Zeit für ein Projekt zu verschwenden, das finanziell für ihn nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die Gerüchte um einen Ausstieg verdichteten sich unlängst nach einem Bericht der "AZ". Darin hieß es, Ismaik habe bereits einen Investment-Händler beauftragt, sich nach einem Käufer für seine Anteile am Verein umzusehen. Es soll sogar schon lose Gespräche mit potenziellen Interessenten gegeben haben.

Seinen Namen versucht der Jordanier indes durch pathetische Sympathie-Bekundungen in Richtung Fans und Verein von jeglicher Schuld am gescheiterten Projekt 1860 reinzuwaschen. Der Schwarze Peter wird stattdessen der Klubführung zugeschoben - so geschehen beispielsweise nach der Verlängerung von Schmidt und Hinterberger. Über seinen Anwalt ließ er ausrichten, "dass die nun unweigerlich auf die Vereinsführung zukommenden Konsequenzen ausschließlich von der Vereinsführung zu verantworten sind."

Hat 1860 einen Plan B?

Im Fall von 1860 verhält es sich genau andersrum: Der Ruf ist längst ruiniert, das Image des Chaos-Vereins hat sich spätestens in den letzten Monaten irreversibel manifestiert. Doch auf das Geld eines Investors ist der TSV dringend angewiesen. Insofern scheint die einzig logische Option jene, die der "Münchner Merkur" schon vor einigen Tagen ins Spiel gebracht hat: Demnach sollen die Löwen eine Alternative zu Ismaik ausfindig gemacht haben. Eine internationale Investorengruppe sei schon länger an einem Einstieg interessiert. Hat 1860 also ein Ass im Ärmel?

Zumindest ist davon auszugehen, dass die Vereinsführung der Löwen einen Plan B im Hinterkopf hat, der nicht wieder unmittelbar in die drohende Insolvenz führt. Andernfalls wäre die knallharte Kante gegenüber Ismaik aus Sicht des Vereins schlicht verantwortungslos, würde man doch die Existenz des Klubs fahrlässig aufs Spiel setzen.

Dementsprechend entspannt sieht Geschäftsführer Schäfer einem potenziellen Ausstieg Ismaiks entgegen: "Wenn ein Gesellschafter seine Anteile verkaufen will, ist das seine Sache", sagte er der "AZ" und ergänzte: "Ein neuer Gesellschafter würde die gleiche Rolle spielen und wäre mit den gleichen Rechten ausgestattet. Für uns würde sich nichts ändern."

Eine klare Botschaft an den Investor: Uns ist egal, ob du bleibst oder gehst.

Eskalation als Deja-Vu-Erlebnis

Doch diese gegenseitige Drohkulisse an sich ist nicht einmal das Erstaunlichste am jüngsten Löwen-Theater. Vielmehr ist es das Deja-Vu-Erlebnis, das sie bei vielen Anhängern auslöst.

Schon einige Male stand die Kooperation vor dem Aus, das Band zwischen Investor und Verein schien unwiderruflich zerschnitten. Doch bisher endete noch jede öffentliche Streitigkeit in einer gemeinsamen Erklärung, in der eine kollegialere Zusammenarbeit beschworen und eine große Zukunft prophezeit wurde.

Man sollte sich also nicht wundern, wenn die Ehe zwischen 1860 und Hasan Ismaik abermals eine spektakuläre Wendung erlebt. Vielleicht schon auf der nächsten Pressekonferenz...

Der TSV 1860 München in der Übersicht